Bei exzessiver Schläfrigkeit ist Autofahren tabu

Wer weiß, daß er eine vigilanzbeeinträchtigende Erkrankung hat, sich trotzdem schläfrig hinters Steuer setzt und dann einen müdigkeitsbedingten Unfall verursacht, begeht eine Straftat. Dieser juristische Sachverhalt ist auch für den behandelnden Arzt von Bedeutung. Denn wenn dieser seine Patienten nicht auf die Konsequenzen für die Fahrtauglichkeit hinweist, ermittelt auch gegen ihn der Staatsanwalt.

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Es liegt in der Eigenverantwortung jedes Kraftfahrer, sich nur ausgeruht ans Steuer zu setzen, betonte Privatdozent Dr. Sylvia Kotterba aus Bochum bei einem verkehrs- und arbeitsrechtlichen Workshop beim Pneumologenkongreß. Müdigkeit als Unfallursache wird vor Gericht gewöhnlich als grob fahrlässige Ordnungswidrigkeit beurteilt und auch als solche sanktioniert.

Rechtlich darf eine unfallverursachende Müdigkeit im Normalfall allerdings nicht durch Indizien hergeleitet werden, sondern sie muß durch eine belastende Eigenaussage des Fahrers oder glaubwürdige Zeugenaussagen Dritter (Beifahrer, Hintermann, der auffälliges Fahrverhalten beobachtet) belegt sein.

Völlig anders sieht die Situation aus, wenn Patienten wissen, daß sie eine erheblich vigilanzbeinträchtigende Erkrankung haben - besonders eine Schlafapnoe mit nachgewiesener Tagesmüdigkeit -, nicht ausreichend behandelt sind und dann einen Verkehrsunfall verursachen, warnte Kotterba.

Hier können die Richter großzügiger als bei Gesunden Übermüdung als Ursache feststellen und der Unfall gilt hier auch - weil vom Patienten sozusagen wissentlich in Kauf genommen - als Straftat, die mit Geld- oder Freiheitsstrafen und Führerscheinentzug geahndet werden kann. Macht der Beschuldigte geltend, daß ihn sein Arzt nicht ausreichend auf sein gesundheitliches Problem und die Konsequenzen für die Fahrtauglichkeit hingewiesen hat, drohen auch dem Mediziner staatsanwaltliche Ermittlungen.

Deshalb rät Kotterba: Auch bei vigilanzbeeinträchtigten Patienten hat die Schweigepflicht des Arztes höchste Priorität. Aber diese Patienten müssen vom behandelnden Kollegen darauf hingewiesen werden - und das muß schriftlich dokumentiert sein -, daß sie sich nicht hinters Steuer setzen dürfen, solange die Patienten unzureichend behandelt sind und weiterhin unkontrollierte Schlafattacken drohen. (wst)



Mit acht Fragen läßt sich chronische Tagesmüdigkeit aufdecken

Der Verdacht auf eine chronische Tagesschläfrigkeit läßt sich in der täglichen Praxis durch die acht Fragen der Epworth Schläfrigkeits-Skala (ESS) konkretisieren. Dabei muß der Patient auf einer Skala von 0 bis 3 Punkten (0 = völlig ausgeschlossen, 3 = hohe Wahrscheinlichkeit) angeben, wie wahrscheinlich es ist, in einer dieser Situationen einzuschlafen:

  • beim Lesen im Sitzen,
  • beim Fernsehen,
  • beim ruhigen Sitzen nach einem Mittagessen ohne Alkohol,
  • als Mitfahrer im Auto während einer einstündigen Fahrt ohne Pause,
  • beim ruhigen Sitzen an einem öffentlichen Ort oder als passiver Teilnehmer einer Versammlung,
  • wenn man sich nachmittags zum Ausruhen kurz hinlegt,
  • wenn man mit jemandem zusammensitzt und sich unterhält,
  • als Fahrer im Auto, während man verkehrsbedingt für einige Minuten anhält, etwa im Stau.

Maximal können 24 Punkte erreicht werden. Schon ab 11 bis 12 Punkten sollte eine weiterführende Abklärung beim Somnologen erfolgen, ab 15 Punkten herrscht Alarmstufe, so Privatdozentin Dr. Sylvia Kotterba aus Bochum. Dies um so mehr, wenn es Hinweise auf eine für Tagesmüdigkeit ursächliche Erkrankung, wie ein obstruktives Schlafapnoe-Syndrom, gibt.

Speziell bei Berufskraftfahrern ist allein schon der begründete Verdacht auf eine erkrankungsbedingte chronische Tagesschläfrigkeit ein zwingender Grund, den Betreffenden krank zu schreiben, betonte die Neurologin. Die Diagnose ist dann möglichst schnell beim Spezialisten zu überprüfen und wird sie bestätigt, ist der Patient bis zum Greifen einer Therapie weiterhin fahruntauglich. (wst)

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