Krankenhausreport

500 Krankenhäuser können dicht machen

In Deutschland werden zu viele Patienten stationär behandelt - über fünf Millionen Menschen sind in Kliniken fehl am Platz. Das geht aus dem Krankenhausreport der AOK hervor. Experten finden: 500 Kliniken weniger, aber dafür mehr Häuser mit mehr Betten könnten die Lösung sein.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:
Keine Op ohne Risiko. Doch Untersuchungen des Wissenschaftlichen Instituts der AOK legen seit geraumer Zeit nahe, dass Krankenhäuser, in denen bestimmte Operationen häufiger vorgenommen werden, bessere Ergebnisse erzielen.

Keine Op ohne Risiko. Doch Untersuchungen des Wissenschaftlichen Instituts der AOK legen seit geraumer Zeit nahe, dass Krankenhäuser, in denen bestimmte Operationen häufiger vorgenommen werden, bessere Ergebnisse erzielen.

© Uniklinikum Münster / dpa

BERLIN. In Deutschland werden zu viele Patienten stationär behandelt. Davon geht der aktuelle Krankenhaus-Report der AOK aus.

Würde Deutschland die Zahl der Krankenhausaufnahmen auf den Schnitt der Nachbarländer senken, entfielen rechnerisch 14.000 Aufnahmen am Tag, heißt es dort.

Statistisch gesehen könnten 500 Krankenhäuser im Land dicht gemacht werden, rechnete der Gesundheitsökonom Professor Reinhard Busse bei der Vorstellung des Reports am Montag in Berlin vor.

Allein bei Erkrankungen des Bewegungsapparates seien 1,2 Millionen Patienten im Jahr fehlalloziert, ebenso weitere vier Millionen Patienten mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs, Stoffwechselerkrankungen, Magen-Darm-Beschwerden und Verletzungen. Mit der Zahl der Krankenhäuser schwinde automatisch der Anreiz für die häufigen Aufnahmen, sagte Busse.

Die niedergelassenen Ärzte sind für die Unwucht der deutschen Verhältnisse im europäischen Vergleich nicht verantwortlich. Die Zahl der Einweisungen durch Vertragsärzte sei im Sinkflug, stellte Busse fest.

"Bett als Planungsgrundlage taugt nicht mehr"

Für Nordrhein-Westfalens Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) sind diese Zahlen Argumente für sektorenübergreifende Portalpraxen an den Krankenhäusern, um die Patienten besser in die geeigneten Versorgungsebenen zu steuern.

Laumann plädierte für einen Paradigmenwechsel bei der Krankenhausplanung. „Das Bett als Planungsgrundlage taugt nicht mehr“, sagte Laumann. Einbezogen werden müssten auch die Strukturqualität und die Fallzahlen.

Dass Laumann damit einer Zentralisierung der Krankenhauslandschaft das Wort redet, besorgt Vertreter der Landeskrankenhausgesellschaft in NRW.

„Wir fragen uns, ob das für Nordrhein-Westfalen von Minister Laumann angekündigte Gutachten zur Krankenhausplanung die gleiche Stoßrichtung haben soll“, erklärte der Präsident Jochen Brink.

Kliniken mit mehr als 500 Betten sollen nicht mehr die Ausnahme sein

Eine Konzentration der Krankenhauskapazitäten fordert der Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbands Martin Litsch. „Ein deutlicher Schritt wäre es bereits, wenn zukünftig Kliniken mit mehr als 500 Betten nicht mehr die Ausnahme, sondern die Regel in der Krankenhauslandschaft bilden“, sagte Litsch. Derzeit haben 80 Prozent der Kliniken weniger als 500 Betten.

Die Opposition zeigt sich in dieser Frage gespalten. Der gesundheitspolitische Sprecher der Linksfraktion, Harald Weinberg, warnte vor Kapazitätsabbau.

Die Krankenhäuser müssten „vom Joch des Wettbewerbs“ befreit werden, sagte Weinberg. Ansonsten könnten Krankenhäuser geschlossen werden, obwohl sie für die Versorgung notwendig seien.

Eine Zentralisierung sei sinnvoll, um die medizinische Expertise zu steigern, sagte die Sprecherin für Gesundheitsförderung der Grünen, Dr. Kirsten Kappert-Gonther. Auf dem Land aber müssten kleinere Häuser erhalten bleiben.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Rotstift allein genügt nicht

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Kommentare
Dr. Thomas Georg Schätzler 21.03.201814:38 Uhr

Alter Wein in neuen Schläuchen?

Der AOK-Krankenhausreport 2018 liefert keineswegs valideren Zahlen, Daten, Fakten, Hintergründe zu unreflektierten Krankenhaus-Schließungen und Betten-Streichungen als 2016 die Leopoldina in Halle a. d. Saale, eine 1652 gegründete Wissenschaftsakademie. Diese ist wohl ähnlich wie die AOK "der freien Wissenschaft zum Wohle der Menschen und der Gestaltung der Zukunft verpflichtet".

Auch wenn der AOK-Bundesverband nicht: "Mit ihren rund 1.500 Mitgliedern vereint die Leopoldina hervorragende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Deutschland, Österreich, der Schweiz und zahlreichen weiteren Ländern", behaupten kann, sollten die Autoren derartiger "Reports" doch einmal ihre Medizin- und Versorgungs-fernen Elfenbeintürme verlassen und die gegenwärtigen Klinik- und Praxislandschaften objektiver besichtigen. Über fünf Millionen Menschen sind in überfüllten Klinik-Gängen und Behelfsbetten keineswegs fehlallokiert.

