Geplatzte Jamaika-Koalition

Diese Gesundheitsthemen lassen die Sondierer liegen

Die Manager im Gesundheitswesen sind nach dem Scheitern des Jamaika-Bündnisses nicht orientierungs. Aber: Sie warten dringend auf Impulse des Gesetzgebers – auf diesen Gebieten.

Florian StaeckVon Florian Staeck und Anno FrickeAnno Fricke Veröffentlicht:

BERLIN. Nach dem Scheitern der Sondierungen über eine Jamaika-Koalition wird das Gesundheitswesen in Deutschland für eine längere Zeit ohne politische Impulse auskommen müssen. Diese politische Karenzzeit lässt die Akteure im Gesundheitswesen nicht orientierungslos zurück.

So hat die Selbstverwaltung mit der Umsetzung des Reformreigens unter Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) noch ausreichend zu tun. Doch bei einigen Sachthemen dürfte die Ungeduld wachsen – die Stakeholder warten auf Leitplanken des Gesetzgebers. Eine nicht-abschließende Übersicht:

  • GKV-Finanzierung: Das geltende Konzept der Zusatzbeiträge stellt mittlerweile keine Partei mehr zufrieden. Nicht zuletzt deshalb stand eine Deckelung der Zusatzbeiträge auf der Agenda der Sondierer. Strittig war nur noch die Bezifferung der maximalen Höhe – 1,1 oder 1,5 Prozent. Eng verknüpft mit den Zusatzbeiträgen ist der Risikostrukturausgleich zwischen den Kassen. Ersatz-, Betriebs- und Innungskassen fordern im Gegensatz zur AOK-Familie eine rasche Reform des Morbi-RSA. Diese Kassen beklagen ein wachsendes Ungleichgewicht bei den Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds. Dass der durchschnittliche Zusatzbeitrag im kommenden Jahr von 1,1 auf 1,0 Prozent gesenkt wird, dürfte finanzschwache Kasse mit überdurchschnittlichem Zusatzbeitrag noch stärker unter Druck bringen.
  • Pflege: Auf den Stationen der Krankenhäuser fehlen nach Einschätzung von Fachleuten rund 100.000 Pflegekräfte, in den Altenheimen kann der Fehlstand in den kommenden Jahren auf 300.000 bis 400.000 steigen. Diese Situation hatten alle "Jamaika"-Verhandler zur Kenntnis genommen. Schließlich arbeitet zurzeit etwa 5,6 Prozent weniger Pflegepersonal in Kliniken als vor 17 Jahren. In der gleichen Zeit hat die Zahl der Ärzte um mehr als 40 Prozent zugenommen. Das Sofortprogramm, mit dem Union, FDP und Grüne die Missstände angehen wollten, liegt nun auf Eis. Geplant waren eine Ausbildungsoffensive, ein Wiedereinstiegsprogramm, mehr Gesundheitsvorsorge für die Beschäftigten und die Weiterqualifizierung von Pflegehelfern. Eines war den Jamaika-Verhandlern klar: Ohne höhere Löhne würde es kein neues Personal geben. Deshalb wollten sie die volle Refinanzierung von Tarifsteigerungen in Krankenhäusern beschließen. Unionspolitiker forderten an dieser Stelle auch mehr Engagement der Länder ein. Schon heute lassen sich in den Krankenhäusern rund 10.000 Stellen nicht besetzen. In der Altenpflege gibt es 20.000 freie Stellen.
  • Notfallversorgung: Kooperation verbessern, vernetzte regionale Versorgung aufbauen – sehr früh im Sondierungspoker waren sich die vier gescheiterten Jamaikaner über diese Ziele einig. Die Reform der Notfallversorgung hätte das Muster für dieses Vorhaben sein sollen. Der Gesundheits-Sachverständigenrat hat dazu einen detaillierten Reformplan vorgelegt. Das vollständige Gutachten der Gesundheitsweisen wird erst im Juli vorgestellt werden.
  • E-Health: Ein Arztinformationssystem soll Ärzte bei der Verordnung neuer Arzneimittel unterstützen. Ob die nötige Rechtsverordnung aus dem Bundesgesundheitsministerium in ein politisches Vakuum lanciert wird, ist fraglich. Stoff für ein E-Health-Gesetz II böte die digitale Patientenakte. Einzelne Kassen wollen ab 2018 eigene Lösungen anbieten. Die KBV hat dafür technische Standards angemahnt.
  • Arzneimittelversand: Durch ein EuGH-Urteil ist der Versand verschreibungspflichtiger Medikamente seit Herbst 2017 –ungeregelt – freigegeben. Die Jamaika-Sondierer stritten bis zuletzt über den Unions-Wunsch, den Versandhandel zu verbieten. Jetzt ruht die Suche nach Kompromisslösungen. Große Versandhändler können in der Zwischenzeit auf dem Markt Fakten schaffen.
Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema
Das könnte Sie auch interessieren
Innovationsforum für privatärztliche Medizin

