Viele Alte in abgelegenen Regionen

Kanada setzt auf Telemedizin

Die Regierung von Kanada will mittels Healthcare-IT Kosten sparen.

Matthias WallenfelsVon Matthias Wallenfels Veröffentlicht:
So schön ist Kanada.

So schön ist Kanada.

© Ulrich Willenberg

TORONTO. Für deutsche E-Health-Anbieter kann sich ein Blick über den Atlantik lohnen. Denn Kanada bietet gute Exportaussichten für telemedizinische Anwendungen.

Davon geht zumindest die deutsche Außenhandelsagentur Germany Trade & Invest (gtai) aus.

Der Anteil der über 65-Jährigen soll sich demnach bis 2036 von derzeit 22 Prozent auf 40 Prozent nahezu verdoppeln.

Zudem wohnten viele Kanadier in abgelegenen Regionen und hätten nur beschränkten Zugang zu wichtigen Gesundheitseinrichtungen.

Die Regierung wolle daher den Anstieg der Gesundheitsausgaben verlangsamen. Im Fokus stünde dabei die Digitalisierung der Patienteninformationen. Hier habe Kanada nach Einschätzung der gtai erheblichen Nachholbedarf.

Mit Verweis auf das Canadian Institute for Health Information (CIHI) schätzt gtai, dass sich die Ausgaben 2012 auf 207 Milliarden kanadische Dollar (rund 162 Milliarden Euro) belaufen hätten.

Knapp 70 Prozent der Kosten würden dabei durch die öffentliche Hand - vor allem die 13 Provinzen und Territorien - finanziert.

Für weitere 15 Prozent kämen die Patienten direkt auf, für zwölf Prozent private Versicherer.

Umstellung auf elektronische Krankenakten könnte Kosten sparen

Der Beitrag der Zentralregierung zum Gesundheitssystem der Provinzen solle in den nächsten Jahren überproportional ansteigen.

Laut Gesundheitsministerium erhielten die Provinzen im laufenden Haushaltsjahr 2013/14 insgesamt 30 Milliarden kanadische Dollar aus dem Bundeshaushalt. Bis 2017/18 solle sich der Betrag auf 38 Milliarden kanadische Dollar erhöhen, so gtai mit Blick auf die Prognose des Ministeriums.

Um die steigenden Gesundheitskosten in den Griff zu bekommen, setze Kanadas Regierung auch auf einen breiteren Einsatz der Telemedizin.

Laut einer Studie der Organisation Canada Health Infoway hätten allein durch die Umstellung auf elektronische Krankenakten seit 2006 Kosten in Höhe von 1,3 Milliarden kanadische Dollar eingespart werden können.

So hätten 2010 etwa 80 Millionen kanadische Dollar weniger für den Transport von Patienten ausgegeben werden müssen, da Diagnose- und Behandlungssitzungen mithilfe telemedizinischer Anwendungen hätte durchgeführt werden können, wie die Experten der gtai ausführen.

Angesichts der geografischen Ausdehnung Kanadas und der Tatsache, dass ein Teil der Bevölkerung in abgelegenen Gebieten lebe, könne die Telemedizin einen Beitrag zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung leisten, so die Einschätzung der Canada's Health Informatics Association.

Die Zahl der klinischen Telemedizinsitzungen sei in den vergangenen Jahren laut gtai kontinuierlich gestiegen - 2012 habe sie bei rund 290.000 - und damit um 55 Prozent höher als noch 2010 - gelegen.

Provinz Ontario hat die Nase beim Ausbau der Telemedizin vorne

Ontario steht laut gtai an der Speerspitze der telemedizinischen Anwendungen. So gäbe es dort etwa 2200 Kliniken, die über die technischen Voraussetzungen für telemedizinische Dienste verfügten.

In ganz Kanada seien mittlerweile 7300 medizinische Einrichtungen entsprechend ausgestattet - Tendenz steigend.

