Kleine Veränderung, große Wirkung

COPD – da heißt es Bronchodilatation und Bewegung

Bei COPD-Patienten muss die Lungenüberblähung gemindert werden. Das gelingt mit einer dualen Bronchodilatation. Nicht-medikamentöse Maßnahmen erhalten künftig einen stärkeren Stellenwert.

Von Michael Hubert Veröffentlicht:
Bei COPD-Patienten kann schon eine kleine Veränderung hin zu mehr körperlichen Aktivität einen großen Effekt bringen.

Bei COPD-Patienten kann schon eine kleine Veränderung hin zu mehr körperlichen Aktivität einen großen Effekt bringen.

© cammer / fotolia.com

BERLIN. Bei der COPD-Diagnose bleibt die Symptomatik entscheidend. "Dominant ist hier die belastungsabhängige Atemnot", sagte Professor Claus Franz Vogelmeier. "Husten und Auswurf sind nachrangig." Man komme damit weg von dem Begriff ‚chronische Lungenentzündung‘, so der Pneumologe vom Uniklinikum Gießen/Marburg. Etabliert werde die Diagnose weiterhin per Spirometrie.

Vogelmeier warnte vor einer Fehlinterpretation der Aussage von Patienten, sie hätten keine Atemnot. "Die machen einfach nichts mehr." Man passe sich an die Situation an und vermeide jede nur denkbare Belastung, sagte der Pneumologe bei einer von Berlin-Chemie unterstützten Veranstaltung.

Kleine Veränderung, große Wirkung

Bei den Therapiezielen der Reduktion von Symptomen und auch Exazerbationen sei man auf einem guten Weg, so Vogelmeier in Berlin. Die Mortalität zu senken sei jedoch schwer. "Die Patienten sterben nicht an der COPD, sondern mit der COPD." Der Therapiealgorithmus richte sich nach Symptomen und Exazerbationsrisiko und sei gut etabliert. Haben etwa Patienten unter Monotherapie mit einem Bronchodilatator (LAMA oder LABA) weiterhin Symptome, werden beide Substanzen kombiniert.

Nicht-medikamentöse Maßnahmen zusätzlich zur Bronchodilatation gewinnen künftig an Bedeutung, quasi gleichgewichtig zu Medikamenten. Vogelmeier begründete dies mit Daten aus mehreren Studien. So lag in einer Studie mit 170 Patienten mit stabiler COPD die Gesamtsterberate binnen vier Jahren bei 15 Prozent. Hauptindikator sei die körperliche Aktivität gewesen (Chest 2011; 140: 331-342). Dabei würden schon kleine Veränderungen große Effekte bringen. Vergleichbare COPD-Patienten mit moderater Aktivität hatten eine deutlich geringere Sterberate als inaktive. Höhere Aktivität brachte einen zusätzlichen Gewinn, der Sprung von inaktiv zu moderat war aber deutlich größer (Int J Sports Med 2009; 30: 213-224).

Überblähung muss reduziert werden

Voraussetzung, um wieder körperlich aktiv zu werden, ist die Medikation. "Warum werden Patienten mit Medikamenten leistungsfähiger?", fragte Vogelmeier. "Die Entblähung der Lunge wird besser." So führte die zweimal tägliche Gabe des LAMA Aclidinium (vom Unternehmen als Bretaris® angeboten) zu einer besseren inspiratorischen Kapazität, also zu einer Abnahme der Überblähung (BMC Pulm Med 2014; 14: 209). Gleichzeitig nahm die Zeit auf dem Fahrrad-Ergometer im Mittel um 68,3 Sekunden zu, in der Placebo-Gruppe um 9,8 Sekunden – eine Differenz von fast einer Minute.

Gestützt werden diese Daten durch die Studie ACTIVATE, deren Ergebnisse vor Kurzem online publiziert wurden. Hier erhielten 249 COPD-Patienten, die meisten im Stadium II, acht Wochen lang die LAMA/LABA-Kombi Aclidinium/Formoterol (vom Unternehmen als Brimica® angeboten) oder Placebo (Int J COPD 2017; 12: 2545-2558). Nach vier Wochen erfolgte eine Schulung zur Verhaltensänderung, berichtete Privatdozent Henrik Watz.

Die Ergebnisse: Nach vier Wochen nahm die funktionelle Residualkapazität vor der Inhalation am Morgen (trough FRC) in der Verum-Gruppe im Mittel um 162 ml ab, in der Placebo-Gruppe um 37 ml. Die FRC steht für das intrathorakale Gasvolumen, gibt also das Maß der Überblähung wieder. Wurden vier extreme Ausreißer aus dem Datensatz entfernt, lagen die Werte der trough FRC bei minus 7 ml (Placebo) und minus 203 ml (LAMA / LABA-Kombi). Eine signifikante Differenz von 196 ml, so der Pneumologe vom Pneumologischen Forschungszentrum Großhansdorf. Ebenfalls besser als in der Placebo-Gruppe war die Einsekundenkapazität vor Inhalation (trough FEV1) mit plus 159 ml versus minus 5 ml.

621 Schritte mehr pro Tag

Deutlich verbessert war die Ausdauer auf dem Fahrrad-Ergometer. Sie lag zu Beginn bei im Mittel 7,6 Minuten in beiden Gruppen. Sie nahm unter Placebo leicht ab, unter LAMA/LABA deutlich zu, so Watz. Nach vier Wochen lag die Differenz zwischen den Gruppen bei 59 Sekunden, nach acht Wochen bei 55 Sekunden. "Eine Differenz von einer Minute gilt als klinisch relevant", sagte der Pneumologe.

Die Patienten in der Verum-Gruppe waren zudem aktiver: Nach vier Wochen liefen sie im Mittel 621 Schritte pro Tag mehr als zu Beginn. "Das ist die beste Verbesserung, die man bisher in Studien gesehen hat", so Watz. In der Placebo-Gruppe nahm hingegen die mittlere tägliche Schrittzahl um 110 ab. Nach der Verhaltensschulung veränderte sich die Schrittzahl in der Verum-Gruppe kaum, in der Placebo-Gruppe nahm sie um 253 Schritte pro Tag zu.

Mit einem Fragebogen (D-PPAC) erfasst wurde nicht nur, wie aktiv die Patienten waren, sondern auch wie leicht oder schwer ihnen das fiel. Dabei wurde deutlich: Zwar waren nach der Verhaltensschulung auch die Patienten in der Placebo-Gruppe aktiver, aber es sei ihnen doch ziemlich schwergefallen, so Watz.

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