Cochlea-Implantate
Taube Kinder lernen Wörter schneller
Kinder mit einem Cochlea-Implantat sind zwar älter, wenn sie zum ersten Mal mit Sprache in Berührung kommen, bauen dann aber schneller ihren Wortschatz auf als normal hörende Kinder.
Veröffentlicht:LEIPZIG / DRESDEN. In Deutschland kommen jedes Jahr etwa 2000 Kinder schwerhörig oder taub zur Welt. Einigen von ihnen kann bekanntermaßen ein Cochlea-Implantat helfen. Bisher war jedoch unklar, welche Prozesse bei den Kindern beim Sprachlernen ablaufen, wenn sie damit später als ihre normalhörenden Altersgenossen beginnen – und warum sie darin unterschiedlich erfolgreich sind.
Unterschiedliche Spracherfolge
Das Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften (MPI CBS) in Leipzig und das Uniklinikum Dresden haben nun herausgefunden, dass taube Kinder mit CochleaImplantat Wörter sogar schneller lernen als normalhörende (Sci Rep 2018; 8:910). Diese Erkenntnis könne helfen, die Suche nach den Ursachen für die unterschiedlichen Spracherfolge zu erleichtern, berichtet das MPI.
Untersucht haben die Neurowissenschaftler diese Zusammenhänge bei 32 Kindern, die auf beiden Seiten ein Cochlea-Implantat trugen. Mit ihnen führten die Forscher 12, 18 und 24 Monate, nachdem die Kinder die Implantate eingesetzt bekommen hatten, einen Test durch, in dem sie Wörter aus dem Basiswortschatz von Kleinkindern erkennen sollten. Dazu zeigten sie den Studienteilnehmern Bilder von Objekten und benannten diese entweder richtig oder falsch.
Kinder erkennen Falschbenennung
Gleichzeitig erfassten sie mithilfe eines EEGs die Hirnströme der Kinder. Ergab sich hier im Verlauf der sogenannte N400-Effekt, signalisierte das den Forschern, dass die Kinder die Falschbenennung registrierten. Bei ihnen hatte sich also eine feste Verknüpfung zwischen Objekt und Bezeichnung gebildet, sie hatten das Wort gelernt.
"Wir haben beobachtet, dass taube Kinder, sobald sie das Cochlea-Implantat eingesetzt bekommen hatten, schneller Wörter lernten als normalhörende Kinder", wird Erstautorin Niki Vavatzanidis in der Mitteilung zitiert. Normalerweise bräuchten Kinder etwa 14 Monate Hörerfahrung, um verlässlich zu bemerken, dass bekannte Objekte falsch benannt wurden. Kinder mit Cochlea-Implantat waren dazu bereits nach 12 Monaten Lernzeit in der Lage.
Gedächtnis ist weiter entwickelt
Als Ursache dafür vermuten die Wissenschaftler das höhere Alter der Kinder mit Cochlea-Implantat, in dem sie das erste Mal mit gesprochener Sprache in Berührung kommen: Normalhörende beginnen direkt nach der Geburt oder gar im Mutterleib damit, sprachliche Aspekte wie die typische Melodie oder den Rhythmus der Muttersprache zu lernen.
Bei taub geborenen Kindern beginne dies hingegen erst, nachdem das Implantat aktiviert wurde, also etwa im Alter von ein bis vier Jahren. Dann sind gewisse Strukturen im Gehirn bereits stärker entwickelt, an die sie beim Spracherwerb anknüpfen können. "Bei ihnen ist nicht nur das Gedächtnis weiter entwickelt. Sie haben auch ein breiteres Verständnis von der Welt, wissen also mehr über die Objekte in ihrer Umwelt und haben dadurch bereits nicht-sprachliche semantische Kategorien aufgebaut", so Vavatzanidis. (eb)