Digital statt auf Papier

Kliniken fordern neue Erfassung der Corona-Hospitalisierungsrate

Die Deutsche Krankenhausgesellschaft kritisiert das Pandemiemanagement. Auch der Rettungsschirm sei wegen Omikron-Variante dringend nachzubessern. Mittelfristig gehöre die komplette Klinikfinanzierung auf den Prüfstand.

Thomas HommelVon Thomas Hommel Veröffentlicht: | aktualisiert:
Kliniken haben keine Möglichkeit, die Daten zu Coronapatientenonline zu melden, kritisiert DKG-Vorstandschef Dr. Gerald Gaß.

Kliniken haben keine Möglichkeit, die Daten zu Coronapatientenonline zu melden, kritisiert DKG-Vorstandschef Dr. Gerald Gaß.

© www.Schoelzel.net

Berlin. Die Krankenhauslobby hat Nachbesserungen bei der Erfassung stationär aufgenommener Corona-Patienten angemahnt. Die Hospitalisierungsrate weise erhebliche „Lücken“ auf, sagte der Vorstandschef der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Dr. Gerald Gaß, am Dienstag.

„Leider wird den Kliniken bis zum heutigen Tag keine Möglichkeit zur Verfügung gestellt, diese Daten online zu melden.“ Die Mitarbeiter der Krankenhäuser müssten weiter Formulare ausfüllen und diese per Fax an die Gesundheitsämter schicken. Dort würden sie erneut erfasst und ans Robert Koch-Institut übermittelt.

„Maximale Verzögerung“

„Jeder kann sich vorstellen, dass das zu einer maximalen Verzögerung bei der Datenmeldung und dies wiederum zu enormen Datenlücken führt“, sagte Gaß. Bund und Länder müssten „schnellstmöglich“ ein Online-Meldeverfahren aufbauen. Für dieses könnten die Krankenhäuser Daten aus den digitalen Krankenhausinformationssystemen (KIS) nutzen.

Die Hospitalisierungsrate gilt als wesentlicher Parameter für mögliche Corona-Beschränkungen. Experten kritisieren jedoch seit geraumer Zeit, dass die Werte erst mit großer Verspätung vorliegen, sodass Schritte zur Eindämmung der Pandemie womöglich zu spät erfolgen.
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Wegen der ansteckenderen Omikron-Variante sei in den kommenden Wochen mit Fallzahlen von 1000 je 100.000 Einwohnern, womöglich auch deutlich darüber, zu rechnen, warnte der DKG-Chef. „Das wäre im internationalen Vergleich keine Ausnahmesituation, sondern eher das, was man tatsächlich erwarten muss.“

Wie sich die Omikron-Welle auf die Krankenhäuser auswirke, lasse sich abschließend noch nicht sagen. Dennoch müsse die Politik den über den Krankenhäusern aufgespannten Rettungsschirm noch einmal nachbessern. „Die derzeitigen Ausgleichszahlungen sind richtig, aber für die sich nun aufbauende Omikron-Welle unzureichend“, so Gaß.

Rettungsschirm zu löchrig

So müsse die Zwei-Prozent-Selbstbeteiligungsregelung bei den Ausgleichszahlungen wegfallen. Die meisten Krankenhäuser hätten keine finanziellen Reserven, um noch mehr Verluste kompensieren zu können. Zudem springe der Rettungsschirm zu kurz. Er lasse 500 bis 600 Krankenhäuser außer Acht, „obwohl auch diese durch die Pandemie immens beeinträchtigt sind und sie zur flexiblen Reaktion gerade jetzt in der sich entwickelnden Welle dringend gebraucht werden“, betonte Gaß.

Überdies brauche es einen Bürokratie-Lockdown, um Klinikbeschäftigte in der Pandemie zu entlasten, forderte der DKG-Chef erneut. Den Vorwurf der Kassen, die Krankenhauslobby mache sich damit offenbar für einen Datenblindflug stark, wies Gaß zurück. „Das ist natürlich Unsinn.“ Es gehe darum, dass alles, was an Dokumentation medizinisch nicht unbedingt notwendig sei, in den kommenden Monaten entfalle.

Ambulante Potenziale heben

Lang- und mittelfristig ergäben sich aus der Pandemie Lehren für die anstehende Krankenhausreform, adressierte Gaß an die Ampel-Koalitionäre. Dabei sei das Fallpauschalen-System so weiterzuentwickeln, dass die Existenz eines Krankenhausstandorts nicht allein davon abhänge, eine maximal große Zahl von Patienten zu behandeln.

Kliniken seien „Einrichtungen der sozialen Daseinsvorsorge“ und gehörten finanziell abgesichert, umriss Gaß den Standpunkt der Kliniklobby. Ambulante Potenziale der Kliniken seien stärker zu nutzen. Das entlaste auch Regionen „mit problematischer Versorgung im niedergelassenen Bereich“, so Gaß.

Eine Schwäche des Koalitionsvertrags sei, dass sich darin kein Wort zur ungenügenden Investitionskostenfinanzierung der Länder finde. „Die Politik zwingt die Kliniken weiter, Personal zu reduzieren und bei der Qualität der Patientenbehandlung Abstriche zu machen, um Investitionen aus eigenen Mitteln zu finanzieren.“

Kassen: Transparenz ist keine Schönwetterveranstaltung

Der GKV-Spitzenverband bekräftigte unterdessen, bei der Forderung nach einem „Bürokratie-Lockdown“ handele es sich um einen „gefährlicher Irrweg, den die Politik nicht mitgehen sollte“. „Die Leidtragenden dieses DKG-Irrwegs sind die Versicherten, die den Krankenhausleitungen blind vertrauen sollen und die Beschäftigten, die ohne Mindest-Personalvorgaben noch stärker als zuvor belastet werden würden“, sagte Verbandssprecher Florian Lanz am Dienstag.

Eine Mindest-Behandlungsqualität werde sichergestellt durch Personalvorgaben, Transparenz und die Prüfung der Vorgänge im Krankenhaus – „also alles das, was die DKG nun gern abschaffen will“, so Lanz. Auch Abrechnungsdaten müssten weiter erfasst werden, da sich nur so ein Bild über die Lage auf den Intensivstationen ergebe. Qualität und Transparenz seien „keine Schönwetterveranstaltungen“, setzte der Sprecher hinzu.

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