Morbus Crohn

Zähes Ringen um die optimale Therapie

Neue medikamentöse Optionen werden die Therapie bei M. Crohn weiter verändern. Gastroenterologen hoffen, strukturelle Darmschäden künftig besser als bislang unterbinden zu können.

Dr. Thomas MeißnerVon Dr. Thomas Meißner und Dr. Marlinde LehmannDr. Marlinde Lehmann Veröffentlicht:
Bauchschmerzen: Oft eines der ersten Symptome bei M. Crohn-Patienten.

Bauchschmerzen: Oft eines der ersten Symptome bei M. Crohn-Patienten.

© Ryan McVay / Digital Version / Thinkstock

Die Suche nach der optimalen Pharmakotherapie für Patienten mit Morbus Crohn bedeutet auch ein ständiges Aufarbeiten und Einordnen neuer Erkenntnisse. Die immer aktuellsten Empfehlungen zur Pharmakotherapie werden in Leitlinien dokumentiert.

Therapeuten liegen zum Beispiel richtig, wenn sie bei M. Crohn-Patienten mit typischem Befall der Ileozökalregion und/oder des rechtsseitigen Kolons und leichter Entzündungsaktivität eine Behandlung mit Budesonid starten.

Dieses Vorgehen wird in der aktuellen Leitlinie zu Morbus Crohn (Z Gastroenterol 2014; 52: 1431-1484) von den Autoren mit starkem Konsens empfohlen - wobei mehrheitlich ebenfalls die Ansicht vertreten wird, dass bei Kontraindikationen gegen Steroide oder bei Wunsch des Patienten auch eine Therapie mit Mesalazin oder eine symptomatische Therapie erfolgen kann.

Wie aktuell sind Leitlinien?

Das häufige Problem von Leitlinien: Bisweilen sind sie zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung schon nicht mehr ganz aktuell, etwa deshalb, weil seit ihrer Verabschiedung neue wissenschaftliche Erkenntnisse publiziert worden sind.

Das gilt auch für die M. Crohn-Leitlinie: In einer zeitgleich mit der Publikation der Leitlinien veröffentlichten Übersicht "Azathioprin in der Therapie des Morbus Crohn - eine Standortbestimmung aktueller Studien" (Z Gastroenterol 2014; 52: 1423-1430) haben nämlich Privatdozent Dr. Carsten Schmidt vom Uniklinikum Jena und sein Team Studien zur Anwendung von Azathioprin aufgearbeitet, die nach Abschluss der Leitlinien-Literaturrecherche (bis Mai 2012) veröffentlicht worden sind, also zu einem Zeitpunkt, zu dem sie für die Erstellung der aktualisierten Leitlinie nicht mehr berücksichtigt werden konnten.

Letztendlich geht es den Kollegen um Schmidt dabei auch um nichts anderes als um den optimalen Einsatz von Arzneimitteln, nämlich von Azathioprin und 6-Mercaptopurin sowie von Anti-TNF-Antikörpern für eine bestmögliche, gezielte Therapie. Vedolizumab, ein gegen a4ß7-Integrin gerichteter Antikörper, wurde als "jüngstes" auf den Markt gekommenes Biologikum zur Morbus Crohn-Therapie in dieser Übersicht nicht berücksichtigt.

Das Team um Schmidt resümiert unter anderem:

Für Azathioprin/6-MP bei aktiver Erkrankung ohne gleichzeitige wirksame Remissionsinduktion etwa durch Kortikoide bestehe keine Indikation; der unselektive frühe Einsatz bei allen Patienten, besonders bei fehlenden Risikofaktoren für einen komplizierten Verlauf sei nicht sinnvoll.

Bei Patienten mit Steroidabhängigkeit sei durch Azathioprin eine Reduktion der Steroide zu erreichen, und die Wahrscheinlichkeit für eine langfristige steroidfreie Remission steige.

Für die Remissionsinduktion bei schwer verlaufendem Morbus Crohn oder etwa bei steroidrefraktärer Erkrankung ergebe sich aus der Datenlage, dass hier Anti-TNF-Antikörper deutlich überlegen seien. Eine Kombination von Azathioprin plus Anti-TNF-Antikörper könne von Vorteil sein.

Ist eine Remission durch eine Therapie mit Glukokortikoiden induziert worden, lässt sich mit Azathioprin oder 6-Mercaptopurin das Rezidivrisiko mindern.

Ob bei Patienten mit einer durch Anti-TNF-Antikörper induzierten Remission ein Wechsel der Substanzklasse mit Einsatz von Azathioprin und Beendigung der Anti-TNF-Therapie, gegebenenfalls auch überlappend sinnvoll ist, sei durch kontrollierte Studien nicht belegt.

