Krebs in Osteuropa

Wenn Eminenz Evidenz dominiert

Der Zugang zur onkologischen Diagnostik und Therapie ist in Ost- und Südosteuropa noch beschwerlich. Das soll sich ändern. Wissenschaftler und EU-Parlamentarier setzen dafür auf den EU-Krebsplan und ein Dashboard. Im Weg könnten viele Betonköpfe stehen.

Matthias WallenfelsVon Matthias Wallenfels Veröffentlicht:
Krebspatienten in Osteuropa haben nicht immer Zugang zu einer modernen Diagnostik und Versorgung. Das soll sich mit dem EU-Krebsplan ändern. Experten zweifeln, dass das so schnell Realität wird. (Symbolbild mit Fotomodell)

Krebspatienten in Osteuropa haben nicht immer Zugang zu einer modernen Diagnostik und Versorgung. Das soll sich mit dem EU-Krebsplan ändern. Experten zweifeln, dass das so schnell Realität wird. (Symbolbild mit Fotomodell)

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Brüssel. Eine Krebserkrankung sollte in der EU früh diagnostiziert und adäquat nach dem Stand der Wissenschaft therapiert werden, um dem Patienten im Zuge der Nachsorge möglichst ein langes Überleben zu garantieren – diesen hehren Anspruch erhebt der von EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides noch für dieses Jahr in Aussicht gestellte EU-Plan zur Krebsbekämpfung.

Für die Region Zentral- und Osteuropa innerhalb der EU – Estland, Lettland, Litauen, Ungarn, Tschechien, die Slowakei, Polen, Kroatien, Slowenien, Bulgarien und Rumänien – ist dieser Anspruch bisher noch, gelinde gesagt, eine Utopie. Zwar sind diese Staaten in der Mehrheit mittlerweile 16 Jahre (Bulgarien und Rumänien 13 Jahre, Kroatien sieben Jahre) in das EU-Gefüge eingebunden, Krebs genießt dort bei den nationalen Regierungen aber teils noch immer keine Priorität, wie der rumänische Europaabgeordnete Cristian-Silviu Bu?oi (EVP) am Donnerstag bei einem Webinar der Europäischen Krebspatienten-Koalition (European Cancer Patient Coalition/ECPC) in Brüssel betonte. Bu?oi steht auch der interfraktionelle Arbeitsgruppe des EU-Parlamentes zur Krebsbekämpfung vor.

Für Professor Christoph Zielinski, Präsident der Central European Cooperative Oncology Group (CECOG) weist die Region bei der onkologischen Versorgung ein strukturelles Problem auf. „Wir müssen darauf hinarbeiten, dass die onkologische Versorgung evidenzbasiert ausgerichtet wird und nicht, wie bisher üblich eminenzbasiert“, forderte er auch die EU-Parlamentarier auf, auf nationaler Ebene gegen Widerstände für eine moderne Onkologie anzugehen.

Dashboard soll Fortschritte messen

Um die Fortschritte hin zu einer zeitgemäßen Krebsdiagnostik und -therapie in der Region anhand von Leistungsindikatoren messbar zu machen, macht sich die CECOG stark für ein „Cancer Dashboard for Central and Southeastern Europe“. Nicht zu verwechseln ist dies mit dem Dashboard, das unter anderem die pharmazeutische Industrie zusammen mit der ECPC und anderen Partnern aufsetzen will, um die Erfolge des EU-Krebsplans in den einzelnen Mitgliedstaaten anhand von Leistungsindikatoren transparent zu machen.

Zu den zahlreichen Leistungsindikatoren, die die Fortschritte in puncto Krebs in Zentral- und Osteuropa sichtbar machen sollen, gehören laut Zielinski unter anderem folgende:

  • Prävention: Hierunter fallen die Anzahl von Aufklärungsinitiativen – zum Beispiel zu den Tabakgefahren –, Gesetzesänderungen – zum Beispiel zum Einrichten rauchfreier öffentlicher Räume, Werbeverbote für hochkalorische Getränke und Alkohol – sowie Impfprogramme. Weitere Leistungsindikatoren im Zusammenhang mit der Prävention wäre die Entwicklung der Raucherprävalenz in der Erwachsenenbevölkerung und bei ausgesuchten Risikogruppen, die Prävalenz an Übergewichtigen, aber auch die Zahl der neu diagnostizierten Patienten mit Diabetes Typ 2, Genitalwarzen, Cervix-Ca, oropharyngealen, penilen, analen Karzinomen, Hepatitis B und damit assoziierte Krankheiten. Zudem sollte ein Jahr nach Start der Aufklärungskampagnen die Zahl neuer, lokal begrenzter Krebsdiagnosen. Auch soll das Dashboard eine Screening-Initiative umfassen, die 2025, 2030 und 2035 die neu diagnostizierten Krebsfälle im Frühstadium erfasst.
  • Diagnostik: Hier sollen die Länder vor allem dafür sorgen, dass regionale Abdeckung mit modernen bildgebenden Verfahren erhöht und die Ausrüstung modernisiert wird. Zusätzlich sollen mehr Fachkräfte für die Versorgung gewonnen werden. Gemessen werden sollte der Erfolg hier an den Wartezeiten für die Bildgebung (CT, MRT, Knochenszintigrafie).

Außerdem solle die molekulare Testung in der gesamten Region Standard werden und auf Kassenkosten erfolgen. Als Leistungsindikatoren dienten hier laut Zielinski der prozentuale Anteil der Patienten mit molekularen Testergebnissen sowie derjeniger mit einer individualisierten Therapie.

  • Systemische Therapie: Hier sollten neuartige Diagnostik- und Therapieoptionen im Sinne des „Value-oriented Reimbursement“ erfolgen. Als Leistungsindikator dienten hier die Zahl neuer erschwinglicher Therapien und Versorgungslösungen in den Jahren 2025, 2030 und 2035.
  • Radiotherapie: Hier sollte die Zahl der verfügbaren Radiotherapieanlagen erhöht und mit moderner Ausstattung versehen werden. Außerdem gelte es, mehr qualifizierte Fachkräfte für die Radiotherapie zu beschäftigen. Als Leistungsindikatoren sieht Zielinski hier die Wartezeit nach dem finalen pathologischen Befund auf eine adjuvante Strahlentherapie. Zudem sollte in den Jahren 2025, 2030 und 2035 die Zahl der Patienten erhoben werden, die zehn Jahre nach ihrer Krebsdiagnose noch am Leben sind.
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