Erkältungskrankheiten

Beim Kind entscheidet das klinische Bild

Bei Kindern mit einer akuten oberen Atemwegsinfektion hängt die praktische ambulante Therapie vor allem vom klinischen Urteil des Arztes ab. Detaillierte Diagnostik ist nur in Einzelfällen indiziert.

Dr. Robert BublakVon Dr. Robert Bublak Veröffentlicht:
Der Blick in Mund und Rachen liefert wichtige Informationen für das weitere Vorgehen.

Der Blick in Mund und Rachen liefert wichtige Informationen für das weitere Vorgehen.

© Monkey Business / Fotolia

Empfehlungen bei Tonsillitis

  • Ein hoher McIsaac-Score rechtfertigt generell eine weiterführende Diagnostik. Sie kann neben dem Schnelltest auf Streptokokken aus dem Rachenabstrich auch das Anlegen einer Kultur umfassen.
  • Die antibiotische Therapie ist sicher indiziert beim Nachweis von Streptokokken der Gruppe A, Komplikationen, klinischem Bild von Scharlach und bei Patienten mit rheumatischem Fieber in der (Familien-)Anamnese.

Akute Atemwegsinfekte (AWI) gehören zu den Erkrankungen, deren Hauptlast Kinder zu tragen haben. Im Vorschulalter gelten jährlich bis zu acht, im Schulalter immer noch vier Episoden im Jahr als normal. Am höchsten sind die Inzidenz und Prävalenz in den ersten beiden Lebensjahren. Allerdings ist davon auszugehen, dass AWI bei mehr als der Hälfte der Kinder mild und selbstlimitierend verlaufen. Dennoch sind AWI der Hauptgrund, dessentwegen Eltern ihre Kinder zum Arzt bringen – aber auch die Hauptursache für stationäre Aufnahmen.

„Obwohl der überwiegende Teil der ARI durch virale Infektionen hervorgerufen wird, zeigen Daten aus Deutschland und anderen Ländern, dass zu viele Kinder mit AWI eine Antibiotikatherapie erhalten“, berichten Folke Brinkmann, Universitätskinderklinik Bochum, und Tobias Ankermann, Klinik für Kinder- und Jugendmedizin der Universität Kiel. In einem Beitrag für das Fachjournal „Der Pneumologe“ (2019; 16: 2–9) haben sie sich unter anderem mit dem praktischen Vorgehen in der ambulanten Therapie von Kindern mit oberen AWI beschäftigt.

Über die Diagnose würden die exakte klinische Beobachtung und Befundbeschreibung entscheiden, so Brinkmann und Ankermann. Die Bestimmung von Entzündungsparametern und eine Erregerdiagnostik seien hingegen meist entbehrlich.

Otitis media

Im weiteren Sinn gehört auch die Otitis media zu den oberen AWI. Sie tritt am häufigsten zwischen dem sechsten Lebensmonat und dem sechsten Lebensjahr auf. Typisch sind drei Kriterien:

  • ein akuter Beginn mit Fieber und Krankheitsgefühl,
  • ein gerötetes Trommelfell und Ohrenschmerzen sowie
  • ein otoskopisch nachweisbarer Erguss.

Eine weitere Diagnostik ist für die Entscheidung zur Therapie nicht nötig. Sind alle drei Kriterien erfüllt, gilt die Diagnose als sicher.

Für die Therapie gibt das Alter der Kinder den Ausschlag. Sind sie noch keine sechs Monate alt, sollten sie antibiotisch behandelt werden. Das gilt selbst dann, wenn nur zwei Kriterien erfüllt sind. Bei einem Alter zwischen sechs und 23 Monaten wird bei sicherer Diagnose ein Antibiotikum verordnet, sonst werden sie 48 Stunden beobachtet. Ältere Kinder werden nur dann antibiotisch versorgt, wenn sie schwer erkrankt sind (Fieber ab 39 ºC, starke Schmerzen). Antibiotikum der Wahl ist Amoxicillin. Gegen die Schmerzen helfen Ibuprofen bzw. Paracetamol, die nasale Belüftung lässt sich lokal mit isotonischer Kochsalzlösung und abschwellenden topischen Alphamimetika verbessern.

