Länder-Vergleich

Exzessive Antibiotika-Verordnungen in armen Ländern

Kindern in Entwicklungsländern werden besonders oft Antibiotika verordnet. Ein elektronisches Tool soll gegensteuern.

Veröffentlicht:

Basel. In Ländern mit niedrigem bis mittlerem Einkommen bekommen Kinder bis zum fünften Geburtstag im Schnitt 25 Mal Antibiotika verschrieben.

Das zumindest hat eine Studie mit Daten aus acht „low and middle-income countries“ (LMICs) ergeben, die Forscher des Schweizer Tropen- und Public Health-Instituts (Swiss TPH) und der Harvard T.H. Chan School of Public Health vorgenommen haben (Lancet Inf Dis. 2019; online 13. Dezember).

Die Wissenschaftler haben dabei Daten aus Gesundheitseinrichtungen und von Haushaltsbefragungen aus den Jahren 2007 bis 2017 analysiert, und zwar aus Haiti, Kenia, Malawi, Namibia, Nepal, Senegal, Tansania und Uganda.

Zwölf Mal jährlich in Uganda

Ergebnis: Die Zahl der Antibiotikaverschreibungen für Kleinkinder variierte dabei von einmal pro Jahr im Senegal bis zu zwölf Mal jährlich in Uganda, berichtet das Swiss TPH in einer Mitteilung zu der Studie.

Zum Vergleich: Einer früheren Studie zufolge wird Kindern unter fünf Jahren in Europa im Schnitt weniger als einmal pro Jahr ein Antibiotikum verschrieben.

„Selbst diese Zahl ist immer noch hoch, wenn man bedenkt, dass es sich bei der großen Mehrheit der Infektionen in dieser Altersgruppe um Virusinfektionen handelt“, heißt es in der Mitteilung. Und: In Europa gelten bereits zwei Antibiotikaverschreibungen pro Jahr als exzessiv.

Die Verordnungspraxis in den LMICs sei besorgniserregend und verstärke weltweit Antibiotikaresistenzen, betont Studienautor Professor Günther Fink vom Swiss TPH in der Mitteilung.

Antibiotika oft unnötig eingesetzt

Die meisten Antibiotika-Therapien seien unnötig: Nach Studiendaten würden zum Beispiel in Tansania über 90 Prozent aller Kinder, die erkrankt in Gesundheitseinrichtungen vorgestellt werden, Antibiotika verordnet. Tatsächlich nötig seien sie aber nur bei 20 Prozent.

Nach der Studie wurden Antibiotika in den acht Ländern insgesamt bei 81 Prozent der Kinder mit Atemwegserkrankungen verordnet sowie bei 50 Prozent der Kinder mit Durchfall und 28 Prozent der Kinder mit Malaria.

„Ausbildung und Supervision von Menschen in Medizinischen Berufen können die unnötige Verschreibung von Antibiotika am stärksten reduzieren“ betont Mitautorin Dr. Valérie D’Acremont in der Mitteilung.

Die Forscher am Swiss TPH und von den Public-Health-Instituten Unisanté in Lausanne haben dazu ein „electronic Point-of-Care Tool“ (ePOCT) entwickelt, das Fachkräfte bei Diagnose und Therapie kranker Kinder unterstützt.

Mit dem ePOCT ließen sich in Gesundheitszentren Behandlungsergebnisse verbessern und die Zahl der Antibiotika-Verordnungen enorm reduzieren.

Das Tool wird derzeit weiterentwickelt und soll in Zukunft auch Algorithmen auf Basis künstlicher Intelligenz enthalten. (eb)

Mehr zum Thema
Das könnte Sie auch interessieren
Die Chancen der Vitamin-C-Hochdosis-Therapie nutzen

© Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH

Vitamin-C-Therapie

Die Chancen der Vitamin-C-Hochdosis-Therapie nutzen

Anzeige | Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH
Medizinischer Infusions-Tropf mit buntem Hintergrund

© Trsakaoe / stock.adobe.com

Hochdosis-Therapie

Vitamin C bei Infektionen und Long-COVID

Anzeige | Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH
Maximale Vitamin-C-Blutspiegel nach oraler (blau) und parenteraler (orange) Tagesdosis-Gabe.

© Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH

Vitamin-C-Infusion

Parenterale Gabe erzielt hohe Plasmakonzentrationen an Vitamin C

Anzeige | Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH
Für Menschen ab 60 Jahren sind die Impfungen gegen Influenza, Corona, Pneumokokken und Herpes zoster (beide nicht im Bild) Standard-Impfungen. Für Menschen ab 75 Jahren kommt die RSV-Impfung hinzu.

© angellodeco / stock.adobe.com

Respiratorisches Synzytial Virus

STIKO: Alle Menschen ab 75 gegen RSV impfen!

Blickdiagnose: klinisches Bild mit typischen Effloreszenzen bei Herpes zoster.

© Mumemories / Getty Images / iStock

Zoster-Impfung

Schutz vor Herpes zoster und Rezidiven

Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Porträt: Dr. Jörg Sandmann | Hirn: grandeduc / stock.adobe.com

© Porträt: Dr. Jörg Sandmann | Hirn: grandeduc / stock.adobe.com

„ÄrzteTag extra“-Podcast

Der hypogonadale Patient in der Hausarztpraxis

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Besins Healthcare Germany GmbH, Berlin
CRP-Wert-unabhängig therapieren mit Ixekizumab

© Sebastian Kaulitzki / stock.adobe.com

Axiale Spondyloarthritis (axSpA)

CRP-Wert-unabhängig therapieren mit Ixekizumab

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Lilly Deutschland GmbH, Bad Homburg v. d. H.
Neuer CFTR-Modulator bei Mukoviszidose

© Springer Medizin Verlag

Neuer CFTR-Modulator bei Mukoviszidose

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Vertex Pharmaceuticals GmbH, München
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Gastbeitrag

Wie sinnvoll sind Injektionen an der Wirbelsäule?

Lesetipps
Adipöse Kinder und Jugendliche tragen für den Rest ihres Lebens eine enorme Bürde mit sich. Die Folgen zeichnen sich bereits im Kindesalter ab und erstrecken sich bis ins Erwachsenenalter.

© kwanchaichaiudom / stock.adobe.com

Adipositas bei Kindern und Jugendlichen

Hoffnung auf neue Medikamente zur Gewichtsreduktion bei Kindern