INTERVIEW

COPD ist eine Systemerkrankung - häufig sind auch Muskeln, Herz und Gefäße betroffen

"Atemlos, aber nicht hilflos!" lautet das Motto des heutigen Welt-COPD-Tages. Damit soll auf die vielfältigen Therapien aufmerksam gemacht werden, die die Symptome der COPD lindern. Nicht nur Medikamente, auch nicht-medikamentöse Maßnahmen wie Körpertraining helfen. "COPD ist jedoch nicht nur eine Lungenkrankheit, sondern nach neuen Studiendaten eine systemische Erkrankung, die auch andere Organe wie Muskulatur, Herz und Gefäße betreffen kann". Das sagte Professor Heinrich Worth, Vorsitzender der Deutschen Atemwegsliga, im Gespräch mit Ingrid Kreutz von der "Ärzte Zeitung". Das müsse jetzt bei Diagnostik und Therapie berücksichtigt werden.

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Ärzte Zeitung: In der neuen, noch nicht publizierten COPD-Leitlinie der Deutschen Atemwegsliga soll dem regelmäßigen Körpertraining ein besonders hoher Stellenwert eingeräumt werden. Warum?

Professor Heinrich Worth: Die COPD führt zur Einengung der Atemwege sowie zur Überblähung der Lunge. Beides trägt dazu bei, daß die körperliche Belastbarkeit der Patienten abnimmt. Sie bekommen unter Belastung nun schneller Atemnot und belasten sich immer weniger. Gleichzeitig wird die Muskulatur immer schwächer. Verstärkt wird dieser Effekt vermutlich noch dadurch, daß die COPD nach neuen Studiendaten ein energiezehrender Prozeß ist, der zu Lasten der Muskulatur geht. Infolge von chronischen Entzündungsvorgängen und der erhöhten Atemarbeit ist der Eiweißumsatz gesteigert.

Das führt dazu, daß Patienten mit schwerer COPD oft nur noch zwischen Fernsehsessel und Bett hin und her pendeln. Dieser Teufelskreis läßt sich jedoch durchbrechen, zum Beispiel durch regelmäßiges körperliches Training. Dadurch werden die Patienten im Alltag belastbarer. Außerdem haben die Patienten weniger Exazerbationen und müssen seltener ins Krankhenhaus als Untrainierte. Das ist in Studien bereits eindeutig nachgewiesen worden. Nicht zuletzt kann durch Training auch dem bei COPD-Kranken erhöhten Osteoporose-Risiko entgegengewirkt werden.

Ärzte Zeitung: Wie intensiv sollten die Patienten trainieren?

Worth: Man sollte die Patienten bei der Belastungsfähigkeit abholen, die sie besitzen. Vor Trainingsbeginn ist eine gründliche Eingangsuntersuchung notwendig. Dabei sollte mit einer Spiroergometrie geprüft werden, wie stark Patienten durch die COPD belastet sind. Patienten etwa, die eine COPD von leichtem bis mittlerem Schweregrad - Einsekundenkapazität (FEV1) von mindestens 60 Prozent des Sollwertes - und eine Belastbarkeit von mindestens 50 Watt (mehr als ein Watt pro Kilogramm Körpergewicht) haben und ansonsten keine chronischen Krankheiten wie Diabetes oder KHK, können an einer ambulanten Lungensportgruppe teilnehmen.

Ärzte Zeitung: Welche Sportarten sind bei COPD zu empfehlen?

Worth: Besonders günstig sind für COPD-Kranke Ausdauersportarten wie Wandern, Radfahren und Schwimmen, weil die Belastungsintensität und damit Atemminutenvolumen und Luftströmung in den Atemwegen relativ niedrig liegen. Sinnvoll sind, besonders für ältere Patienten in schlechtem Trainingszustand, auch Koordinationsübungen wie das Jonglieren mit Bällen.

Ärzte Zeitung: Benötigen Patienten mit COPD, wenn es sich dabei um einen energiezehrenden Prozeß handelt, nicht auch mehr Kalorien als andere Menschen?