Die kanadische Regierung hoffe, durch eine stärkere Förderung der Telemedizin auch der heimischen Medizintechnik- sowie der Informations- und Kommunikationsbranche zusätzliche Wachstumsimpulse zu vermitteln.

Canada Health Infoway ist, so die deutsche Außenhandelsagentur, verantwortlich für Vergabe und Finanzierung der Vorhaben, bei denen Gesundheitsdienstleister, Kommunen sowie Vertreter der Medizintechnik- und IT-Branche gemeinsame Lösungen und Produkte entwickeln sollen.

In den vergangenen zehn Jahren seien rund zwei Milliarden kanadische Dollar an öffentlichen Geldern in entsprechende Schnittstellenprojekte - unter anderem in die Digitalisierung von Krankenakten, die Vernetzung von Gesundheitseinrichtungen und die Entwicklung von telemedizinischen Softwareapplikationen - geflossen.

Konjunkturprogramm soll Digitalisierung der Krankenakten pushen

Weitere 500 Millionen kanadische Dollar würden im Rahmen des erst kürzlich angelaufenen Konjunkturprogramms "Canada Action Plan" bereitgestellt worden. Damit solle vor allem die Digitalisierung der Krankenakten weiter vorangetrieben werden.

Derzeit lägen die Unterlagen von knapp 60 Prozent aller Patienten in elektronischer Form vor. Kanada hinke damit hinter anderen Industrieländern wie Australien und Großbritannien hinterher.

Dort seien mehr als 90 Prozent aller Krankenakten digitalisiert, wie gtai unter Berufung auf eine Studie von Pricewaterhouse Coopers hinweist.

Der Ausbau der Telemedizin biete auch ausländischen Anbietern von medizintechnischer Ausrüstung und IT-Lösungen für das Gesundheitswesen interessante Geschäftschancen auf dem kanadischen Markt.

Ein Großteil der Medizintechnik wird laut gtai importiert, 2012 seien es Gerätschaften im Wert von 5,2 Milliarden kanadische Dollar gewesen - rund neun Prozent mehr als im Jahr davor.

Die lokale Produktion habe in diesem Zeitraum lediglich um 1,5 Prozent auf drei Milliarden kanadische Dollar zugelegt.

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema
Das könnte Sie auch interessieren
Innovationsforum für privatärztliche Medizin

© Tag der privatmedizin

Tag der Privatmedizin 2025

Innovationsforum für privatärztliche Medizin

Kooperation | In Kooperation mit: Tag der Privatmedizin
Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer und Vizepräsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, hofft, dass das BMG mit der Prüfung des Kompromisses zur GOÄneu im Herbst durch ist (Archivbild).

© picture alliance / Jörg Carstensen | Joerg Carstensen

Novelle der Gebührenordnung für Ärzte

BÄK-Präsident Reinhardt: Die GOÄneu könnte 2027 kommen

Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Maquet Otesus OP-Tischsystem

© Getinge Deutschland GmbH

Unternehmen im Fokus

Flexible und ökonomische OP-Tischsysteme

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Getinge Deutschland GmbH, Rastatt
Ein Medikament unter vielen, das wenigen hilft? 2400 Wirkstoff-Kandidaten in der EU haben den Orphan-Drug-Status.

© artisteer / Getty Images / iStock

Wirkstoff-Kandidaten mit Orphan-Drug-Status

Orphan Drugs – Risiken für ein Modell

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Verband forschender Pharma-Unternehmen (vfa)
Ein junges Mädchen wird geimpft – gegen HPV? (Symbolbild mit Fotomodellen)

© milanmarkovic78 / stock.adobe.com

Vision Zero Onkologie

Die Elimination des Zervixkarzinoms

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Vision Zero e.V.
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Lungensurfactant

Warum Seufzen der Atmung gut tut

Lesetipps
Der Rücken eines Mannes mit Gürtelrose zeigt Vesikel.

© Chinamon / stock.adobe.com

Alter für Indikationsimpfung herabgesetzt

STIKO ändert Empfehlung zur Herpes zoster-Impfung