Forschung

Proteine auf Abwegen – Biochemikerin erhält Alzheimer-Preis

Manche Proteine sollten sich besser nicht begegnen. So lautet eine These Dorothee Dormanns. Im Labor erforscht sie die Wechselwirkungen von Biomolekülen im Hinblick auf Demenzerkrankungen.

Veröffentlicht:
Neuronen mit Amyloid-Plaques im Gehirn. Verklumpungen bestimmter Proteine in den Zellen selbst könnten eine weitere Ursache für eine Demenz sein. Daran forscht die Trägerin des Alzheimer-Preises Dorothee Dormann.

Neuronen mit Amyloid-Plaques im Gehirn. Verklumpungen bestimmter Proteine in den Zellen selbst könnten eine weitere Ursache für eine Demenz sein. Daran forscht die Trägerin des Alzheimer-Preises Dorothee Dormann.

© selvanegra / Getty Images / iStock

Mainz. Was läuft schief in den Nervenzellen von dementen Menschen? Diese Frage stand am Anfang der Forschung von Dorothee Dormann, die sich seit 14 Jahren mit neurodegenerativen Krankheiten wie Alzheimer oder der mit Muskelschwund verbundenen Amyotrophen Lateralsklerose (ALS) beschäftigt.

Auf der Suche nach Antworten nimmt sie unter den Tausenden von Proteinen in einer Nervenzelle vor allem zwei Eiweißstoffe in den Blick – das schon länger mit der Alzheimer-Erkrankung in Verbindung gebrachte Protein Tau und das Protein TDP-43.

Seit einem halben Jahr forscht Dormann in Mainz, nachdem sie zuvor seit 2007 in München eine Arbeitsgruppe geleitet hat. Sie ist Professorin für Molekulare Zellbiologie an der Johannes Gutenberg-Universität sowie Forschungsgruppenleiterin am Institut für Molekulare Biologie (IMB). Jetzt ist ihr der Alzheimer-Forschungspreis 2021 der Hans und Ilse Breuer-Stiftung verliehen worden. Die Auszeichnung ist mit 280.000 Euro für ihr Forschungsprojekt verbunden. Neben der Forschungsförderung unterhält die Stiftung einer Unternehmerfamilie, entstanden aus persönlicher Betroffenheit, auch ein Demenz-Zentrum in Offenbach als Beratungs- und Begegnungsort mit Wohngruppe.

Verklumpung im Zytoplasma

„Jedes Protein hat einen Bestimmungsort in der Zelle“, erklärt die Wissenschaftlerin. Gerät es auf Abwege und lagert es sich außerhalb des Zellkerns als Verklumpung im Zytoplasma ab, also in der von der Zellmembran umgebenen Grundsubstanz einer Zelle, kann es seine jeweilige Aufgabe nicht mehr erfüllen. Dazu gehört etwa wie die Bindung und Aufbereitung von Ribonukleinsäuren (RNS), sagt Dormann.

Verklumpungen des Tau-Proteins stehen im Verdacht, eine Ursache der Alzheimer-Krankheit zu sein, der bereits der Namensgeber der Erkrankung und des Preises, Alois Alzheimer (1864-1915), auf die Spur kam. Die Erkenntnis zur Rolle des TDP-43-Proteins bei ALS und der Frontotemporalen Demenz (FTD) kam erst 2006. Wesentlich daran beteiligt war das Institut für Neuropathologie und Prion-Forschung der Uni München.

Dorothee Dormann begann daraufhin, das TDP-43-Protein intensiv zu erforschen. Seit einiger Zeit nimmt sie auch die Beziehungen zwischen TDP-43 und Tau unter die Lupe. Etwa 50 Prozent der Alzheimer-Patienten haben auch Ablagerungen von TDP-43. Diese Patienten haben einen schnelleren Krankheitsverlauf und zeigen eine stärkere Gehirndegeneration.

Wechselwirkungen zwischen Tau und TDP-43

„In unserem vor etwa einem Jahr angelaufenen Projekt wollen wir herausfinden, welche Wechselwirkungen es zwischen TDP-43 und Tau gibt, ob sich die beiden Proteine beeinflussen“, sagt die Forscherin. Der Preis sei eine wichtige Unterstützung dieser Forschung.

Die Mitglieder der Arbeitsgruppe untersuchen zum einen die isolierten Proteine im Reagenzglas. Zum anderen erforschen sie im Labor auch die Wechselwirkungen in Zellkulturen, zum Beispiel in Zelllinien aus menschlichen Tumoren oder Nervenzellen, die aus Gewebe von der Ratte gewonnen wurden.

„Wir schauen uns an, ob die beiden Biomoleküle direkt interagieren, ob sie einander binden und sich gegenseitig beeinflussen“, erklärt die Forscherin. Wenn sich Proteine aneinander binden und verfestigen, lässt sich dies mit Farbstoffen im Mikroskop oder mittels biochemischer Methoden sichtbar machen.

„Unsere Hypothese ist, dass Ansammlungen von Tau und TDP-43 im Zytoplasma schädlich sein könnten – dass es gewissermaßen besser wäre, wenn sie sich nicht begegnen würden.“ Sollte sich herausstellen, dass TDP-43 die Tau-Verklumpungen noch verstärkt, könnten Ansätze für Therapien entwickelt werden, die dem entgegenwirken. „Das ist aber noch Zukunftsmusik“, sagt Dormann.