Worth: In der Tat verlieren zehn bis 20 Prozent der COPD-Patienten ungewollt an Gewicht. Wir wissen, daß Patienten, die ungewollt an Gewicht verlieren, eine deutlich schlechtere Prognose haben als andere COPD-Kranke. Nimmt ein Patient mit einem Body Mass Index (BMI) unter 25 kg/m2 in den nächsten sechs bis acht Wochen noch weiter ungewollt an Gewicht ab und liegt keine andere Ursache dafür vor, sollte rasch gegengesteuert werden.

Da es sich im Wesentlichen um den Verlust an Muskelmasse handelt, läßt sich dieser Prozeß nicht nur durch Körpertraining, sondern auch durch eine höhere Kalorienzufuhr aufhalten. Zu bevorzugen ist hierfür eine gesunde Mischkost. Gelingt es damit nicht, den BMI über 21 kg/m2 zu halten, sollten hochkalorische Trinklösungen verordnet werden. Diese sollten allerdings zusätzlich, nicht alternativ zur normalen Nahrung konsumiert werden.

Ärzte Zeitung: Bei COPD-Kranken ist nach neuen Studiendaten auch häufig das Herz-Kreislauf-System beeinträchtigt. Wie läßt sich das erklären?

Worth: Wir wissen heute, daß es sich bei der COPD um eine systemische Entzündung handelt. Bei vielen COPD-Patienten ist etwa das C-reaktive Protein (CRP) im Blut dauerhaft und deutlich erhöht. Der CRP-Wert korreliert mit dem kardiovaskulären Risiko und der körperlichen Belastbarkeit der Patienten. Viele COPD-Kranken haben als weiteres Merkmal der systemischen Entzündung eine endotheliale Dysfunktion, die zu strukturellen Veränderungen an den Gefäßen führt. Bei bis zu 30 Prozent der COPD-Patienten ist das Herz-Kreislauf-System beeinträchtigt, oft in Form einer KHK. Wesentlich mehr COPD-Patienten als Lungengesunde haben eine KHK - unabhängig von anderen Risikofaktoren wie Rauchen oder ungünstigem Lipidprofil.

Ärzte Zeitung: Sollte also bei COPD-Kranken immer auch das Herz untersucht werden?

Worth: Ja. Bei diesen Patienten sollte nicht nur nach Atemnot, Husten und Auswurf gefragt und die Lungenfunktion geprüft werden. Es sollte bei der körperlichen Untersuchung auch geklärt werden, ob eventuell eine Herzdekompensation vorliegt. Auch ein EKG ist zu empfehlen. Zumindest bei der Erstdiagnostik sollte auch ein Röntgenbild der Thoraxorgane in zwei Ebenen gemacht werden. Bei Patienten mit höhergradiger COPD (Stadium III bis IV) sollte das Herz zusätzlich mit Ultraschall untersucht werden, weil diese Patienten häufig ein Cor pulmonale haben, also eine Belastung der rechten Herzkammer durch eine Lungenerkrankung.

Lesen Sie dazu auch: Rauchverzicht und Arzneien helfen

INFOS IM INTERNET

Unter www.goldcopd.org gibt es mehr Informationen zum Welt-COPD-Tag und zum Initiator dieses Tages. Unter dieser Internet-Adresse kann auch die international gültige Leitlinie der Global Initiative for Chronic Obstructive Lung Disease (GOLD) zur Prävention, Diagnostik und Therapie bei COPD eingesehen werden.

Auch die Leitlinie der Deutschen Atemwegsliga bietet unter www.atemwegsliga.de viele praktische Informationen zur Diagnostik von Patienten mit COPD sowie zur optimalen Behandlung. Auf der Homepage einfach den Link "COPD" anklicken.

Wer sich über Lungensportgruppen informieren möchte, findet bei der AG Lungensport in Deutschland e.V unter der Adresse www.lungensport.org wichtige Beiträge. Hier gibt es nicht nur ein Adressenverzeichnis von Lungensportgruppen, sondern auch praktische Tips über die Neugründung von Lungensportgruppen. 

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