Substanzerhalt statt Höhenflug

Die Übernahme des Pharma-Unternehmens Wyeth durch Pfizer soll die Stellung des Weltmarktführers in den kommenden Jahren absichern. Der Konzern stellt sich breiter auf als bisher. Ziel ist es, die Abhängigkeit von einzelnen Präparaten zu verringern.

Von Friederike Krieger Veröffentlicht:
Forschung bei Pfizer: Der Marktführer stellt sich in Zukunft breiter auf.

Forschung bei Pfizer: Der Marktführer stellt sich in Zukunft breiter auf.

© Foto: Pfizer

In diesem Jahr steht der Pharmabranche eine Elefantenhochzeit ins Haus: Der Pharmakonzern Pfizer will für 68 Milliarden US-Dollar den Konkurrenten Wyeth übernehmen (wir berichteten). Der Kauf soll den Abstieg des größten Pharmakonzerns von der Weltspitze verhindern. Bis Ende des Jahres will Pfizer die Übernahme abschließen.

2000 hatte das US-amerikanische Unternehmen bereits Warner-Lambert für über 90 Milliarden US-Dollar (70 Milliarden Euro) gekauft - der bislang gewaltigste Zukauf der Branche. 2003 schluckte Pfizer dann Pharmacia für rund 60 Millionen US-Dollar (46,6 Milliarden Euro).

Mit der jüngsten Übernahme will Pfizer sich vor allem aus der Abhängigkeit vom reinen Pharmageschäft befreien. Pfizers wichtigster Blockbuster ist der Blutfettsenker Lipitor, der in Deutschland unter der Bezeichnung Sortis® (Atorvastatin) auf dem Markt ist. Als Blockbuster werden Medikamente bezeichnet, wenn sie Jahreserlöse von mindestens einer Milliarde US-Dollar einspielen. Atorvastatin macht mit Erlösen von 13 Milliarden US-Dollar (10,1 Milliarden Euro) rund ein Viertel des Umsatzes von Pfizer aus. Das Patent für Atorvastatin läuft allerdings im Jahr 2011 aus. Ab diesem Zeitpunkt können auch Generikafirmen das Medikament herstellen, was Pfizers Verkaufszahlen nicht gut tun wird.

Pfizer mausert sich zum Biological-Hersteller

Anderen Medikamenten aus dem Hause Pfizer wie dem Potenzmittel Viagra® (Sildenafil) droht in naher Zukunft ein ähnliches Schicksal. "Mit der Übernahme von Wyeth gehen wir das Problem unserer auslaufenden Patente gezielt an", sagt Pfizer-Chef Jeffrey Kindler. Der Zukauf soll dem Konzern Zugang zu neuen Medikamenten und Geschäftsfeldern verschaffen. "Ab 2012 soll kein Medikament mehr als zehn Prozent des Umsatzes ausmachen", erklärt Kindler. Die Devise lautet Diversifikation.

"Mit Hilfe von Wyeth werden wir zum drittgrößten Biologicals-Hersteller der Welt", sagt Kindler. Biologicals sind biotechnisch herstellte Medikamente aus veränderten lebenden Zellen. Wyeth hat sich hier mit dem Antirheumatikum Enbrel® (Etanercept), einen Namen gemacht.

"Zudem ermöglicht uns die Fusion mit Wyeth den Eintritt in den Markt für Impfstoffe", sagt Kindler. Wyeth vertreibt den Impfstoff Prevenar®, der Kinder etwa vor Lungenentzündung schützt und der dem Unternehmen einen Jahresumsatz von 2,7 Milliarden US-Dollar bringt.

Simon King, Pharma-Analyst beim Marktforschungsinstitut Datamonitor, hält die Verbreiterung des Pfizer-Portfolios für sinnvoll. "Biotechnisch hergestellte Medikamente wie auch Impfstoffe sind in einem viel geringeren Ausmaß durch die Gefahr der Umsatzerosion durch Generika betroffen", sagt er. Zudem werde sich Pfizers starker Fokus auf den kardiovaskulären Markt verringern.

Wyeth ist stark in Prävention und Wellness

Pfizer hatte bereits im September 2008 angekündigt, seine Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten in diesem Bereich einzustellen und sich auf Morbus Alzheimer, Krebs, Diabetes, Schmerz und Schizophrenie zu konzentrieren. "Die Fusion wird dieser Strategieänderung im Therapiebereich mehr Nachdruck verleihen, zumal Wyeth bei Krankheiten des zentralen Nervensystems sowie in den Bereichen Immunologie und Entzündungen sehr präsent ist", sagt Analyst King.

Die Übernahme von Wyeth wird Pfizers Portfolio auch um nicht verschreibungspflichtige Medikamente erweitern, vor allem in den Bereichen Nahrungsergänzungsmittel und Tiergesundheit. "Unser Geschäft ist auf Prävention und Wellness fokussiert", sagt Bernard Poussot, Chef von Wyeth. "Über 60 Prozent unseres Umsatzes erwirtschaften wir mit nicht-traditionellen Medikamenten."

Vier Milliarden US-Dollar sollen eingespart werden

Pfizer-Chef Kindler verspricht sich von der Fusion zudem Kostensenkungen. Vier Milliarden US-Dollar (3,1 Milliarden Euro) sollen es bis 2012 sein. Rund 20 000 der 130 000 Arbeitsplätze bei Wyeth und Pfizer sollen wegfallen.

Zusammen bringen es die beiden Pharmakonzerne auf einen Umsatz von 71 Milliarden US-Dollar, was die Marktführerschaft erst einmal sichern dürfte. "Die Fusion wird Pfizer Größe geben, kann aber den Rückgang der Verkaufszahlen nicht vollständig aufhalten", urteilt er. Auch bei Wyeth laufen in den kommenden Jahren einige Patente aus oder sind schon ausgelaufen. Betroffen ist unter anderem das Antidepressivum Effexor (in Deutschland Trevilor®, Wirkstoff Venlafaxin) mit einem Jahresumsatz von zuletzt 3,9 Milliarden US-Dollar.

Dieser Umstand ist dem Pfizer-Management wohl bewusst. Finanzchef Frank D'Amelio stellte bei der Präsentation der Finanzziele der fusionierenden Unternehmen für das Jahr 2012 kein großartiges Wachstum in Aussicht. Der Umsatz werde sich auf dem Niveau des Jahres 2008 bewegen und ungefähr bei 70 Milliarden US-Dollar liegen, sagte er. Statt Höhenflügen steht Substanzerhalt auf der Agenda.

Lesen Sie dazu auch: Ein neuer Riese auch in Deutschland Was Sie über die Fusion wissen sollten Pfizer: Gewappnet für die Zukunft Die Pipeline von Pfizer: Keiner investiert mehr Geld Wyeth: Schon früh auf Biotech gesetzt Die Pipeline von Wyeth: Ein Impfstoffspezialist

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