Gesundheitsämter

Bundesweite Systemlösung zur Kontaktnachverfolgung nicht in Sicht

Bund und Länder wollen die einheitliche Software SORMAS bei den Gesundheitsämtern einsetzen, um die Corona-Kontaktverfolgung zu erleichtern. Der Deutsche Landkreistag hält den systematischen Umstieg nicht für erstrebenswert – und schreibt einen Brief an den Bundesgesundheitsminister. Aus der Koalition gabs dafür harsche Schelte.

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Mitarbeiter des Gesundheitsamtes Berlin-Mitte nutzen zur Kontaktnachververfolgung SORMAS. Der Landkreistag beurteilt einen flächendeckenden Umstieg auf dieses System ausgesprochen skeptisch. (Archivfoto)

Mitarbeiter des Gesundheitsamtes Berlin-Mitte nutzen zur Kontaktnachververfolgung SORMAS. Der Landkreistag beurteilt einen flächendeckenden Umstieg auf dieses System ausgesprochen skeptisch. (Archivfoto)

© Britta Pedersen / dpa-Zentralbil

Berlin. Eine bundesweit einheitliche Systemlösung zur Kontaktnachverfolgung und zur Unterbrechung von Infektionsketten ist weiterhin nicht in Sichtweite.

Der Deutsche Landkreistag hält ein flächendeckendes Umsteigen der Kommunen auf die Kontaktverfolgungssoftware SORMAS (Surveillance Outbreak Response Management and Analysis System) für „weder erstrebenswert, noch derzeit erreichbar“.

Schnittstellen fehlen

Das so angepeilte Ergebnis, die Beschäftigten in den Gesundheitsämtern vor Ort bei ihrer Arbeit von unnötigem Aufwand zu entlasten, werde damit nicht erzielt, heißt es in einem Schreiben des Landkreistages an Gesundheitsminister Jens Spahn und Kanzleramtsminister Helge Braun, das der „Ärzte Zeitung“ vorliegt.

Am 19. Januar hatten sich Bund und Länder darauf geeinigt, SORMAS bis Ende Februar in allen Ämtern installieren zu lassen. Die Gesundheitsministerkonferenz der Länder hat zwischenzeitlich allerdings auf Umseztzungsprobleme verwiesen.

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Der Landkreistag verweist in seinem Schreiben mit Datum 28. Januar nun darauf, dass es beim Infektionsschutz in den Ämtern nicht an digitalen Anwendungen fehle, sondern an Schnittstellen. Zum Beispiel seien die digitalen Meldewege in Richtung Robert Koch-Institut einseitig auf SORMAS ausgelegt. Tatsächlich nutzten aber nur 80 Landratsämter die Software.

Nicht kompatibel mit bestehenden Systemen

Vordringlich müssten daher die Schnittstellen zu anderen digitalen Anwendungen und für den Austausch der Gesundheitsämter untereinander angegangen werden.

SORMAS bediene zudem nur den Infektionsschutz und sei mit bestehenden Systemen in der Kommunalverwaltung nicht kompatibel. Ein Umstieg im Verlauf der Pandemie würde zu erheblichen Mehrbelastungen, zu doppelten Datensätzen und zusätzlichen Medienbrüchen in den Verwaltungen führen, warnen die Vertreter des Landkreistages.

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Der Landkreistag vertritt 290 der rund 400 Gesundheitsämter. Auch in Zukunft wollten die Landkreise die Weiterentwicklung von SORMAS konstruktiv begleiten, betonen die Autoren des Briefes. Auf die etablierten Systeme wollen die Kreise aber nicht „leichthin verzichten“.

Die umfassten alle Aufgaben der Gesundheitsämter, auch die über den Infektionsschutz hinaus und seien zudem mit den EDV-Infrastrukturen der jeweiligen Landkreise verknüpft. „All dies wäre bei einer vorzunehmenden Neueinführung von SORMAS nicht gegeben (…)“, schreibt der Landkreistag.

Mattheis schilt die „Kleinstaaterei“

Harsche Kritik kam von der SPD-Abgeordneten Hilde Mattheis. „Ich kann dieses kleinstaaterische Denken von Seiten des Landkreistages nicht nachvollziehen“, sagte Mattgheis am Dienstag. Eine bundeseinheitliche Vernetzung zur Kontaktverfolgung sei nötig, damit die Gesundheitsämter auf ein globales Phänomen wie die Corona-Pandemie schnell reagieren könnten.

Anpassungsschwierigkeiten dürften keine Entschuldigung dafür sein, sich neuen Technologien zu verschließen. Sie erwarte, dass die Beschlüsse von Bund und Ländern zur Einführung umgesetzt würden, sagte die Gesundheitspolitikerin. (af)

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