Bei Patienten, die unter einer Kombinationstherapie in Remission gelangen, sei ein Absetzen des Antikörpers unter Fortführung der Azathioprin-Therapie eine Option, so Schmidt und seine Kollegen.

Derzeit sind zwei Anti-TNF-Antikörper zur Behandlung bei Morbus Crohn zugelassen: Infliximab und Adalimumab.

Adalimumab hat dabei kürzlich von der EMA die Zulassungserweiterung zur Therapie von Kindern im Alter ab sechs Jahren mit mittelschwerem Morbus Crohn erhalten.

Die erweiterte Zulassung zur Behandlung des mittelschweren aktiven Morbus Crohn gilt bei pädiatrischen Patienten ab dem Alter von sechs Jahren, die unzureichend auf eine konventionelle Therapie, einschließlich primärer Ernährungstherapie und einem Glukokortikoid und/oder einem Immunsuppressivum, angesprochen haben oder die eine Unverträglichkeit gegenüber einer solchen Therapie haben oder bei denen eine solche Therapie kontraindiziert ist.

Bisher war der TNF-Antagonist bei pädiatrischen Patienten mit Morbus Crohn für die Anwendung bei schwerer aktiver Erkrankung zugelassen. Die Substanz wirkt auch bei CED-Patienten auf extraintestinale Manifestationen besser als Placebo, hat eine gepoolte Analyse von Studiendaten ergeben.

Von Infliximab gibt es mittlerweile auch Biosimilars. International haben gastroenterologische Fachgesellschaften die Fragen, ob vom Biological einfach auf Infliximab-Biosimilars gewechselt werden kann und inwiefern Sicherheits- und Effektivitätsdaten extrapoliert werden dürfen, unterschiedlich beantwortet.

Kleinere Studien aus Korea, Tschechien, Ungarn, Polen und den Niederlanden haben keine relevanten klinischen Unterschiede durch den Umstieg auf Biosimilars ergeben. In Norwegen haben die Verordnungen von Infliximab nach Einführung des Biosimilars Remsima® um ein Drittel zugenommen.

Die norwegische Regierung finanziert die randomisierte und doppelblinde NOR-Switch-Studie, in der über insgesamt 78 Wochen das Original Remicade® mit dem Biosimilar in Bezug auf Sicherheit und Effektivität verglichen wird.

Aus Sicht der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) werden sich die Behandlungsmöglichkeiten bei M. Crohn deutlich verbessern. Aus dem vertieften Verständnis der Pathophysiologie resultieren neue Therapieansätze.

Der Wegfall des Patentschutzes für Infliximab und die Einführung von Biosimilars scheinen zu einem verstärkten Verordnungsverhalten zu führen. Und der kompetitive Vergleich der Wirkkonzepte könnte den Innovationsdruck erhöhen.

Neue Substanzen im Visier

Hoch jedenfalls sind die Erwartungen zum Beispiel an Ustekinumab. Es handelt sich um einen monoklonalen Antikörper gegen die Untereinheit p40 der Zytokine IL-12 und IL-23.

Eine vor drei Jahren publizierte Studie hatte ergeben, dass sich damit Krankheitsschübe beenden lassen und die entzündungsfreie Phase erhalten bleibt (NEJM 2012; 367: 1519-28). Resultate aus der randomisierten UNITI-1-Studie bei über 700 Patienten bestätigen, dass mit einer einzigen Infusion innerhalb von zwei Monaten bei mehr als jedem dritten Patienten mit mittelschwerem und schwerem M. Crohn, der bislang nicht auf eine Anti-TNF-Therapie angesprochen oder diese nicht vertragen hatte, mit einem Ansprechen zu rechnen ist.

Bei der Digestive Disease Week in San Diego wurde jetzt berichtet, dass 60 Prozent der Patienten aus zwei Induktionsstudien bis Woche 44 die klinische Remission erreicht hatten. Aufsehen erregte im vergangenen Jahr auch eine italienische Arbeitsgruppe mit dem neuen Therapieansatz des SMAD7-Antisense-Oligonukleotids Mongersen bei Patienten mit aktivem M. Crohn.

In der Hochdosisgruppe hatten innerhalb von 15 Tagen zwei Drittel der Patienten angesprochen (NEJM 2015; 372: 1104-13). Mongersen ist kein antiinflammatorisches Mittel, sondern neutralisiert gehemmte Reparaturprozesse in der Darmwand.

Gastroenterologen hoffen, dass es langfristig Strukturschäden des Darms verhindern kann. Allerdings sind nach den Worten von Professor Jürgen Schölmerich vom Universitätsklinikum Frankfurt am Main noch viele Fragen offen. Die Ergebnisse der Phase-II-Studie müssten zunächst einmal reproduziert werden.

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