Ärztliche Weiterbildung

Hessens Gütesiegel „Gute Weiterbildung“ geht an den Start

Immer wieder klagen junge Ärzte über Qualitätsmängel in der Weiterbildung. Das Netzwerk Junge Ärztinnen und Ärzte im Marburger Bund Hessen will nun mit einem Gütesiegel gegensteuern.

Rebekka HöhlVon Rebekka Höhl Veröffentlicht:
Junge Ärzte mit Mentor. Regelmäßiges Feedback ist für Weiterbildungsassistenten wichtig. In Hessen soll nun ein Gütesiegel besonders gute Weiterbildung kenntlich machen.

Regelmäßiges Feedback ist für Weiterbildungsassistenten wichtig. In Hessen soll nun ein Gütesiegel besonders gute Weiterbildung kenntlich machen.

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Frankfurt/Main. Lehrvisiten, strukturierte Fortbildungsveranstaltungen oder externe Kurse – Dinge, für die viele Weiterbildungsassistenten im Alltag noch immer kämpfen müssen, berichtete Simon Schmich vom Netzwerk Junge Ärztinnen und Ärzte des Marburger Bundes (MB) Hessen, bei einer digitalen Pressekonferenz am Mittwoch. Damit dies künftig besser wird, hat das Netzwerk ein Gütesiegel „Gute Weiterbildung“ initiiert. Dieses wurde nun erstmals verliehen, an das Institut für Neuroradiologie am Universitätsklinikum Frankfurt am Main.

Mit dem Gütesiegel werden Abteilungen ausgezeichnet, in denen die Weiterbildung besonders vorbildlich gestaltet ist.

Weiterbildung darf kein Nebenprodukt sein

„Weiterbildung wird in den Kliniken oft als Nebenprodukt angesehen“, sagte Dr. Susanne Johna, Bundesvorsitzende des MB und Vorsitzende des MB Hessen. Die Ziele der jungen Ärztinnen und Ärzte seien aber nun einmal unterschiedlich, daher müsse die Weiterbildung gut durchdacht und eben strukturiert werden.

Am Institut für Neuroradiologie der Uniklinik Frankfurt gibt es etwa einen Wochenplan, in dem genau festgelegt ist, welcher Oberarzt welche Assistenzärzte fest zu betreuen hat, berichtete die Direktorin des Instituts, Professor Elke Hattingen. Täglich finde auch eine 1:1-Besprechung statt. Die jungen Ärztinnen und Ärzte sollten dabei lernen, dass auch die Neuroradiologen ganzheitliche Medizin machen. Im Gegenzug erwartet sie daher von ihren Weiterbildungsassistenten, dass sie sich auf die unterschiedlichen Untersuchungsmethoden vorbereiten und auch vorab mit den Patienten sprechen.

Wöchentliche interne Fortbildungen

Wöchentlich gibt es in dem Institut laut Hattingen zudem eine abteilungsinterne Fortbildung, bei der interessante Fälle besprochen werden, sowie einmal im Jahr einen Basiskurs für Weiterbildungsassistenten. Letzterer habe aber wegen Corona ausgesetzt werden müssen.

„Gute Weiterbildung in der Klinik ist ein wechselseitiger Prozess“, sagte Hattingen. „Es braucht dazu die engagierten Oberärztinnen und -ärzte auf der einen, und die motivierte junge Ärzteschaft auf der anderen Seite.“ Dabei lernten auch die Weiterbildungsbefugten immer etwas dazu. „Es bringt beiden Seiten etwas“, stellte sie klar.

Breite Unterstützung für Gütesiegel

Eine interne Umfrage unter den MB-Mitgliedern hatte ergeben, dass über 90 Prozent der teilnehmenden Ärzte sich ein solches Gütesiegel wünschen, um Weiterbildung vergleichbar zu machen. Klinikabteilungen können sich für die Auszeichnung bewerben, oder auch vorgeschlagen werden. Anschließend geht ein Fragebogen an die Weiterbildungsassistenten (WBA), den mindestens 80 Prozent der WBA ausfüllen müssen. Fällt diese erste Auswertung positiv aus, findet eine Visitation der Abteilung statt. Die Visitation werde von einem offiziellen MB-Mitglied und zwei Vertretern des Netzwerkes Junge Ärztinnen und Ärzte durchgeführt, so Schmich. Ob das Siegel vergeben werde oder nicht, werde dann im MB-Vorstand beschlossen. Die Vergabe des Siegels erfolgt zunächst über die Dauer von drei Jahren, eine anschließende „Rezertifizierung“ ist nach Angaben des MB möglich.

Das Ziel: mehr Transparenz

Ganz neu ist die Idee des Gütesiegels nicht, wie Johna erläuterte. Das MB-Siegel gebe es schon länger in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz. Aber auch in Berlin, Brandenburg und dem Saarland sei es mittlerweile etabliert. „Wir glauben, dass es ein großer Ansporn für andere sein kann, wenn wir zeigen, in welchen Abteilungen eine gute Weiterbildung stattfindet“, so Johna. Gleichzeitig schaffe es Transparenz für Ärzte, die einer Weiterbildungsstelle suchen.

Dr. Christoph Polkowski, der gerade die Weiterbildung am Institut für Neuroradiologie am Uniklinikum Frankfurt durchläuft, würde sich generell wünschen, dass Weiterbildung wieder als gutes „Investment“ gesehen wird. Sicherlich könnten sich Kliniken Spezialisten teuer am Markt einkaufen, „man kann aber auch selbst in den Nachwuchs investieren“, sagte er.

Ein bisschen mehr Struktur wird laut Johna auch das elektronische Logbuch (eLogbuch) künftig in die Weiterbildung bringen, denn dort werden Kompetenzen und einzelne Weiterbildungsabschnitte genau dokumentiert. Das kann auch dann wichtig sein, wenn jemand einzelne Kompetenzen erwirbt, die vielleicht nicht für seine derzeitige Facharztprüfung, aber vielleicht eine zweite Facharztprüfung, die er später hinterherschiebt, benötigt werden. Allerdings ist in Hessen die zugehörige aktualisierte Weiterbildungsordnung erst im vergangenen Sommer in Kraft getreten. Derzeit läuft noch eine Übergangsphase: Sowohl Polkowski als auch Schmich haben selbst daher noch keine Erfahrungen mit dem eLogbuch sammeln können.

Anteil der Weiterbildungsassistenten in Teilzeit steigt

Bessere Strukturen in der Weiterbildung sind aber auch wichtig, weil immer mehr junge Ärztinnen und Ärzte ihre Weiterbildung in Teilzeit absolvieren. „Vor 30, 20 Jahren wäre das noch undenkbar gewesen, aber in den letzten Jahren hat die Zahl der Weiterbildungsassistenten in Teilzeit deutlich zugenommen“, sagte Johna.

2020 war nach aktuellen Zahlen der Landesärztekammer Hessen ein Fünftel der Weiterbildungsassistenten in Teilzeit beschäftigt. Insgesamt gab es im vergangenen Jahr in Hessen 6650 Ärzte in Weiterbildung. 81 Prozent arbeiteten im stationären Bereich, 12 Prozent im ambulanten Bereich und sieben Prozent in „sonstigen Einrichtungen“. Der Anteil der Frauen unter den WBA lag bei 57 Prozent.

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