Riech- und Schmecktest

Schaler Rotwein? Vielleicht eine Coronainfektion

Derzeit lohnt es sich, öfter mal an der Zahnpasta und dem Whiskey zu schnuppern und zu testen, ob Kaffee und Wein noch schmecken. Falls nicht, könnte dies auf eine Infektion mit SARS-CoV-2 deuten.

Thomas MüllerVon Thomas Müller Veröffentlicht:
Wein ohne Aromen? Das kann auch an Riech- und Schmeckstörungen durch COVID-19 liegen.

Wein ohne Aromen? Das kann auch an Riech- und Schmeckstörungen durch COVID-19 liegen.

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Das Wichtigste in Kürze

Frage: Erkennt ein Selbsttest zuverlässig Riech- und Schmeckstörungen?

Antwort: Ein Heimtest italienischer HNO-Experten ist ähnlich zuverlässig wie ein Test in der Praxis oder Klinik.

Bedeutung: Mit einem Selbsttest lassen sich frühe COVID-19-Symptome aufspüren – auch bei wenig symptomatischen Infizierten.

Einschränkung: Der Test erfordert viel Engagement und Experimentierfreude – vielleicht tut’s ja auch das subjektive Empfinden.

Sassari. Wenn der 18-jährige Single Malt nicht mehr die üblichen Holz-, Schokolade- und Vanillearomen entfaltet, der Chardonnay seltsam schal schmeckt und vom Barrique der Reserva nichts zu erkennen ist, kann das natürlich viele Ursachen haben. In der aktuellen Pandemie sollten dann aber alle Warnglocken läuten: Was einem da im Lockdown den Genuss an den gehorteten Schätzen vergällt, könnte tatsächlich das neue Coronavirus sein.

Empfindliche Nasen und Zungen sollten in diesem Fall schnell ins Bad gehen, an der minzehaltigen Zahnpasta oder der Erkältungssalbe schnuppern und den Verdacht in der Küche am Gewürzregal weiter evaluieren. Wer schon in der Schule Freude im Chemieunterricht hatte, darf auch alkoholische Verdünnungsreihen zur Schwellenwertermittlung anlegen. Damit hat er fast schon den Selbsttest absolviert, den HN0-Ärzte um Dr. Luigi Angelo Vaira von der Uniklinik in Sassari in Italien Personen vorschlagen, die den Verdacht haben, bereits infiziert zu sein (Head Neck 2020; online 1. Mai).

Symptom bei bis zu 90 Prozent der SARS-CoV-2-Infizierten

Hintergrund ist die Beobachtung, dass ein erheblicher Teil der SARS-CoV-2-Infizierten in der Frühphase der Erkrankung deutliche Riech- und Schmeckstörungen aufweist – einigen Studien zufolge bis zu 90 Prozent. Bei vielen Patienten mit milder Symptomatik sind dies oft die einzigen halbwegs spezifischen COVID-19-Symptome.

Wer also ein erhöhtes Infektionsrisiko aufweist, weil er etwa mit einem Infizierten Kontakt hatte, muss davon ausgehen, dass er ebenfalls infiziert ist, wenn ihn Geruchs- und Geschmackssinn im Stich lassen. Dann wäre ein PCR-Test zum Virusnachweis angeraten.

Um mögliche Beeinträchtigungen zu prüfen, haben die Ärzte um Vaira einen umfangreichen Selbsttest entwickelt und bei 33 mild symptomatischen COVID-19-Patienten geprüft, die sich in häuslicher Isolation befanden. Anschließend haben sie die Resultate mit einem professionellen Test in ihrer Klinik verglichen und kamen zu dem Schluss, dass der Selbsttest ähnlich gut eine Hyposmie oder eine Hypogeusie nachweisen kann wie der Check bei den HNO-Spezialisten.

Allerdings, und das ist sicher ein großer Wermutstropfen, erfordert der Test ein recht großes Engagement. Er ist daher wohl eher für besonders experimentierfreudige oder äußerst gelangweilte Quarantänebewohner geeignet. Hier das Testprotokoll:

  • Bestimmen Sie Ihre Riechschwelle anhand einer alkoholischen Verdünnungsreihe: Nehmen Sie eine Ausgangslösung mit 40% Ethanol. Hier käme nun der Whiskey ins Spiel, sofern er nicht in Fassstärke vorliegt, doch die Experten raten eher zu einer Lösung mit denaturiertem Ethylalkohol. Stellen Sie von 100 ml der Ausgangslösung weitere acht Flaschen her, indem Sie den Inhalt jeweils 1:3 verdünnen, also je ein Drittel in die nächste Flasche kippen und mit zwei Teilen Wasser auffüllen. Eine weitere Flasche mit reinem Wasser dient als Kontrolle. Können Sie den Alkohol noch in der stärksten Verdünnung erschnuppern, erhalten sie 8 Punkte, sonst entsprechend weniger.
  • Suchen Sie im Haushalt sieben unterschiedlich riechende Dinge, bevorzugt aus folgenden Gruppen: Fruchtaromen (Orangensaft, Zitronen, sonstige Früchte und Fruchtsäfte), Gewürze wie Pfeffer und Rosmarin, Seifendüfte, Alkohol in Getränken, Schokoladenaromen (Schokolade, Schokocreme) oder Minzaromen in Zahnpasta, Erkältungscremes und Mundspülungen. Beurteilen Sie auf eine Skala von 0–10, wie gut sie die jeweiligen Gerüche erkennen und bilden Sie den Durchschnittswert. Werden alle Gerüche gut erkannt, gibt es maximal 10 Punkte.
  • Testen Sie Ihren Geschmacksinn mit Salz, Zucker, Zitronen und Kaffee: Stellen Sie jeweils eine Lösung mit 3 Prozent Salz, eine mit 6 Prozent Zucker und eine mit 9 Prozent Zitronensaft her. Nehmen sie eine Tasse ungesüßten entkoffeinierten Kaffee. Probieren Sie jeweils einen Teelöffel von allem und beurteilen sie ihr Geschmacksempfinden auf einer Skala von 0 (kein Geschmack) bis 10 (normaler Geschmack). Den Kaffee bitte ganz zum Schluss! Bilden Sie wiederum den Durchschnittswert.

Auswertung mit Summerscore

Für die Auswertung der olfaktorischen Leistung wird ein Summensore mit maximal 100 Punkten gebildet, dazu wird der Wert aus zwei Tabellen abgelesen. 7 und 8 Punkte beim Schwellenwerttest ergeben 50 Punkte, ebenso 8–10 Punkte beim Diskriminationstest.

Ein normaler Geruchssinn liegt bei 90–100 Gesamtpunkten vor, eine schwere Hyposmie beginnt bei weniger als 40 Punkten. Beim Geschmackssinn gelten 7–10 Punkte als normal, eine schwere Hypogeusie wird bei weniger als 3 Punkten angenommen.

Den Heimtest haben die HNO-Experten mit 33 Klinikmitarbeitern evaluiert, die sich aufgrund eines SARS-CoV-2-Nachweises zuhause in häuslicher Isolation befanden. Die Probanden absolvierten den Selbsttest einen Tag vor einem erneuten Coronaviruscheck in der Klinik. Dort wurden sie auch von HNO-Experten mit dem Riechtest des Connecticut Chemosensorial Clinical Research Center (CCCRC) geprüft, der Schmecktest erfolgte in ähnlicher Weise wie beim Heimselbsttest.

Konsequenzen der Testergebnisse

Insgesamt gaben zwei Drittel der Infizierten an, irgendwann einmal im Laufe der Infektion olfaktorische oder gustatorische Einschränkungen verspürt zu haben. Beim Heimtest wiesen 8 eine normale Riechfunktion auf, ebenso viele waren es beim CCCRC. 9 zeigten beim Heimtest eine milde Hyposmie, 9 eine moderate, mit dem CCCRC waren es jeweils 5 und 13, hier gab es also gewisse Abweichungen. Beide Tests erkannten jeweils 3 Probanden mit schwerer Hyposmie und 4 mit Anosmie.

Noch geringere Differenzen gab es erwartungsgemäß beim Schmecktest – dieser war ja identisch, nur dass er einmal von den Probanden selbst und einmal von den HNO-Experten am Tag darauf vorgenommen wurde. Jeweils rund die Hälfte hatte einen normalen Geschmackssinn, eine Ageusie war nur bei zwei Infizierten nachweisbar. Mit p-Werten von 0,20 (Riechen) und 0,18 (Schmecken) ließen sich keine statistisch belastbaren Unterschiede zwischen den Tests nachweisen.

Die Ärzte um Vaira werten dies als Beleg, dass ein Selbsttest recht zuverlässig Riech- und Schmeckstörungen aufspüren kann und sich daher auch zur Detektion und Isolation von Infizierten eignet. Wer solche Störungen bemerkt, könnte sich etwa in Selbstisolation begeben und Kontaktpersonen informieren, etwa über eine App, sollte diese noch vor dem Ende der Pandemie erhältlich sein.

Ob dazu ein derart aufwendiger Selbsttest nötig ist, bleibt allerdings offen. Vielleicht reicht ja auch schon die ausbleibende Vanillenote im Whiskey oder Wein.

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