Rheuma

Es hakt bei Frühdiagnostik und Therapie

Rheuma-Patienten gehören zu den großen Nutznießern der "Biologika-Revolution" in der Arzneimitteltherapie. Jetzt gilt es, die Möglichkeiten auch voll auszuschöpfen.

Philipp Grätzel von GrätzVon Philipp Grätzel von Grätz Veröffentlicht:
Deformierung der Knochen durch Entzündung der Synovialmembranen.

Deformierung der Knochen durch Entzündung der Synovialmembranen.

© PhotoDisc

Schätzungen des Deutschen Rheuma-Forschungszentrums (DRFZ) in Berlin zufolge leben in Deutschland etwa 1,5 Millionen Erwachsene mit entzündlich-rheumatischen Erkrankungen.

Jeweils rund ein Drittel davon entfällt auf die Rheumatoide Arthritis und auf die Spondyloarthritiden, vor allem Morbus Bechterew und Psoriasisarthritis. Rund 200 weitere entzündlich-rheumatische Erkrankungen teilen sich das restliche Drittel.

Dazu kommen etwa 15.000 Kinder und Jugendliche mit juvenilen Arthritiden und weitere 5000 Kinder mit Kollagenosen und Vaskulitiden.

Große Fortschritte in 25 Jahren

Bei vielen dieser Patienten hat sich die medizinische Versorgung in den letzten 25 Jahren dramatisch verbessert.

Ging es bei "Rheuma" noch bis weit in die 80er Jahre hinein fast ausschließlich um die Linderung von Symptomen, so wurde seit der Zulassung von Methotrexat 1988 die Beeinflussung des Krankheitsverlaufs zum zweiten wichtigen Therapiepfeiler.

Von Remission war damals freilich noch nicht die Rede. Erst durch die Einführung der TNF alfa-Antagonisten um die Jahrtausendwende, später dann auch anderer Biologika, rückte dieses Therapieziel für viele Patienten in Reichweite.

 Mittlerweile ist bekannt, dass eine konsequente Frühtherapie in den ersten Monaten nach Symptombeginn die Progression der Erkrankung stark verzögern kann.

All das sind gute Nachrichten. Ausruhen darf sich die Rheumatologie aber nicht. Denn noch immer gibt es Defizite bei der Frühdiagnostik und -therapie. Nur etwa 75 Prozent der Patienten mit Rheumatoider Arthritis (RA) sehen in den ersten sechs Monaten ihrer Erkrankung einen Rheumatologen, schätzt die Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie.

Im Mittel dauert es derzeit ein Jahr, bis ein RA-Patient beim Rheumatologen auftaucht. Das ist besser als vor ein paar Jahren, als es noch doppelt so lange gedauert hatte. Aber optimal ist es noch nicht.

"Aktionsplan Rheuma" vorgelegt

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Weitere neue Erkenntnisse in der Rheuma-Forschung, -behandlung und -prävention lesen Sie im Dossier Rheuma der "Ärzte Zeitung" ...

Auch jenseits von Frühdiagnostik und Frühtherapie liegt bei der Versorgung Rheumakranker in Deutschland noch einiges im Argen.

Kürzlich hat das DRFZ Daten vorgelegt, wonach die Gefahr der Frühberentung bei Rheumapatienten im Berufsleben in Deutschland nach wie vor hoch ist. 573 berufstätige Arthritispatienten (Höchstalter 63 Jahre) wurden befragt.

Ein Jahr später waren 2,6 Prozent in Frührente, 2,8 Prozent hatten einen Antrag gestellt, 6,3 Prozent spielten mit dem Gedanken. Die Neigung zum Rentenantrag korrelierte mit der Depressivität. Hier gilt es, Risikopatienten früh zu erkennen.

Der Deutschen Rheuma-Liga sind die Defizite der rheumatologischen Versorgung bewusst.

Sie hat im Mai einen "Aktionsplan Rheuma" vorgelegt (www.rheuma-liga.de/aktionsplan). Zu den Zielen gehört es, die Entstehung rheumatischer Erkrankungen zu reduzieren, Patienten mit Neuerkrankungen frühzeitig zu behandeln, Krankheitsfolgen zu mindern und Rheumapatienten eine Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen.

Dazu macht die Liga unter dem griffigen Slogan "Das ist zu tun" neunzig (!) teilweise sehr konkrete Verbesserungsvorschläge, die sich an Politik, Ärzte, Krankenversicherungen, Rententräger und andere Adressaten richten.

Der Zeitpunkt für den Aktionsplan ist gut gewählt. Nicht nur wird er der neuen Bundesregierung gewissermaßen zum Arbeitsauftakt auf den Schreibtisch gelegt. Er kommt auch in einem Moment, wo viele der großen klinisch-wissenschaftlichen Fragen der Rheumatologie beantwortet sind.

So liefern Biologika-Register klare und seit Jahren konsistente Daten zu den unerwünschten Wirkungen dieser Präparate. Mit Überraschungen ist hier nicht mehr zu rechnen.

Mit Biologika länger leben

Das deutsche RABBIT-Register hat kürzlich zudem deutliche Hinweise darauf geliefert, dass RA-Patienten von Biologika nicht nur symptomatisch und radiologisch profitieren, sondern auch länger leben.

Das längere Überleben korreliert mit einer niedrigeren Krankheitsaktivität, was wiederum zeigt, wie wichtig es ist, die Versorgungslandschaft so zu gestalten, dass genau das bei möglichst vielen Patienten erreicht wird.

Zu beackern ist auch die Baustelle des Off-label-use: Jeder zweite Rheumapatient wird off-label behandelt. Auf Dauer ist das nicht akzeptabel.

Hier ist unter anderem die Politik gefragt, das Zulassungswesen und die Finanzierung von klinischen Studien so zu verbessern, dass die Rheumatologie mit ihren vielen seltenen Erkrankungen nicht benachteiligt ist.

Es zeigt sich also: Auch wenn die Welle der großen klinischen Studien in der Rheumatologie etwas abgeebbt ist, zu tun ist immer noch reichlich.

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