Immer mehr Ärzte entdecken den IGeL-Markt

Der Anteil von IGeL in deutschen Arztpraxen ist seit 2001 kontinuierlich gestiegen. Mittlerweile machen die Selbstzahler ein Marktvolumen von 1,5 Milliarden Euro aus.

Rebekka HöhlVon Rebekka Höhl Veröffentlicht:

BERLIN. In deutschen Arztpraxen wird inzwischen mehr als jedem vierten gesetzlich Krankenversicherten eine Selbtszahlerleistung angeboten. Im Jahr 2001 machten diese Erfahrung noch nicht einmal neun Prozent der GKV-Patienten. Dabei erreicht das Marktvolumen für die individuellen Gesundheitsleistungen (IGeL) bei gesetzlichen Versicherten mittlerweile 1,5 Milliarden Euro. So das Ergebnis einer repräsentativen Studie des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WidO).

Das WidO hatte im Mai und Juni dieses Jahres 2595 GKV-Versicherte ab 18 Jahren zum Thema IGeL befragt. Ausschlaggebend waren die Erfahrungen der Versicherten innerhalb der vorangegangenen zwölf Monate. Dabei ergebe eine Hochrechnung auf Basis der Stichprobe, dass in diesem Zeitraum 20,9 Millionen IGeL von Ärzten angeboten wurden.

Bei einem Anteil von 75,7 Prozent tatsächlich durchgeführter Leistungen, seien rund 15,8 Millionen IGeL auch "verkauft" worden, erklären die Studienautoren. Lege man nun die durchschnittlichen Kosten - gemäß der Selbstauskunft der befragten Versicherten - von 98 Euro je Leistung zugrunde, dann ergebe sich eben ein IGeL-Marktvolumen von 1,5 Milliarden Euro. Und - so das WidO - das sei im Vergleich zu 2005 ein Wachstum von 50 Prozent.

Weniger überraschend ist allerdings, dass Frauen mit 33,1 Prozent häufiger IGeL angeboten bekommen als Männer (22,4 Prozent). Wobei die Studienautoren zwar feststellen, dass kein klarer Zusammenhang zwischen Alter der Versicherten und dem Angebot von Selbstzahlern besteht - die IGeL-Erfahrungen der Befragten steigen bis zu einem Alter von 65 Jahren an. Dennoch seien Frauen zwischen 30 und 50 die größte Zielgruppe für IGeL.

Ziemlich eindeutig ist auch, dass vor allem einkommensstarke Haushalte auf die Selbstzahler angesprochen werden: Während in der unteren Einkommensgruppe (unter 1000 Euro) nur jeder Sechste ein IGeL-Angebot erhielt, war es bei der Einkommensgruppe mit über 4000 Euro mehr als jeder Dritte (38,8 Prozent).

Spitzenreiter beim IGeln sind laut der Studie die Gynäkologen: 28,9 Prozent der Befragten gaben an, dass ihnen hier eine IGeL angeboten wurde. Auf Rang zwei liegen die Hausärzte (19,2 Prozent). Wohingegen nur 5,6 Prozent der Befragten angaben, ein IGeL-Angebot von ihrem Hautarzt erhalten zu haben.

Berücksichtige man allerdings die Größe der einzelnen Arztgruppen gemäß dem Bundesarztregister 2009, so ergebe sich ein ganz anderes Bild, sagen die Studienautoren. Denn dann machten sowohl Augen- als auch Frauenärzte im Schnitt rund sechs- bis siebenmal so häufig wie Allgemeinmediziner ein solches IGeL-Angebot. Und selbst Hautärzte würden dann rund viermal so viele Selbstzahler anbieten als die Allgemeinmediziner.

Dabei liege die durchschnittliche Anzahl angebotenen Leistungen pro Jahr bei Hausärzten bei 89 IGel-Angeboten, bei Frauenärzten bei 544 und bei Augenärzten bei 578.

Fast die Hälfte der IGeL-Angebote entfällt auf Ultraschalluntersuchungen (20 Prozent), Glaukomvorsorgeuntersuchungen (16,2 Prozent), sowie die Verordnung von Medikamenten bzw. Heil- und Hilfsmitteln (11,5 Prozent). Rund sechs Prozent der Versicherten, so die Hochrechnung des WidO, hätten innerhalb der letzten zwölf Monate eine Ultraschalluntersuchung angeboten bekommen oder durchführen lassen.

Das seien 3,6 Millionen Versicherte. Es passiert übrigens seltener, dass Patienten, IGeL von sich aus nachfragen - das tun nur 28,9 Prozent. In über 70 Prozent der Fälle ging die Initiative vom Arzt aus. Und wenn Patienten Angebote nachfragen, dann seien es - abgesehen von kosmetischen Leistungen - eher Verfahren und Therapien, die vergleichsweise stark beworben würden.

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