Bundesgerichtshof

Psychisch Kranke nicht auf ewig wegschließen!

Untergebrachte psychisch Kranke müssen Freiheitsperspektive haben, hat der BGH entschieden: Gerichte müssen bei langer Unterbringung genauer prüfen.

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KARLSRUHE. Je länger psychisch Kranke wegen einer vermuteten Selbstgefährdung zwangsweise in der Psychiatrie untergebracht sind, desto stärker müssen Gerichte bei einer Verlängerung prüfen, ob diese Gefahr weiter besteht.

Auch untergebrachte psychisch Kranke müssten in der Regel eine "Perspektive auf Wiedererlangung der Freiheit" haben, forderte kürzlich der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe.

Im Streitfall geht es um einen Mann in Bayern. Bei einem Verkehrsunfall zog er sich Hirnverletzungen zu und leidet seitdem an einem hirnorganischen Psychosyndrom. Zusätzlich besteht eine Alkoholsucht.

Sein Betreuer veranlasste die zwangsweise Unterbringung in der Psychiatrie. Krankheitsbedingt bestehe eine erhebliche Selbstgefährdung. Seine Hirnschädigung könne sich zudem verschlimmern, wenn er weiter Alkohol konsumiert. Ein Sachverständiger befürwortete eine Unterbringung auf "unabsehbare Zeit".

Doch als nach knapp achteinhalb Jahren die Unterbringung erneut verlängert werden sollte, zog der Mann vor Gericht. Im November 2017 billigte das Landgericht Schweinfurt jedoch erneut die Zwangsmaßnahme. Die Gefahr einer Selbstgefährdung bestehe weiter fort.

"Freiheit der Person ist ein hohes Rechtsgut"

Der Bundesgerichtshof hob diese Entscheidung nun auf und verwies den Streit zur erneuten Prüfung an das Landgericht zurück. "Die Freiheit der Person ist ein so hohes Rechtsgut, dass sie nur aus besonders gewichtigem Grund angetastet werden dar", heißt es in dem Karlsruher Beschluss.

Zwar könne der Schutz vor einer Selbstgefährdung den Entzug der Freiheit rechtfertigen. Doch je länger eine Unterbringung bereits dauere, desto genauer müssten die Gerichte prüfen, ob die ursprüngliche Gefahr einer Selbstgefährdung oder auch Verwahrlosung tatsächlich weiter besteht. Dies könne sich während der bisherigen Unterbringung und Behandlung ja ändern.

Im konkreten Fall soll das Landgericht insbesondere auch prüfen, ob bei engmaschiger Überwachung nicht auch eine offenere Betreuungsform ausreichen kann. (mwo)

Bundesgerichtshof: Az.: XII ZB 629/17

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