IM GESPRÄCH

Für Patienten mit sehr schwerer Polyarthritis kann ein CD20-Antikörper bald neue Option sein

Philipp Grätzel von GrätzVon Philipp Grätzel von Grätz Veröffentlicht:

Kaum haben sich die TNF-alpha-Hemmer bei der Behandlung von Patienten mit rheumatoider Arthritis (RA) etabliert, ist als neue Option ein weiterer monoklonaler Antikörper in Sicht. Er kommt für solche Patienten in Frage, denen weder mit Basistherapeutika noch mit TNF-alpha-Blockern geholfen werden kann. Bekannt ist der Antikörper Rituximab aus der Hämatologie, nun hat er sich in einer ersten größeren Studie auch bei RA als überraschend effektiv erwiesen.

Option, wenn Basisarznei und TNF-alpha-Blocker nicht reichen

"Wir hatten absolut nicht erwartet, daß die Ergebnisse so gut sein würden", sagte Professor Paul Emery, Rheumatologe an der Universität Leeds in England beim Europäischen Rheumakongreß in Berlin. Grund für die Suche nach neuen Therapieoptionen sei die zunehmende Zahl von RA-Patienten gewesen, die weder auf Basisarzneien noch auf TNF-alpha-Hemmer ansprachen, so Emery bei einer Veranstaltung von Hoffmann-La Roche. Nachdem die Ergebnisse einiger kleiner Pilotstudien mit Rituximab (MabThera®) ermutigend gewesen waren, wurde eine größere Studie mit dem Namen proof-of-concept initiiert, deren Ergebnis nun in Berlin erstmals präsentiert wurde.

Der Antikörper Rituximab bindet an das CD20-Antigen auf der Oberfläche reifer B-Zellen. Nach ein- bis zweimaliger Injektion bewirkt er das Absterben sämtlicher B-Zellen im Körper mit Ausnahme der frühen Entwicklungsstufen und der aus den B-Zellen hervorgehenden, antikörperbildenden Plasmazellen. "Bisher galt RA meist als eine Erkrankung, deren zerstörerisches Potential vor allem über T-Zellen vermittelt wird", so der Rheumatologe Professor Thomas Dörner von der LMU München.

Die Bedeutung von B-Zellen bei Rheuma wird immer klarer

Doch wird immer mehr über die Bedeutung der B-Zellen bei RA bekannt. Auch sie produzieren Botenstoffe wie TNF alpha und Interleukine. B-Zellen sind zudem an der Aktivierung der T-Zellen beteiligt und sezernieren Autoantikörper, etwa den bekannten Rheumafaktor.

In der jetzt vorgestellten proof-of-concept-Studie, an der insgesamt 161 Patienten teilnahmen, die alle Methotrexat (MTX) einnahmen und die nicht oder nicht mehr auf TNF-alpha-Blocker ansprachen, wurden die Patienten nach einer Zufallsverteilung in vier Gruppen behandelt.

Sie erhielten entweder die bei Lymphomen genutzte Kombination aus Rituximab und Cyclophosphamid, eine Rituximab- oder MTX-Monotherapie oder Rituximab plus MTX. Analog zum Vorgehen in der Hämatologie wurde Rituximab dabei nur zweimal zu Beginn der Studie im Abstand von zwei Wochen intravenös injiziert. MTX wurde über den ganzen Studienzeitraum in der bei RA-Patienten üblichen Dosis von mindestens zehn Milligramm wöchentlich gegeben.

"Die Ergebnisse übertrafen unsere kühnsten Erwartungen", so Emery. "Bei den vierzig Patienten der Studie mit schwerster RA betrug die Ansprechrate bei der Kombinationsbehandlung mit MTX und Rituximab nach sechs Monaten 73 Prozent für den ACR 20." Der ACR 20 entspricht einer zwanzigprozentige Verbesserung im Arthritis-Score des American College of Rheumatology und somit einer Abnahme der Krankheitsaktivität um 20 Prozent.

Für das Erreichen des ACR 50, also eine fünfzigprozentigen Abnahme der Krankheitsaktivität, habe die Quote immerhin noch bei 43 Prozent gelegen, für den ACR 70 bei 23 Prozent, so Emery. Diese Werte entsprächen in etwa dem, was bei RA in normalen Patientenkollektiven mit TNF-alpha-Hemmern erreicht werde.

In der Nachbeobachtungsphase waren die Ansprechraten nach einem Jahr nur wenig geringer, obwohl der Antikörper nicht noch einmal gegeben wurde. In Nachbeobachtungen wurden bisher schubfreie Intervalle bis zu anderthalb Jahren registriert. "Die vorher wirkungslose MTX-Therapie scheint den Effekt der Antikörperbehandlung eine Zeitlang zu stabilisieren", sagte Emery, "es ist, als würde bei den Patienten eine Reset-Taste gedrückt". Für diese Interpretation spricht die Beobachtung, daß der Effekt einer alleinigen Behandlung mit Rituximab deutlich schneller wieder abfällt.

Gut wirksam war auch die Rituximab-Cyclophosphamid-Kombination, die aber wegen der weniger guten Verträglichkeit von Cyclophosphamid nicht weiter geprüft werden soll.

Zur Zeit wird in zwei kontrollierten Studien die Rituximab-MTX-Kombination in größeren Patientenkollektiven getestet: In die REFLEX-Studie werden 500 Patienten mit schwerer RA aufgenommen, die auf eine Therapie mit TNF-alpha-Hemmern nicht angesprochen hatten. Die DANCER-Studie ist eine Dosisfindungsstudie mit 440 Patienten. Erste Ergebnisse dieser Untersuchungen werden in einem halben Jahr erwartet.



FAZIT

Mit dem CD20-Antikörper Rituximab plus Methotrexat könnte es bald eine Therapie für Patienten mit schwerer rheumatoider Arthritis geben, denen weder Basismedikamente allein noch TNF-alpha-Hemmer helfen. Die guten Ergebnisse der aktuellen proof-of-concept-Studie mit Ansprechraten von mehr als 70 Prozent sprechen dafür. Ein weiterer Vorteil für die Patienten: Der Antikörper muß nur zweimal injiziert werden, um einen therapeutischen Effekt von mindestens einem Jahr zu erzielen. In zwei größeren Studien wird die Kombitherapie nun weiter geprüft.

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