Schutz für's Herz - ohne Gefahr für Lunge

Eine wichtige Sache bei kardiopulmonale Komorbidität ist es, an mögliche ungünstige pulmonale Effekte von Herzmedikamenten zu denken und an mögliche kardiale Effekte von bei Lungenerkrankungen genutzten Mitteln.

Peter OverbeckVon Peter Overbeck Veröffentlicht:
Was der Lunge nützt, kann dem Herzen schaden und umgekehrt. © Zsolt Bota Finna / fotolia.com

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Die Komorbidität von kardialen und pulmonalen Erkrankungen wie Hypertonie oder KHK sowie COPD oder Asthma bronchiale ist im Praxisalltag keine Seltenheit. Für den behandelnden Arzt ist es deshalb unerlässlich, genaue Kenntnisse sowohl über mögliche pulmonale Effekte von kardial wirksamen Pharmaka als auch über mögliche kardiale Effekte von bei Lungenerkrankungen genutzten Arzneimitteln zu besitzen.

Zu den bei pulmonalen Erkrankungen verordneten Medikamenten, bei denen an potenziell ungünstige Effekte auf Herz und Gefäße zu denken ist, zählen Anticholinergika, ß2-Sympathomimetika und Theophylin.

Noch kein definitives Bild ergeben derzeit die vorliegenden Studiendaten zum kardiovaskulären Sicherheitsprofil der muskarinischen Agonisten Ipratropiumbromid und Tiotropiumbromid. Einerseits kommt eine jüngst publizierte Metaanalyse zu dem Ergebnis, dass die Behandlung mit diesen Anticholinergika bei Patienten mit COPD mit einer erhöhten Sterblichkeit vor allem infolge kardiovaskulärer Todesfälle assoziiert ist. Andererseits ist dieses Risiko in der bislang größten prospektiven Studie (UPLIFT) zur Wirksamkeit von Anticholinergika nicht nur nicht bestätigt worden - ihre Ergebnisse belegen im Gegenteil für die Therapie mit Tiotropiumbromid nach vier Jahren sogar eine signifikante Reduktion der kardiovaskulären Mortalität. Aufgrund der unklaren Datenlage scheint es derzeit geboten zu sein, die Indikation zur Therapie mit Anticholinergika bei Patienten mit relevanter kardiovaskulärer Komorbidität kritisch zu prüfen.

Inhalative ß2-Sympathomimetika können unerwünschte kardiovaskuläre Effekte wie Tachykardien oder Blutdruckerhöhungen auslösen. Zu beachten ist das Risiko einer durch diese Arzneimittel ausgelösten Serumhypokaliämie, die insbesondere bei Erkrankungen wie KHK oder Herzinsuffizienz mit einer erhöhten Arrhythmogenität einhergeht.

Das Methylxanthin Theophyllin ist bei Patienten mit bestehender Tachyarrhythmie oder akutem Myokardinfarkt kontraindiziert. Als relative Kontraindikationen gelten unter anderen instabile Angina pectoris, Neigung zu Tachykardien und hypertrophe Kardiomyopathie.

Bei Behandlung mit Acetylsalicylsäure (ASS) können im Falle einer ASS-Intoleranz (sog. "Pseudoallergie") die Atemwege in Mitleidenschaft gezogen werden. Bereits 1922 ist erstmals die "Aspirin-Trias" (Asthma, Nasenpolypen, ASS-Sensitivität) beschrieben worden. Besondere Vorsicht ist bei Patienten mit nichtallergischem Asthma bronchiale geboten, von denen etwa zehn Prozent eine ASS-Sensitivität zeigen. Das Spektrum pseudoallergischer Manifestationen bei ASS-Intoleranz reicht von vasomotorischer Rhinitis über angioneurotisches Syndrom, Larynxödem und schwere Bronchospasmen bis hin zum Kreislaufschock.

Betablocker können aufgrund einer bronchokonstriktorischen Wirkung zu unerwünschten pulmonalen Effekten führen. Die - häufig unbegründete - Furcht vor bronchialer Obstruktion führt dazu, dass speziell bei vielen COPD-Patienten auf die prognostisch günstige Therapie mit Betablockern verzichtet wird. Metaanalysen von Studien zeigen aber, dass speziell kardiovaskuläre Betablocker auch bei COPD eine sichere Therapie sind, die bei bestehender Indikation den Patienten nicht vorenthalten werden sollte.

Bekannteste unerwünschte Wirkung von ACE-Hemmern ist ein trockener Reizhusten, über den bis zu 20 Prozent aller Behandelten klagen. Wesentlich seltener, dafür aber weitaus gefährlicher, ist das meist innerhalb der ersten Woche nach Therapiebeginn auftretende Angioneurotische Syndrom. Es kann bei ausgeprägtem Ödem mit Larynxbeteiligung wegen der Verlegung der oberen Atemwege lebensbedrohend sein. Bei Unverträglicheit von ACE-Hemmern bieten sich AT1 -Rezeptorantagonisten als Alternative an.

An die Lunge ist auch bei einer Therapie mit dem Antiarrhythmikum Amiodaron zu denken, das bekanntlich Ursache von teilweise irreversiblen Lungenveränderungen bis hin zur Lungenfibrose sein kann. Eine strenge Indikationsstellung und eine pneumologische Abklärung vor Therapiebeginn sind deshalb unabdingbar.

Quelle: C. Göggelmann et al., Pneumologe 2009; 6: 399-404

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