Kinderarzneimittel / Drohende Engpässe in Herbst und Winter

Bundesregierung drängt auf Bevorratung des Handels mit Kinderarzneimitteln

Das Bundesgesundheitsministerium trifft Vorkehrungen, um im kommenden Winter erneute Lieferausfälle wichtiger pädiatrischer Medikamente zu verhindern. Der Handel soll seine Bevorratung insbesondere an einer neuen „Dringlichkeitsliste“ orientieren.

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Leere Schublade

Fehlende Ware: Bei Kinderarzneimitteln war das vergangenen Winter in den Apotheken besonders häufig der Fall – und ließ auch den Gesundheitsminister in der Öffentlichkeit nicht gut aussehen.

© Stefanie Oberhauser / EXPA / pic / picture alliance

Berlin. Die Bundesregierung will zum bevorstehenden Winter offenbar proaktiv Lieferproblemen bei Kinderarzneimitteln vorbeugen. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat die Pharmagroßhändler aufgefordert, Vorräte bestimmter Produkte anzulegen.

Nach derzeitiger Einschätzung könne im kommenden Herbst/Winter für bestimmte essenzielle Antibiotika und weitere pädiatrisch relevante Mittel eine angespannte Situation entstehen, heißt es in einem am Donnerstag bekanntgewordenen Brief des Ministers an den Bundesverband des Pharmazeutischen Großhandels (PHAGRO).

Neue Liste mit besonders kritischen Produkten

Die fraglichen Präparate – insgesamt 34, darunter in verschiedenen Aufmachungen unter anderem Antibiotika, Ibuprofen, Paracetamol, Salbutamol und Sympathomimetika – sind in einer „Dringlichkeitsliste“ aufgeführt, die das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) auf Anforderung des BMG kürzlich erstellt und auf seiner Website veröffentlicht hat.

Man nehme die Aufforderung des Ministers zur Bevorratung ernst, bestätigte ein PHAGRO-Vertreter am Donnerstag der Ärzte Zeitung. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung hatte als erste über den Brief Lauterbachs berichtet. Vorausgegangen waren Warnungen des Bundesverbandes der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ). Die Verbandspitze rechnet demnach nicht damit, dass sich eine Situation wie im vergangenen Herbst und Winter für das bevorstehende Spätjahr ausschließen lässt.

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BMG wird Versorgungsmangel erklären

Wie der Pharmaverband BAH berichtet, wird für die auf der Dringlichkeitsliste genannten Präparate ein Versorgungsmangel durch das BMG bekanntgegeben werden. Danach können beispielsweise auch Import-Produkte in fremdsprachiger Verpackung oder mit veraltetem Beipackzettel in Verkehr gebracht werden. Zudem kann das BfArM Kontingentierungen anordnen, etwa was Ausfuhren betrifft.

Im Vormonat hatte die Bonner Oberbehörde bereits eine 50-seitige Liste „notwendiger Kinderarzneimittel“ aufgelegt, für die der GKV-Spitzenverband die Festbeträge aufzuheben hat – erstmals jedoch erst zu Anfang Februar kommenden Jahres; anschließend erhöht sich deren Abgabepreis um 50 Prozent zum bisherigen Festbetrag. Der Großhandel ist gesetzlich verpflichtet, mindestens den durchschnittlichen vierwöchigen Bedarf an diesen Mitteln auf Lager zu halten.

Das war mit dem Ende Juli in Kraft getretenen Lieferengpassgesetz (ALBVVG) beschlossen worden. Die Präparate auf der jetzt zusätzlich formulierten Dringlichkeitsliste finden sich größtenteils auch in der umfangreicheren Übersicht der notwendigen Kinderarzneimittel wieder.

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Holetschek geht es nicht schnell genug

Unterdessen wirft der bayrische Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) in einer Stellungnahme am Donnerstag der Bundesregierung dennoch vor, nicht konsequent genug gegen den Arzneimittelmangel vorzugehen. Die Erkältungs- und Grippesaison stehe vor der Tür. „Es ist absolut notwendig, dass Gesundheitsminister Lauterbach schnell strukturelle Lösungen findet, um die Versorgung mit Medikamenten für Kinder zu sichern.“

In die gleiche Richtung zielt der Herstellerverband ProGenerika, der die Dringlichkeitsliste als „Eingeständnis“ wertet, dass die mit dem Lieferengpassgesetz implementierten Instrumente nicht ausreichen, um Versorgungsprobleme nachhaltig zu beheben. Verbandsgeschäftsführer Bork Bretthauer: „Das BMG schaltet in den Notstandsmodus und erkennt damit an, dass alle bisher ergriffenen Maßnahmen wirkungslos sind.“

Preisanhebungen und der Wegfall von Rabattausschreibungen für Kinderarzneimittel seien zwar „ein wichtiger erster Schritt“, heißt es weiter. Allerdings ermögliche das „gerade mal eine kostendeckende Produktion. Es setzt keinerlei Anreize, damit wieder mehr Unternehmen auch Kinderarzneimittel produzieren.“ Gleichwohl, versichert Bretthauer, „produzierten unsere Unternehmen rund um die Uhr, damit Engpässe nicht wieder auftreten“. (af/cw)

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