8-Thesenpapier der Leopoldina
Was sich die altehrwürdig-verstaubte "Leopoldina" 2016 mit einem 8-Thesen-Papier und dem anspruchsvollen Titel "Nationale Empfehlungen - Zum Verhältnis von Medizin und Ökonomie im deutschen Gesundheitssystem (2016)" geleistet hat, war ebenso dilettantisch wie Medizin-bildungsfern: "Die Medizin hat die Aufgabe, Krankheiten – soweit möglich – zu heilen, zu lindern und ihnen vorzubeugen. Der Patient muss sich darauf verlassen können, dass Ärzte und das medizinische Fachpersonal nur entsprechend dieser Aufgabe handeln", hieß es dort: www.leopoldina.org/de/publikationen/detailansicht/publication/zum-verhaeltnis-von-medizin-und-oekonomie-im-deutschen-gesundheitssystem-2016/

Leben retten kam nicht vor: Auf die Idee, dass Ärztinnen und Ärzte in Deutschland häufig zunächst ohne Ansehen der Person erstmal Leben retten und sichern müssen, bevor es zu irgendeinem Heilungsansatz kommt, kommen die selbst ernannten "Gesundheits- und Ökonomie-Experten" der Leopoldina nicht. Stattdessen "vergaß" man völlig, dass das ärztliche Motto "RETTEN, HEILEN, LINDERN, SCHÜTZEN" lauten müsste. Vergleichbar mit dem globalen Leitmotiv aller Feuerwehren: "Retten, Löschen, Bergen, Schützen" www.feuerwehrverband.de/fileadmin/Inhalt/SERVICE/Allgemein/DFV-Informationen_Signet_DJF.pdf

Falsche Arbeitsplatzbeschreibung
Die Leopoldina wollte uns Ärztinnen und Ärzten in Klinik und Praxis allen Ernstes eine Arbeitsplatzbeschreibung mit "Krankheiten – soweit möglich – zu heilen, zu lindern und ihnen vorzubeugen" andienen, mit der die eminent wichtige und klinisch besonders relevante Rettungs-, Notfall- und Intensivmedizin schlichtweg unterschlagen wurde.

Populistische Vergleiche
Die Vergleiche waren populistisch gewählt: Man nahm staatliche Einheits-Krankenversicherungs-Systeme mit universeller Datenerfassung und "gläsernen" Bürgerinnen und Bürgern an, deren Schritte in Richtung Gesundheit oder Krankheit gnadenlos erfasst, therapiert, korrigiert und ökonomisiert werden. "Vergleicht man die Gesundheits-Outcomes in Deutschland mit denen in Schweden oder Dänemark – Länder, in denen der Anteil der Gesundheitsausgaben am BIP und die Bevölkerungsstruktur (??) ähnlich sind –, so wird deutlich: Die Qualität der Versorgung und die Effizienzkennzahlen sind in diesen Ländern in Teilen besser."

Acht irreführende Thesen
"1: Ökonomisches Handeln im Gesundheitssystem ist geboten – aber ausschließlich zum Wohl des einzelnen Patenten und der Gesellschaft
2: Mehr Geld macht ein System nicht automatsch leistungsfähiger
3: Vorhandene Überkapazitäten dürfen nicht dazu führen, dass außermedizinische Überlegungen die Indikatonsstellung beeinflussen
4: Eine Weiterentwicklung des DRG-Systems allein reicht nicht aus, um die ökonomischen Fehlentwicklungen zu beheben
5: Qualifiziertes medizinisches Personal ist derzeit im Grunde ausreichend vorhanden, aber auf zu viele Häuser verteilt
6: Eine angemessene Analyse des Gesundheitssystems braucht Transparenz und den Zugang zu Informationen
7: Wettbewer

Cora Schulze 20.03.201812:42 Uhr

Ja, aber..... oder mal kurz nachgedacht

Die Faktoren, die dazu führen, dass Patienten, die eigentlich auch im ambulanten Bereich behandelbar wären und es doch nicht werden sind sicherlich vielfältig. Ebenso vielfältig müssen die Ansätze sein, um die Aufgabe "ambulant vor stationär" zu bewältigen. Es ist sicherlich deutlich zu kurz gegriffen, wenn nur festgestellt wird, dass einige Patienten aufgrund des Therapiebedarfs, die die Erkrankung fordert auch im ambulanten Bereich hätte behandelt werden können. Die Verbesserung der sektorenübergreifenden Kommunikation/Überleitung ist sicherlich einer der Punkte. Dies aber nicht nur bei den Leistungserbringern, sondern auch auf Seiten der Kostenträger. So lange auf Seiten der Kostenträger in Kostenstellen gedacht wird, wird sich die Aufgabe "ambulant vor stationär" ebenso wenig umsetzen lassen, wie wenn es nicht zu einer Verbesserung der Schnittstellen der Leistungserbringer kommt. Wenn also die Kostenträger Leistungen im ambulanten Bereich nicht bewilligen, die den Vorsatz "ambulant vor stationär" ermöglichen würden und es in der Folge zu einer Eskalation der ambulanten Situation kommt, dann hätte der Patient theoretisch ambulant bleiben können. In der Versorgungsrealität konnte die Versorgung des Patienten aufgrund der fehlenden Kostenübernahme für die ambulanten Betreuung nicht versorgt werden. Dies führt zu einer Verbesserung der Zahlen beim Kostenträger für die ambulante Betreuung und schiebt die Kosten und den Patienten in den stationären Bereich. Hmmmmm.... wieso hat es wohl mit der Betreuung im ambulanten Bereich nicht funktioniert?!?

Es würde mich freuen, wenn diese kurze Rückmeldung zum Nachdenken anregen würde.
Freundliche Grüße
Cora Schulze
Betriebswirtin für Management im Gesundheitswesen

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