Umstrittene Gesetzespläne

Arbeitgeber warnen vor Tarifzwang in der Altenpflege

Versorgungsvertrag nur bei Tarifbindung? Pflegeanbieter laufen Sturm gegen Reformpläne von Gesundheitsminister Jens Spahn. Auch die Gewerkschaften sind unzufrieden – und kündigen Proteste an.

Thomas HommelVon Thomas Hommel Veröffentlicht:
Kassen sollen nach Plänen des Gesundheitsministeriums Versorgungsverträge nur noch mit Pflegeeinrichtungen abschließen können, deren Entlohnung sich nach einem bestehenden Tarifvertrag oder kirchlichen Arbeitsvertragsrichtlinien richtet.

Kassen sollen nach Plänen des Gesundheitsministeriums Versorgungsverträge nur noch mit Pflegeeinrichtungen abschließen können, deren Entlohnung sich nach einem bestehenden Tarifvertrag oder kirchlichen Arbeitsvertragsrichtlinien richtet.

© Robert Kneschke / Zoonar / picture alliance

Berlin. Arbeitgeber haben Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) vor Schnellschüssen beim geplanten Umbau in der Pflege gewarnt. Einige der zuletzt per Änderungsantrag eingebrachten Gesetzesvorschläge würden der Altenpflege nicht weiterhelfen.

Vielmehr entstehe der Eindruck, dass schnell etwas vereinbart werden solle „ohne die Folgen im Blick zu haben“, heißt es in einer Stellungnahme des Arbeitgeberverbands Pflege (AGVP) zu den Reformplänen.

Dass die tarifliche Entlohnung als Voraussetzung für einen Versorgungsvertrag einer Pflegeeinrichtung mit der Pflegekasse „zementiert“ werden solle, sei „klar verfassungswidrig“. Das Vorhaben verstoße gegen die Trägervielfalt, das Wirtschaftlichkeitsgebot und die institutionelle Selbstverwaltung.

„Klar verfassungswidrig“

Ablehnend äußert sich auch der bpa Arbeitgeberverband. Die vorgesehenen Änderungen zur Kopplung von Versorgungsverträgen an tarifliche Entlohnung seien mit „heißer Nadel“ gestrickt. Alle bekannten und angewandten tarifrechtlichen Regelungen würden dabei umgangen. Rechtsstreitereien seien programmiert.

Spahn will seine Pflegepläne auf den letzten Metern der Legislaturperiode über das Gesundheitsversorgungs-Weiterentwicklungsgesetz (GVWG) ins Sozialgesetzbuch XI hieven. Vorausgegangen war ein Scharmützel mit Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD). Das GVWG soll nächste Woche im Bundestag in zweiter und dritter Lesung verabschiedet werden.

Tsunami an Mehrkosten?

Die Tarifänderungen würden einen „Kostentsunami für die Pflegekassen“ auslösen, da überall nach dem Tarifrecht des Öffentlichen Dienstes bezahlt werden müsse, warnt der AGVP. Prognostizierte Ausgaben von 2,5 Milliarden Euro würden „um den Faktor 3 übertroffen“. Letztlich müssten Beschäftigte und Arbeitgeber dies über steigende Sozialabgaben schultern.

Skeptisch äußert sich der AGVP auch zur geplanten Deckelung des pflegebedingten Eigenanteils. Vor allem in den ostdeutschen Ländern drohe ein Heimplatz dadurch zum „Luxusgut“ zu werden. Kommunen müssten sich auf eine Antragsflut zur Hilfe zur Pflege einstellen, was die ohnehin klammen Haushalte weiter belaste.

Verdi: Furcht vor Missbrauch

Gegenwind kommt auch von der Gewerkschaftsseite. Die geplante Regelung, wonach Kassen Versorgungsverträge nur noch mit Pflegeeinrichtungen abschließen sollen, deren Entlohnung sich nach einem bestehenden Tarifvertrag oder kirchlichen Arbeitsvertragsrichtlinien richte, sei korrekturbedürftig.

Denn demnach könne „ein von irgendwelchen Pseudogewerkschaften in irgendeiner Einrichtung abgeschlossener Haustarifvertrag zum Maßstab genommen werden“, sagte Sylvia Bühler vom Verdi-Bundesvorstand. Nötig sei die Anerkennung von in der Branche relevanten Flächentarifverträgen.

