Coronavirus

Spahn nimmt jeden Bürger in die Pflicht

Gesundheitsminister Jens Spahn setzt in der „Coronakrise“ weiter auf Eindämmung der Epidemie und sieht jeden in der Verantwortung. Das Robert Koch-Institut meldet derweil über 1100 Infektionsfälle in Deutschland.

Thomas HommelVon Thomas Hommel Veröffentlicht:
„Lieber mal auf ein Konzert oder Fußballspiel verzichten“: Bundesgesundheitsminister Jens Spahn mit Professor Christian Drosten (M), Direktor des Instituts für Virologie an der Charité Berlin, und RKI-Präsident Lothar H. Wieler bei der Bundespressekonferenz zur Ausbreitung des Coronavirus.

„Lieber mal auf ein Konzert oder Fußballspiel verzichten“: Bundesgesundheitsminister Jens Spahn mit Professor Christian Drosten (M), Direktor des Instituts für Virologie an der Charité Berlin, und RKI-Präsident Lothar H. Wieler bei der Bundespressekonferenz zur Ausbreitung des Coronavirus.

© Bernd von Jutrczenka/dpa

Berlin. Bei der Eindämmung des neuartigen Coronavirus (SARS-CoV-2) sieht Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) jeden Bundesbürger in der Verantwortung.

Es komme jetzt darauf an, „die Möglichkeiten des Virus zu verringern, sich im alltäglichen Kontakt der Menschen auszubreiten. Dazu brauchen wir die gesamte Gesellschaft“, sagte Spahn am Montag vor der Bundespressekonferenz.

Gleiche Verhaltensweisen wie bei Erkältung oder Grippe

Wegen der gleichen Übertragungswege seien bei SARS-CoV-2 dieselben Verhaltensweisen und Vorkehrungen nötig wie bei einer Erkältung oder einer Grippe, sagte Spahn. „Der einzige Unterschied ist, es gibt hier noch keine Impfung.“

Diese Erkenntnis mache es für „jeden Haushalt, jede Familie, jeden Betrieb, jede Kita, jede Schule“ leichter zu wissen, wie mit infizierten Personen umzugehen sei. „Alles genauso machen, als würde man sich im Alltag vor Erkältung oder Grippe schützen.“

„Oberstes Ziel“ sei weiter, „die Dynamik der Virus-Epidemie zu verlangsamen und unser Gesundheitssystem funktionsfähig zu halten“, betonte der Minister. Dabei sei zu entscheiden: „Worauf können wir verzichten für mehrere Wochen und Monate?“

Gilt auch für CDU-Parteitag

Es sei sicher einfacher, Konzerte und Fußballspiele nicht zu besuchen als auf den Weg zur eigenen Arbeit zu verzichten. Letzterer lasse sich für manchen auch mal per Fuß oder Fahrrad statt mit öffentlichen Verkehrsmitteln bewerkstelligen.

Spahn wiederholte seine Empfehlung, Veranstaltungen mit über 1000 Teilnehmern abzusagen. Grundsätzlich gelte, dass die zuständigen Gesundheitsbehörden vor Ort je nach Situation entscheiden müssten. Das sei laut Infektionsschutzgesetz „schlichtweg“ Rechtslage und gelte im Übrigen auch für den am 25. April geplanten CDU-Parteitag in Berlin. Dort wollen die Christdemokraten einen neuen Vorsitzenden wählen.

In 80 Prozent der Fälle milde Symptome

Etwa 80 Prozent der bisherigen Infektionen gingen mit milden Symptomen einher, sagte Spahn. Das größte Risiko für schwerere Verläufe hätten ältere Menschen ab 65 Jahren und chronisch Kranke.

Um sie gut behandeln zu können, brauche es eine ausreichende Zahl verfügbarer Intensivbetten und genügend Möglichkeiten zur künstlichen Beatmung. Mit 28.000 Intensivbetten verfüge Deutschland auch international gesehen über eine „gute Ausstattung“, betonte Spahn.

Laut Robert Koch-Institut (RKI) sind in Deutschland – Stand Montagmorgen (9. März) – in Deutschland über 1100 Menschen infiziert. Betroffen seien knapp 200 Landkreise in 15 Bundesländern, sagte RKI-Präsident Professor Lothar H. Wieler. Am stärksten ausgeprägt sei das Infektionsgeschehen aktuell in Heinsberg, Aachen, München, Köln und Freiburg. Im Laufe des Tages wurde bekannt, dass in Deutschland erstmals zwei Menschen an den Folgen der SARS-CoV-2-Infektion gestorben sind. Beide Todesfälle gab es in NRW, wie Behörden mitteilten.

Weiter steigende Fallzahlen

Arztpraxen und Kliniken müssten sich auf weiter steigende Fallzahlen einstellen, sagte Wieler. Gleichzeitig müssten Ärzte und Pflegekräfte „ganz besonders“ geschützt werden, da sie ein hohes Risiko trügen, sich anzustecken. Bei der Versorgung von Menschen mit Atemwegssymptomen sollten sie daher unbedingt Mund-Nasen-Schutz und Schutzbrille tragen.

Zur Eindämmung des Virus könne jeder einen Beitrag leisten, betonte auch Wieler. Dazu gehöre, sich zu informieren, regelmäßig die Hände zu waschen, in den Ellbogen zu husten und zu niesen und auf das Händeschütteln zu verzichten.

Arztpraxen sollten nur aufgesucht werden, wenn nötig. „Je mehr Menschen sich an diese Regeln halten, desto schwerer wird es für das Coronavirus, sich auszubreiten.“

Selbstabstriche „unproblematisch“

Der Leiter der Virologie an der Berliner Charité, Professor Christian Drosten, dämpfte unterdessen die Hoffnung, dass sich das Virus im Zuge milderer Temperaturen vollends zurückdrängen lasse.

„Das wird uns Rückenwind geben bei den Eindämmungsmaßnahmen. Keine Frage, das kann man nicht wegdiskutieren.“ Gleichwohl dürfe man nicht erwarten, dass das Virus „zum Stillstand“ komme.

Es sei davon auszugehen, dass es in den nächsten Wochen und Monaten trotz steigender Temperaturen zu einem Anstieg der Fallzahlen bei SARS-CoV-2 komme.

Praxen mit vielen pragmatischen Lösungen

Die von der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) vorgetragene Empfehlung, Patienten sollten – falls anders nicht möglich – selbst einen Abstrich auf eine mögliche Infektion mit SARS-CoV-2 vornehmen, stufte Dorsten als „unproblematisch“ ein.

„Das gehört sicherlich zu den vielen pragmatischen Lösungen, die wir inzwischen aus der niedergelassenen Ärzteschaft hören.“ Natürlich müsse es sich um einen „koordinierten Patienten“ handeln, der in der Lage dazu sei, in den Spiegel zu schauen und einen Abstrich zu machen.

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