Arbeiten ohne MFA

Der Doktor allein zu Haus

Protest auf Probe: Dr. Axel Schroeder, Präsident des Urologenverbandes, hat am Mittwoch ohne seine MFA gearbeitet. Ein Protokoll aus dem Wartezimmer.

Dirk SchnackVon Dirk Schnack Veröffentlicht:
Alles selber machen - das hält auf.

Alles selber machen - das hält auf.

© Schnack

NEUMÜNSTER. "400 Euro Stundenlohn muss ein Arzt schon verdienen: seine ganzen Kosten, und dann sind da ja auch Frau und Kinder."

Patient Nummer sieben setzt den benötigten Verdienst eines Arztes ganz weit oben an. Patient Nummer sechs schaut ihn skeptisch von der Seite an. "Am Hungertuch nagen die Herren ja nicht gerade."

Im Wartezimmer von Dr. Axel Schroeder ist die Diskussion über Ärztehonorare in vollem Gange.

Die Patienten sind ungewohnt gesprächig, weil heute vieles anders läuft als sonst: der Urologe beteiligt sich an der bundesweiten Aktion und hat seine Mitarbeiterinnen für einen Tag in den Urlaub geschickt.

Das sorgt für Irritationen, Gesprächsstoff und einen anstrengenden Alltag für den Praxisinhaber.

Die Patienten sechs und sieben warten jetzt seit rund 30 Minuten. Angefangen hat der Tag für Schroeder gegen 7.45 Uhr, er ist heute eine halbe Stunde früher gekommen.

Der Anrufbeantworter ist eingerichtet, das Telefon wird heute nicht abgenommen. Schroeder ist von der Aktion überzeugt: "Wir müssen ein Signal setzen. Die Kassen halten das Geld, das in der Versorgung fehlt."

Dafür nimmt er einen Tag in Kauf, der ihm in Erinnerung bleiben wird:

7.50 Uhr: Der erste Patient ist schon zehn Minuten vor der Zeit in der Praxis. Das ermöglicht dem Arzt, sich in Ruhe mit dem Einlesen der Karte und der Patientendaten in das Praxisprogramm zu beschäftigen.

Der Patient darf noch kurz Platz nehmen. Die Aktion? "Das wird schon seine Berechtigung haben", lautet das schnelle Urteil.

Noch bevor Patient Nummer eins die im Wartezimmer bereit gestellten Informationen überfliegen kann, holt der Arzt ihn ins Behandlungszimmer.

8.00 Uhr: Die Behandlung des ersten Patienten läuft noch, als der zweite klingelt. Schroeder eilt zur Tür, begrüßt den Stammpatienten mit Handschlag. Er darf erst mal Platz nehmen, der Arzt muss zurück ins Behandlungszimmer.

8.05 Uhr: Die erste Behandlung ist beendet, die Formalien für den zweiten folgen. Wieder sitzt der Arzt am Praxistresen und sucht sich durch das Verwaltungsprogramm.

"Schuld ist auf jeden Fall die Politik", steht für den Patienten fest. Dass Hausärzte noch mit 70 Jahren arbeiten müssen, sei ein Unding. "Wenn die nichts für die Gesellschaft tun, wer dann?"

8.15 Uhr: Patient Nummer drei wird vom Reporter eingelassen. Etwas unschlüssig hört er sich an, was heute passiert.

Aber der Termin steht seit drei Monaten, nun will er nicht verschieben. Er nutzt die Zeit, um sich im Wartezimmer zu informieren.

8.17 Uhr: Patient Nummer vier kommt in die Praxis, die Tür ist nur noch angelehnt. Er sieht erstaunt, dass der Arzt selbst hinter dem Tresen sitzt.

"Guten Morgen, heute bin ich mal ganz allein", begrüßt er den Patienten. Er erklärt die Aktion, während er ins Labor eilt. Auch dort fehlen die Mitarbeiterinnen.

8.27 Uhr: Patient Nummer zwei verabschiedet sich, im Wartezimmer sitzen inzwischen drei Patienten. Schroeder hat alle Daten schon im Computer gespeichert, sein Ablaufplan funktioniert.

Aber: "Sonst bekomme ich die Namen mit allen erforderlichen Daten im Sprechzimmer angezeigt. Das hier hält auf", sagt Schroeder.

8.30 Uhr: Patient Nummer fünf liest auf dem Bildschirm eine Information des Berufsverbands der Urologen: "Was Politiker behaupten - und was wirklich stimmt."

Der Mann schüttelt den Kopf. Ob er auf Wartezeit eingestellt ist? "Ist man ja immer. Eine halbe Stunde nehme ich in Kauf."

Und die Ärzteforderung? Der Patient zuckt mit den Schultern. Die eigenen gesundheitlichen Sorgen sind heute wichtiger.

8.45 Uhr: Vor der Tür warten die Patienten sechs und sieben. Der Arzt behandelt, die Patienten warten, der Reporter öffnet. Großes Erstaunen.

Zunächst stehen beide unschlüssig vor dem Tresen. Umkehren kommt nicht in Frage. Mit dem Arzt kommt die Diskussion in Gang, die im Wartezimmer fortgeführt wird.

Patient acht kommt hinzu. Als Privatpatient stellt er klar, dass er längere Wartezeiten nicht akzeptiert. Auch Nummer sieben ist in der PKV. Weil seine Behandlung dauern wird, bietet er Nummer acht den Vortritt.

9.00 Uhr: Das Wartezimmer ist voll, Schroeder bleibt trotzdem ruhig. Er ist ständig präsent, eilt zwischen Sprechzimmern, Praxistresen und Labor hin und her.

Zwischendurch drückt er Patienten einen Plastikbecher in die Hand und schickt sie zum WC.

9.10 Uhr: Ein unangemeldeter Patient kommt. Schroeder erklärt ihm die besondere Situation, der Patient lässt sich einen anderen Termin geben.

9.15 Uhr: Ein Patient will seine Unterlagen für eine Vorbesprechung in der Klinik abholen. Schroeder weiß zwar, dass seine Mitarbeiter das vorbereitet haben, findet auf die Schnelle aber nicht die Unterlagen. Der Patient soll später wiederkommen.

9.25 Uhr: Patient Nummer sieben öffnet noch immer die Tür: "Kommen Sie rein, die Mädchen sind heute nicht da." Er freut sich: "Es geht fast familiär zu."

9.45 Uhr: Ein selbstständiger Handwerker ist gekommen und schaut anerkennend zu, wie Schroeder die Formalitäten selbst erledigt.

"Das könnte ich nicht. Ohne meine Mitarbeiter wäre ich aufgeschmissen." Auch Schroeder weiß, was er an seinen Angestellten hat.

Um 10 Uhr zieht er ein Fazit. "Die Verwaltung ist die größte Herausforderung. Es ist ideal, wenn man sich nur um die Behandlung kümmern kann."

Zu Mittag hofft er auf eine erste Tasse Kaffee, um 17 Uhr kommt Verstärkung. Am Donnerstag soll es mit den MFA wieder normal laufen.

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Kommentare
Carl Scherer 13.09.201208:21 Uhr

Und wen hat das jetzt geschädigt ?

Die Krankenkasse ?
Die Patienten ?
Nein, nur den Arzt , der seinem Herzinfarkt noch näher gekommen ist.
Solche Aktionen sind vollkommen sinnlos.
Die einzige Aktion,die Wirkung zeigen wird,wird heute Mittag als
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