Erkenntnisse aus der Biochemie

Am Mikroskop kann auch beobachtet werden, ob sich Proteine in der Zelle bewegen, auf den vorgesehenen Bahnen durchs Zytoplasma. „Wenn das Tau-Protein verklumpt, können solche Transportprozesse gestört werden.“

Beweglich bleiben, Verhärtungen vermeiden – es ist erstaunlich, wie sprachliche Bilder für Fitness im Alter zu Erkenntnissen der Biochemie passen. Daran setzt auch die Altersforschung an, die in Mainz unter anderem vom Leibniz-Institut für Resilienzforschung vorangetrieben wird. „Unser Organismus ist bestrebt, sich selbst zu erhalten“, sagt die Wissenschaftlerin.

„Wenn sich Protein-Ablagerungen im Alter nicht immer vermeiden lassen, findet das Leben vielleicht andere Mittel und Wege, damit umgehen zu können, ohne dass wichtige Funktionen gestört werden.“ (dpa)

Jetzt abonnieren
Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Große Datenbankanalyse

Schwindel als mögliches Warnsignal für Alzheimer

Das könnte Sie auch interessieren
Vitamin-B12-Mangel frühzeitig behandeln!

© Aleksandr | colourbox.de

Fatal verkannt

Vitamin-B12-Mangel frühzeitig behandeln!

Anzeige | WÖRWAG Pharma GmbH & Co. KG
Aktuelle Empfehlungen für die Praxis

© polkadot - stock.adobe.com

Vitamin-B12-Mangel

Aktuelle Empfehlungen für die Praxis

Anzeige | WÖRWAG Pharma GmbH & Co. KG
B12-Mangel durch PPI & Metformin

© Pixel-Shot - stock.adobe.com

Achtung Vitamin-Falle

B12-Mangel durch PPI & Metformin

Anzeige | WÖRWAG Pharma GmbH & Co. KG
Sexuelle Dysfunktion unter Antidepressiva!

© zoranm | gettyimages (Symbolbild mit Fotomodellen)

Metaanalyse

Sexuelle Dysfunktion unter Antidepressiva!

Anzeige | Bayer Vital GmbH
Photosensibilisierung: So schützen Sie Ihre Patienten

© Studio4 | iStock (Symbolbild mit Fotomodell)

Sommer, Sonne, Nebenwirkung?

Photosensibilisierung: So schützen Sie Ihre Patienten

Anzeige | Bayer Vital GmbH
Prognostizierbares Therapieansprechen?

© Stockbyte | gettyimages (Symbolbild mit Fotomodellen)

Antidepressiva

Prognostizierbares Therapieansprechen?

Anzeige | Bayer Vital GmbH
Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Real-World-Datena bestätigten Ravulizumab in der klinischen Praxis

© [M] LASZLO / stock.adobe.com

Komplementinhibition bei generalisierter Myasthenia gravis

Real-World-Datena bestätigten Ravulizumab in der klinischen Praxis

Sonderbericht | Beauftragt und finanziert durch: Alexion Pharma Germany GmbH, München
Abb. 1: Studie VISION-DMD: motorische Funktion TTSTAND-Geschwindigkeit unter Vamorolon 6mg/kg/Tag im Vergleich zu Placebo (erstellt nach [13])

© [M] Springer Medizin Verlag GmbH; Santhera Germany GmbH

Therapie der Duchenne-Muskeldystrophie mit Kortikosteroiden über alle Altersstufen

Grundlagen und Real-World-Erfahrungen mit Vamorolon

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Santhera Germany GmbH, München
Abb. 1: Freisetzung von Neurofilamenten aus geschädigtem Axon

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [8]

Aktive schubförmige Multiple Sklerose

Serum-Neurofilament-Leichtketten: Nutzen für die Praxis

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Novartis Pharma GmbH, Nürnberg
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Leitartikel

Datenschutz ist zugleich auch Praxisschutz

Netzwerk-Metaanalyse von 139 Studien

Gonarthrose: Viele Optionen, doch nur wenige funktionieren

Chronisches Kreuzweh

Studie: Rauchen lässt den Rücken schmerzen

Lesetipps
Schwindel kann viele unterschiedliche Ursachen haben. Mit den richtigen Fragen kommt man aber zur richtigen Diagnose.

© Andrey Popov / stock.adobe.com

BAM-Kongress 2025

Schwindel in der Hausarztpraxis: Fünf Fragen zur Ursachenfindung

Prophylaktische Maßnahmen sind der beste Weg, um Infektionen bei Krebspatientinnen und -patienten zu verhindern. Während und nach ihrer Chemotherapie sind sie dafür besonders anfällig. (Symbolbild)

© RFBSIP / stock.adobe.com

Vorbeugen ist besser als heilen

Wie die Infektionsprophylaxe bei Krebspatienten gelingt

Die Ärzte Zeitung hat jetzt auch einen WhatsApp-Kanal.

© prima91 / stock.adobe.com

News per Messenger

Neu: WhatsApp-Kanal der Ärzte Zeitung