Bundessozialgericht zu Hessen

Zu hohe EHV-Beiträge für Ärzte mit hohen Sachkosten

Das Bundessozialgericht hatte über vier Musterverfahren hessischer Ärzte gegen die bundesweit einzigartige Gestaltung ihrer Altersvorsorge zu entscheiden. Knackpunkt: Bei der Beitragsbemessung spielen die Kosten keine Rolle.

Von Martin Wortmann Veröffentlicht:
Bis zu knapp 6000 Euro im Quartal müssen manche in Hessen niedergelassene Ärzte im Rahmen der Erweiterten Honorarverteilung für ihre Altersversorgung zwangsweise berappen.

Bis zu knapp 6000 Euro im Quartal müssen manche in Hessen niedergelassene Ärzte im Rahmen der Erweiterten Honorarverteilung für ihre Altersversorgung zwangsweise berappen.

© picture-alliance / Bildagent

Kassel. Die Reform der Erweiterten Honorarverteilung (EHV) in Hessen 2012 ist teils rechtswidrig. Zur Bemessung der Beiträge dürfen nicht nur die Umsätze herangezogen werden, wie jetzt der Vertragsarztsenat des Bundessozialgerichts (BSG) in Kassel entschied. Danach müssen auch die Sachkosten berücksichtigt werden, wenn sie bei einer Arztgruppe deutlich vom Durchschnitt abweichen.

Als einzige KV bundesweit hat die KV Hessen eine Altersversorgung für nicht mehr beruflich tätige Vertragsärzte aufgebaut. Diese EHV entstand auf der Grundlage eines Landesgesetzes aus dem Jahr 1953. Sie funktioniert im Umlageverfahren. Die Leistungen hängen von der Höhe der Beiträge ab, sind aber auf monatlich rund 2750 Euro gedeckelt. Wegen der EHV sind die Beiträge zur Ärzteversorgung in Hessen geringer als in den anderen Ländern.

Die Beiträge werden seit jeher nach dem Umsatz bemessen. Früher gab es aber verschiedene Bereinigungsverfahren für besonders kostenintensive Leistungen. Zum Juli 2012 stellte die KV auf ein System von neun Beitragsklassen um. Die Klasse 1 gilt für Umsätze unter 25 Prozent des Durchschnitts. In Stufen von 25 Prozent geht es bis zur Klasse 9 für Umsätze über 200 Prozent des Durchschnitts. Dafür waren feste Beiträge zwischen zuletzt 627 und 5648 Euro je Quartal fällig. Abzüge für Leistungen mit besonders hohem Sachkostenanteil gibt es fast nicht mehr.

Nicht mit Gleichheitsgebot vereinbar

Zahlreiche hessische Ärzte haben hiergegen geklagt. Über vier Musterverfahren hat nun das BSG entschieden. Wie in der Vorinstanz schon das Hessische Landessozialgericht rügte auch der BSG-Vertragsarztsenat, dass die Kosten für die Beitragsbemessung keine Rolle mehr spielen.

Liege der Kostenanteil im Durchschnitt bei grob 50 Prozent, seien es bei der Dialyse 80 bis 90 Prozent des Honorars. Der Gewinnanteil sei entsprechend erheblich geringer. „Das ist mit dem Gleichheitsgebot nach Artikel 3 des Grundgesetzes unvereinbar.“

Zu früheren EHV-Regelungen habe der Senat die Heranziehung der Umsätze zur EHV zwar mehrfach gebilligt, dabei „aber stets betont, dass das nur unter der selbstverständlichen Einschränkung gerechtfertigt ist, dass tendenziell höhere Umsätze auch höhere Erträge indizieren“. Durch Bereinigungsregelungen, insbesondere für bestimmte technische Leistungen, sei dies früher auch so gewesen.

Neue Beitragsberechnung gefordert

„Das Fehlen solcher Vorkehrungen wirkt sich seit der Umstellung des Systems der Beitragserhebung von einem für alle Ärzte gleichen Vom-Hundert-Satz des Umsatzes auf neun Beitragsklassen noch stärker aus“, so das BSG. Bei der Klägerin im Leitfall, einer Nephrologin, werde dies deutlich. Sie ist der Beitragsklasse 9 zugeordnet und macht geltend, nach Abzug der Kosten gehöre sie in Klasse 2. In den Streitjahren 2013 und 2014 hätte sie dann statt 5794 nur 1254 Euro je Quartal zahlen müssen.

Das BSG rechnete nun vor, dass die Nephrologin mit den von ihr entrichteten Beiträgen schon nach gut 20 Jahren die Höchstversorgung erreichen würde. Bei einer 30-jährigen vertragsärztlichen Tätigkeit müsse sie zehn weitere Jahre Höchstbeiträge entrichten, ohne dass sich dies noch auf ihre Altersbezüge auswirkt.

Hausärztin fällt durch

Daher muss nun die KV Hessen die Beitragsberechnung zur EHV neu fassen und Regelungen über die Bereinigung des Umsatzes bei überdurchschnittlich hohen Kosten einer Arztgruppe oder bei besonders kostenintensiven Leistungen vorsehen. Abzüge müsse es spätestens dann geben, wenn die Kostensätze einer Arztgruppe 15 Prozent über dem Durchschnitt liegen, forderte das BSG.

Nach diesen Maßgaben hatte die Klage einer Hausärztin keinen Erfolg. Denn sowohl ihre Umsätze als auch die Kostenquote der Hausärzte lägen nahe am Durchschnitt.

Bundessozialgericht, Az.: B 6 KA 12/18 R (Nephrologin), B 6 KA 16/18 R (Hausärztin) und weitere

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