DEGAM-Kongress

Cochrane Review: Adipositas-Medikamente wirksam, aber Einsatz fraglich

Liraglutid, Semaglutid und Tirzepatid sind Wirkstoffe, die eine Gewichtsreduktion bewirken, doch ihr langfristiger Nutzen bei Adipositas bleibt fraglich. Das legen erste Ergebnisse eines Cochrane Reviews nahe, die beim DEGAM-Kongress vorgestellt wurden.

Marc KehrmannVon Marc Kehrmann Veröffentlicht:
Ein Mensch tritt auf eine Waage

Liraglutid, Semaglutid und Tirzepatid helfen beim Abnehmen, doch welche Rolle können die Wirkstoffe dauerhaft spielen?

© Rostislav Sedlacek / stock.adobe.com

Hannover. Zur Adipositastherapie sind ja mittlerweile die GLP-1-Rezeptoragonisten (GLP-1-RA) Semaglutid und Liraglutid sowie der duale GIP-/GLP-1-RA Tirzepatid in Deutschland zugelassen.

Erste noch unveröffentlichte Ergebnisse eines Cochrane Reviews, die Professor Juan Víctor Ariel Franco, Heinrich-Heine-Universität, beim 59. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) vorstellte, legen die Frage nach der konkreten Implementierungsstrategie nahe, wie der genaue Einsatz dieser Diabetesmedikamente in der Behandlung des Übergewichts aussehen sollte.

Auszug aus der S3-Leitlinie Adipositas

Eine medikamentöse Therapie kann bei Patienten mit einem Body Mass Index (BMI) ≥ 27 kg/m2 (mit Orlistat ab BMI ≥ 28 kg/m2) und assoziierten Risikofaktoren und/oder Komorbiditäten beziehungsweise mit einem BMI ≥ 30 kg/m2 zur Gewichtsreduktion eingesetzt werden.

Fragliche Rolle in der Adipositastherapie

Das Team um Franco fasste 47 randomisierte kontrollierte Studien mit Daten von über 40.000 Teilnehmenden zusammen. Er merkte an, dass fast alle Studien von Pharmaunternehmen finanziert wurden.

Die Reduktion des Körpergewichts nach mittel- (6 bis 24 Monate) und langfristiger Beobachtung (> 24 Monate) fiel bei Liraglutid am geringsten aus: Mit gerade einmal –4,68 Prozent bildet es das Schlusslicht. Da kommen der andere GLP-1-RA Semaglutid mit –10,73 Prozent und Tirzepatid mit –16,03 Prozent zu besseren Resultaten.

Trotz spürbarer Gewichtsreduktion war eine klinisch relevante Veränderung der Lebensqualität gemessen an der physischen Komponente des Fragebogens SF-36 limitiert. Auch hier erreichten Patientinnen und Patienten unter Liraglutid den geringsten Benefit von nur +0,57 Punkten; unter Semaglutid (+2,12 Punkte) und Tirzepatid (+2,07 Punkte) stieg die Lebensqualität etwas mehr.

Das Hauptproblem aller untersuchten Wirkstoffe ist die hohe Abbruchquote aufgrund unerwünschter Ereignisse. Nach circa zwei Jahren liegt die Quote bei knapp 50 Prozent mit der Folge, dass das Gewicht allmählich wieder zunimmt.

Fazit für die Zukunft

Zwar seien die Medikamente wirksam zur Gewichtsabnahme, allerdings werfe die begrenzte Langzeitadhärenz und der Wiederanstieg des Gewichts nach Absetzen (Rebound-Phänomen) die Frage auf, wie der konkrete Einsatz der Adipositasmedikamente aussehen könnte, resümierte Franco.

Welchen Stellenwert beziehungsweise welche Rolle die Wirkstoffe neben Ernährungs-, Bewegungstherapie und bariatrischer Chirurgie dauerhaft haben werden, dazu gibt es im Cochrane Review gegenwärtig noch keine Aussagen.

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