Rhinitis und Sinusitis

Akuter Schnupfen kann in jedem Lebensalter auftreten, verursacht wird er meist durch Viren. Verstopfte Nase, Sekretion und auch Juckreiz sind typische Symptome. Abzugrenzen ist eine allergische Rhinitis. Bei kleinen Kindern mit einseitiger Obstruktion muss auch an einen nasalen Fremdkörper gedacht werden. Weitergehende Diagnostik ist unnötig, eine antibiotische Behandlung selbst im Falle eitriger Sekretion nicht angezeigt. Die Beschwerden lassen sich mit topischen Alphamimetika lindern, die aber maximal fünf bis sieben Tage angewendet werden sollten.

Ab dem zweiten Lebensjahr können Kinder eine akute Sinusitis entwickeln, weil bis dahin die Kieferhöhlen ausgebildet sind. Wiederum gibt es drei diagnostische Kriterien, von denen mindestens zwei erfüllt sein müssen:

  • plötzlich auftretende Behinderung der Nasenatmung und Sekretion,
  • Schmerz und Druckgefühl im Mittelgesicht,
  • Husten und Hyposmie mit einer Dauer von weniger als 12 Wochen.

Weiterführende Untersuchungen gehören nicht zur Routinediagnostik. Bei klinisch schwer kranken Patienten mit Fieber und starken Schmerzen können sie aber sinnvoll sein, speziell die Bestimmung von Blutbild, Differenzialblutbild und CRP. Treten Komplikationen auf, sind die Patienten schwer erkrankt, verschlechtert sich das Krankheitsbild sekundär oder liegt eine Immunschwäche vor, kann eine antibiotische Therapie mit Amoxicillin erwogen werden, ebenso eine nasale Lavage mit Kochsalzlösung.

Pharyngitis und Tonsillitis

Zwar wird auch die Tonsillopharyngitis überwiegend, nämlich in 70 bis 95 Prozent der Krankheitsfälle, von Viren verursacht. Doch hier ist es wichtig herauszufinden, ob die Infektion auf Streptokokken der Gruppe A zurückgeht. Als ein Werkzeug dafür schlagen Brinkmann und Ankermann den sogenannten McIsaac-Score vor. Dabei gibt es jeweils einen Punkt für folgende Parameter:

  • Körpertemperatur > 38 °C
  • kein Husten
  • zervikale Lymphknotenschwellung
  • Tonsillenschwellung oder -exsudat
  • Alter 3–14 Jahre.

Für ein Alter von 15 bis 44 gibt es keinen, ab dem 45. Geburtstag einen Punkt Abzug. Je nach dem Punktwert im McIsaac-Score berechnet sich die Wahrscheinlichkeit für den Nachweis von Gruppe-A-Streptokokken im Rachen auf 1 Prozent (–1 oder 0 Punkte), 10 Prozent (1), ca. 17 Prozent (2), ca. 35 Prozent (3) und ca. 50 Prozent (4 oder 5). Generell rechtfertigt ein hoher Score eine weiterführende Diagnostik. Sie kann neben dem Schnelltest aus dem Rachenabstrich auch das Anlegen einer Kultur umfassen, bei dringendem Verdacht selbst bei negativem Schnelltest. Sicher indiziert ist die antibiotische Therapie beim Nachweis von Streptokokken der Gruppe A, Komplikationen, klinischem Bild von Scharlach und bei Patienten mit rheumatischem Fieber in der (Familien-)Anamnese. Mittel der Wahl ist Penicillin V.

Laryngitis und Tracheitis

Infekte des Larynx und der Trachea imponieren bei Kindern durch inspiratorischen Stridor, bellenden Husten und Heiserkeit. Häufigstes klinisches Bild ist die subglottische Laryngitis (Pseudokrupp). Ausgelöst werden die Beschwerden überwiegend durch Viren. Selten beziehungsweise durch Impfung selten geworden sind die Haemophilus-influenzae-Epiglottitis und Diphtherie.

Auch an eine bakterielle Tracheitis ist zu denken. Kinder mit Epiglottitis und schwerer bakterieller Tracheitis gehören in stationäre Behandlung. Subglottische Laryngitis bedarf keiner weiteren Diagnostik, sondern laut Brinkmann und Ankermann einer raschen Therapie mit Glukokortikoiden und gegebenenfalls Adrenalin-Inhalationen.

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