Neues RLV stürzt Hausarztpraxis in die Krise

Die neuen Regelleistungsvolumen sorgen nicht nur für Ängste bei Praxisinhabern. In mancher Praxis sind die Einschnitte so stark, dass das Personal bereits von Kündigung bedroht ist. Ein Hausarzt berichtet, warum das Geld fürs Personal fehlt.

Rebekka HöhlVon Rebekka Höhl Veröffentlicht:
Arzthelferinnen sind nicht nur in der Praxisorganisation unverzichtbar.

Arzthelferinnen sind nicht nur in der Praxisorganisation unverzichtbar.

© Foto: klaro

Es war Hilferuf und Protest zugleich, der die "Ärzte Zeitung" erreichte: Die Arzthelferin einer hausärztlichen Gemeinschaftspraxis schrieb, einer langjährigen Teilzeitkollegin und der angestellten Fachärztin der Praxis sei bereits gekündigt worden. Im Gespräch erklärte Beate Grabenmeier, wie ernst die Lage für sie ist. Ihre arbeitgebende Gemeinschaftspraxis habe den Fallwert von einem Vergleichsbetrag von rund 70 Euro im Jahr 2007 und 2008 auf jetzt nur noch um die 35 Euro gekürzt bekommen.

Seit Februar sei die bisher in der Praxis mitarbeitende Fachärztin nicht mehr da. Das Arbeitgeberehepaar könne die Versorgung der Patienten aber gar nicht alleine leisten. Wie die Perspektive von Beate Grabenmeier in der Praxis aussieht, ist mehr als ungewiss.

Keine Schuldzuweisung an die Ärzte

Wütend auf ihre Arbeitgeber ist die Arzthelferin nicht. Sie versteht die Situation der Ärzte. Die beiden Praxisinhaber hätten offen über ihre Lage gesprochen. Wütend ist Grabenmeier aber auf Krankenkassen, KBV und Bundesregierung: "Als Arzthelferin bin ich persönlich entsetzt, dass die Bundesregierung und die KBV und der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenkassen eine so kapitale Abwertung der ärztlichen Leistung für einen Teil der Praxen beschließt".

Dass die Angst vor der Arbeitslosigkeit mehr als berechtigt ist, muss Grabenmeiers Arbeitgeber Dr. Thorsten Werkhausen leider bestätigen. Gemeinsam mit seiner Frau leitet er die hausärztliche Gemeinschaftspraxis mit zwei KV-Sitzen, bislang einer Job-Sharing-Ärztin und drei Arzthelferinnen im rheinischen Königswinter. Gerne hat er die beiden Kündigungen nicht ausgesprochen. Ohne die Job-Sharing-Kollegin mit einer Zwei-Drittel-Stelle sei die Arbeit gar nicht zu schaffen. Denn seine Ehefrau könne aus persönlichen Gründen derzeit nur 20 bis 30 Stunden in der Praxis mitarbeiten.

70 000 Euro fehlen dieses Jahr

Zwar seien es mit 1200 Scheinen im Quartal für eine Gemeinschaftspraxis eher wenige Patienten. Die seien aber sehr arbeitsintensiv. "Wir haben rund 67 Prozent chronisch kranke Patienten und 160 Hausbesuche im Quartal." Dabei betreue die Praxis viele Diabetiker. Arbeit, die der Arzt seit diesem Monat alleine schultern muss, ohne zu wissen, wie es funktionieren soll. "Ich muss eben noch mehr Hausbesuche auf den Mittwochnachmittag, auf abends und aufs Wochenende verlegen", sagt er. Dennoch versucht er dies auf eine für die Patienten verträgliche Art zu tun. Und die Patienten zeigten durchaus Verständnis.

Um die vielen Fragen und Sorgen der Patienten müssen sich aber auch die Arzthelferinnen der Praxis kümmern. Dass er seine Mitarbeiterinnen eigentlich braucht, weiß Werkhausen: "Ohne die Arzthelferinnen schaffen wir die Arbeit nicht."

Aber mit dem viel geringeren Honorar fehlen der Praxis pro Jahr formal 70 000 Euro. "Das ist das Geld, das uns für unser Personal fehlt." Aus der Sorge heraus, die Kosten für die Praxis könnten die Einnahmen im Laufe des Jahres deutlich übersteigen, hat die Praxis daher auch einer Arzthelferin mit langer Kündigungsfrist zum 30. Juni gekündigt. "Wir wissen ja nicht, was nach dem 1. Juli ist", so Werkhausen.

Pro Quartal rechnet der Arzt mit einem Fehlbetrag von 17 000 Euro. Die zusätzlich zum RLV möglichen extrabudgetären und freien Leistungen sind bereits mit eingerechnet. Sein Problem: Abgesehen davon, dass ihm jetzt nur noch ein RLV von 36 Euro zustehe, wobei er im vergangenen Jahr noch 71 Euro je Patient erzielte, werde ihm bislang beim Honorar nicht der diabetische Schwerpunkt der Praxis anerkannt. Mit extrabudgetären Leistungen wie Impfen, DMP und Prävention würden zwar 15 000 bis 16 000 Euro pro Quartal hinzukommen. Trotzdem sei es in der Summe nicht das, was die Praxis vorher erwirtschaftet habe. 1,8 Millionen Punkte hat die Praxis pro Quartal erbracht. Wegen der vielen arbeitsintensiven Fälle sei das notwendig gewesen. Nun reduziere sich aber das Honorar für diese Leistung um circa ein Viertel. Dass es für Gemeinschaftspraxen einen Aufschlag aufs RLV gibt, helfe da wenig.

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