© Tag der privatmedizin

Tag der Privatmedizin 2025

Innovationsforum für privatärztliche Medizin

Kooperation | In Kooperation mit: Tag der Privatmedizin
Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer und Vizepräsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, hofft, dass das BMG mit der Prüfung des Kompromisses zur GOÄneu im Herbst durch ist (Archivbild).

© picture alliance / Jörg Carstensen | Joerg Carstensen

Novelle der Gebührenordnung für Ärzte

BÄK-Präsident Reinhardt: Die GOÄneu könnte 2027 kommen

Der Gesundheitsdialog

© Janssen-Cilag GmbH

J&J Open House

Der Gesundheitsdialog

Kooperation | In Kooperation mit: Johnson & Johnson Innovative Medicine (Janssen-Cilag GmbH)
Impulse für den medizinischen Fortschritt: Welches Mindset braucht Deutschland?

© Springer Medizin

Johnson & Johnson Open House-Veranstaltung am 26. Juni 2025 beim Hauptstadtkongress

Impulse für den medizinischen Fortschritt: Welches Mindset braucht Deutschland?

Kooperation | In Kooperation mit: Johnson & Johnson Innovative Medicine (Janssen-Cilag GmbH)
J&J Open House beim Hauptstadtkongress

© [M] Springer Medizin Verlag

Video zur Veranstaltung

J&J Open House beim Hauptstadtkongress

Kooperation | In Kooperation mit: Johnson & Johnson Innovative Medicine (Janssen-Cilag GmbH)
Kommentare
Sonderberichte zum Thema

Ist das AMNOG bereit für HIV-Innovationen?

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Gilead Sciences GmbH, Martinsried
Mehr als ein oberflächlicher Eingriff: Die Krankenhausreform verändert auch an der Schnittstelle ambulant-stationär eine ganze Menge.

© Tobilander / stock.adobe.com

Folgen der Krankenhausreform für niedergelassene Ärztinnen und Ärzte

Die Klinikreform bringt Bewegung an der Schnittstelle zwischen Praxen und Krankenhäusern

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: der Deutschen Apotheker- und Ärztbank (apoBank)
Manchmal kommt Künstliche Intelligenz ziemlich abstrakt daher. Doch es gibt zunehmend auch konkrete Anwendungen, sogar für Arztpraxen.

© 3dkombinat - stock.adobe.com

Praxisorganisation

Mit KI zu mehr Entlastung fürs Praxisteam

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Doctolib GmbH
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Sie fragen – Experten antworten

Welche Studien helfen im Umgang mit impfbesorgten Eltern?

Lesetipps
Eine Frau nimmt eine Tablette ein

© Robert Kneschke / Zoonar / picture alliance

Lipidtherapie

Erster oraler PCSK9-Hemmer Enlicitide senkt LDL-Cholesterin