Die pflegebedingten Eigenanteile seien zudem ab dem ersten Tag und nicht erst nach zwölf Monaten zu deckeln, forderte Bühler. Zudem seien sie „perspektivisch“ auf null zu senken. Ansonsten glitten viele Pflegebedürftige in Altersarmut ab.

Bühler kündigte an, zum „Tag der Pflegenden“ am 12. Mai wollten Beschäftigte mit landesweiten Aktionen ihren Unmut über die aktuelle Pflegepolitik zum Ausdruck bringen. Spahn habe viel versprochen. „Aber im beruflichen Alltag sind noch keine Verbesserungen angekommen.“

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Kolumne aus Berlin

Die Glaskuppel zur Pflegereform: Keine Placebos, bitte!

Das könnte Sie auch interessieren
Innovationsforum für privatärztliche Medizin

© Tag der privatmedizin

Tag der Privatmedizin 2025

Innovationsforum für privatärztliche Medizin

Kooperation | In Kooperation mit: Tag der Privatmedizin
Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer und Vizepräsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, hofft, dass das BMG mit der Prüfung des Kompromisses zur GOÄneu im Herbst durch ist (Archivbild).

© picture alliance / Jörg Carstensen | Joerg Carstensen

Novelle der Gebührenordnung für Ärzte

BÄK-Präsident Reinhardt: Die GOÄneu könnte 2027 kommen

Der Gesundheitsdialog

© Janssen-Cilag GmbH

J&J Open House

Der Gesundheitsdialog

Kooperation | In Kooperation mit: Johnson & Johnson Innovative Medicine (Janssen-Cilag GmbH)
Impulse für den medizinischen Fortschritt: Welches Mindset braucht Deutschland?

© Springer Medizin

Johnson & Johnson Open House-Veranstaltung am 26. Juni 2025 beim Hauptstadtkongress

Impulse für den medizinischen Fortschritt: Welches Mindset braucht Deutschland?

Kooperation | In Kooperation mit: Johnson & Johnson Innovative Medicine (Janssen-Cilag GmbH)
J&J Open House beim Hauptstadtkongress

© [M] Springer Medizin Verlag

Video zur Veranstaltung

J&J Open House beim Hauptstadtkongress

Kooperation | In Kooperation mit: Johnson & Johnson Innovative Medicine (Janssen-Cilag GmbH)
Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Mehr als ein oberflächlicher Eingriff: Die Krankenhausreform verändert auch an der Schnittstelle ambulant-stationär eine ganze Menge.

© Tobilander / stock.adobe.com

Folgen der Krankenhausreform für niedergelassene Ärztinnen und Ärzte

Die Klinikreform bringt Bewegung an der Schnittstelle zwischen Praxen und Krankenhäusern

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: der Deutschen Apotheker- und Ärztbank (apoBank)
Detailansicht eines Windrades: Bringt eine ökologisch nachhaltige Geldanlage auch gute Rendite? Anleger sollten auf jeden Fall genau hinschauen.

© Himmelssturm / stock.adobe.com

Verantwortungsbewusstes Investment

„Nachhaltig – das heißt nicht, weniger Rendite bei der Geldanlage!“

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: der Deutschen Apotheker- und Ärztebank (apoBank)
Manchmal kommt Künstliche Intelligenz ziemlich abstrakt daher. Doch es gibt zunehmend auch konkrete Anwendungen, sogar für Arztpraxen.

© 3dkombinat - stock.adobe.com

Praxisorganisation

Mit KI zu mehr Entlastung fürs Praxisteam

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Doctolib GmbH
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Vermögensforscher im Interview

Welche Eigenschaften helfen, reich zu werden

Lesetipps
Ein Arzt untersucht das Knie eines Patienten.

© gilaxia / Getty Images / iStock

Kniegelenk

Neue Gonarthrose-Leitlinie setzt mehr auf Eigeninitiative

Collage von Bildern

© Frau: nenetus / stock.adobe.com | Rücken links: Dr. P. Marazzi / Science Photo Library | Arm: ZOKO / stock.adobe.com | Rücken rechts: Eva Valesky (2) | HG: Phokin / stock.adobe.com

Falsches Label?

Verdacht auf Betalaktam-Allergie: Was tun, wenn die Patientin ein Antibiotikum braucht?

Was ist bei Impfungen von Menschen mit Erdnussallergie zu beachten?

© Porträt: privat | Spritze: Fied

Sie fragen – Experten antworten

Was ist bei Impfungen von Menschen mit Erdnussallergie zu beachten?