Kongress für Gesundheitsnetzwerker

Warum manche Diabetes-Patienten die Videosprechstunde schätzen

Keine Patienten während Corona? Eine Diabetologin berichtet über ihre persönlichen Erfahrungen mit der Videosprechstunde. Die KV Westfalen Lippe hofft indes, dass sich bei den Abrechnungsregeln etwas tut.

Von Julia Frisch Veröffentlicht:
Für Erstkonsultationen ist Telemedizin nach Einschätzung einer Frankfurter Diabetologin eher ungeeignet – mindestens ein persönlicher Kontakt zwischen Arzt und Patient sollte bereits stattgefunden haben.

Für Erstkonsultationen ist Telemedizin nach Einschätzung einer Frankfurter Diabetologin eher ungeeignet – mindestens ein persönlicher Kontakt zwischen Arzt und Patient sollte bereits stattgefunden haben.

© fotodesignart / stock.adobe.com

Berlin. Dr. Alice Lange, Diabetologin aus Frankfurt am Main, gehört zu den Ärzten, die in der Corona-Zeit die Videosprechstunde für sich entdeckt haben. Sie betreut viele junge Menschen mit Typ-1- und Gestationsdiabetes. „Ab Mitte März 2020 hatten wir keine Patienten mehr in der Praxis“, erzählte Lange auf dem 16. Kongress für Gesundheitsnetzwerker. „Das machte uns Sorgen, weil viele ja betreut werden mussten“, so Lange.

Also begann die Diabetologin, ihren Patienten Videosprechstunden anzubieten. Das kam gut an. Inzwischen fragt Alice Lange jeden Patienten, ob er auch Videosprechstunden nutzen will. Bei älteren, so ihre Erfahrungen, sind eher Telefonsprechstunden gefragt. „Für Erstdiagnosen sind Videosprechstunden natürlich nicht geeignet“, sagt Lange. Deswegen nutzt sie diese Form der Telemedizin auch nur, wenn schon ein persönlicher Kontakt stattgefunden hat. Auch Schulungen für Diabetiker laufen nicht per Video.

Die Patienten wissen das Angebot von Lange zu schätzen. „Wenn es nur um ein Gespräch mit mir geht, etwa die Besprechung von Laborwerten oder das weitere Vorgehen bei Gestationsdiabetes, ist es für die Patienten natürlich einfacher als der Praxisbesuch.“

Minimale technische Ausrüstung ist unerlässlich

Eine minimale technische Ausrüstung sei für die Videosprechstunde unerlässlich, so Lange. Mit dem Handy breche meistens die Leitung zusammen. Die Ärztin bietet die Sprechstunden gebündelt an einem Vormittag für zwei bis drei Stunden an. Einzelne Videogespräche zwischen die Präsenz-Konsultationen einzuflechten funktioniere nicht. Für Alice Lange ist klar: Die Videosprechstunde wird in ihrem Angebot bleiben.

Auch Thomas Müller, Vorstandsmitglied der KV Westfalen-Lippe, sowie Professor Konrad Obermann von der Berliner Steinbeis-Hochschule sind fest davon überzeugt, dass die Videosprechstunde nach der Corona-Pandemie weiterhin zum festen Bestandteil vieler Praxen gehören wird. Müller zeigte sich auf dem Kongress sogar optimistisch, dass die Krankenkassen sich aufgrund positiver Rückmeldungen dazu bereit erklären könnten, im Bewertungsausschuss die 20-Prozent-Regelung zu lockern.

Wie sehr die Corona-Pandemie die Einstellung der Ärzte und Ärztinnen zur Videosprechstunde geändert hat, verdeutlichte Professor Konrad Obermann anhand einer Befragung unter Ärzten. Während 2017 noch 60 Prozent der Mediziner die Videosprechstunde ablehnten, haben sich die Verhältnisse inzwischen genau umgekehrt. Vor allem die Psychotherapeuten entdeckten das Potenzial: Knapp über 50 Prozent verbuchten einen hohen bis sehr hohen Anteil an Videocalls bei den Arzt-Patientenkontakten.

KV vergibt 6000 Genehmigungen für Videosprechstunden

Ein Fakt, den die KV Westfalen-Lippe bestätigten kann: Dort verfügen inzwischen 2200 der 2500 Psychotherapeutenpraxen über eine Genehmigung für die Videosprechstunde. Insgesamt wurden von der KV 6000 Genehmigungen erteilt. Zum Vergleich: Im vierten Quartal 2019 gab es nur 92 Erlaubnisse.

Insgesamt wurden in Westfalen-Lippe vom ersten bis zum dritten Quartal 2020 155.000 Videosprech-stunden abgerechnet. „Und das ist kein temporärer Effekt“, sagte Obermann. Denn auch nach der Pandemie gab das Gros der befragten Ärzte (90 Prozent) an, Videosprechstunden weiter nutzen zu wollen.

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