Gesundheitsschutz

EU-Forschungsallianz knöpft sich Chemikalien-Risiken vor

Wie kanzerogen, mutagen oder reproduktionstoxisch sind einzelne Chemikalien? Die EU sucht die Antwort darauf in einem ambitionierten Forschungsprogramm zur Risikobewertung von Chemikalien.

Matthias WallenfelsVon Matthias Wallenfels Veröffentlicht:
Wie gefährlich sind einzelne Chemikalien für Mensch, Tier und Umwelt? PARC soll es herausfinden.

Wie gefährlich sind einzelne Chemikalien für Mensch, Tier und Umwelt? PARC soll es herausfinden.

© allOver / TPH | Karl Thomas / picture alliance

Paris/Berlin. Die Europäische Union setzt offensichtlich immer mehr auf die Gesundheitskarte. Jüngster Paukenschlag: Unter der Koordination der ANSES, der französischen Behörde für Lebensmittelsicherheit, Umwelt- und Arbeitsschutz, arbeiten 200 Institutionen aus 28 Ländern und drei EU-Behörden zusammen, um die Risikobewertung von Chemikalien effektiver zu gestalten.

Unter anderem geht es bei dem Projekt „PARC“ („European Partnership for the Assessment of Risks from Chemicals“/ „Europäische Partnerschaft für die Risikobewertung von Chemikalien“) um die Frage, wie kanzerogen, reproduktionstoxisch oder mutagen einzelne Chemikalien sind.

PARC soll die Chemikalienstrategie der EU und den „Europäischen Green Deal“ unterstützen, dessen Ziel eine deutliche Minderung von gesundheitsschädlichen Stoffen ist. Finanziert wird die Fördersumme für PARC in Höhe von 400 Millionen Euro zur Hälfte durch die EU aus Mitteln des Wissenschaftsförderprogramms Horizon Europe, den Rest bringen die jeweiligen Partnerländer auf. Das Projekt, das auf sieben Jahre angelegt ist, soll unter anderem die EU-Krebsmission flankieren.

BfR und UBA im Boot

Von deutscher Seite führend beteiligt sind das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) und das Umweltbundesamt (UBA). „PARC ist das größte Projekt seiner Art und ein wissenschaftlicher und regulatorischer Meilenstein in Europa“, verdeutlicht Dr. Tewes Tralau, Leiter der Abteilung „Sicherheit von Pestiziden“ am BfR. „Gemeinsam mit seinen Partnern will das BfR das hohe Schutzniveau für Mensch und Umwelt auf ein neues Niveau heben.“

Dr. Lilian Busse, Vizepräsidentin des UBA, verweist zudem auf den übergeordneten politischen Auftrag der PARC-Mission: „Wir hoffen dadurch dem EU-Ziel einer schadstofffreien Umwelt einen großen Schritt näher zu kommen, und so maßgeblich zu einer nachhaltigen Entwicklung in Deutschland und Europa beizutragen.“ Das BfR leitet im Rahmen von PARC das Arbeitspaket Toxikologie. Das UBA leitet das Arbeitspaket Monitoring und Belastung.

Ein wesentliches Ziel von PARC ist es laut BfR, die europäische Zusammenarbeit zu fördern, die Forschung voranzubringen, das Wissen um die Risikobewertung von Chemikalien zu erweitern und die entsprechenden methodischen Fertigkeiten zu schulen. Die Ergebnisse sollen helfen, europäische und nationale Strategien auf den Weg zu bringen, mit denen das Risiko durch gefährliche chemische Stoffe für Gesundheit und Umwelt reduziert wird. Sie sollen außerdem dazu beitragen, die Anzahl von Tierversuchen zu verringern und Risikobewertungsstrategien der nächsten Generation zu verwirklichen.

Biomonitoring: Kontinuität gewahrt

PARC basiert auf den Strukturen und Erkenntnissen früherer Vorhaben, unter anderem der nun auslaufenden „European Human Biomonitoring Initiative“ (HBM4EU), die Flagschiff-Maßnahme „Mechanism-based Toxicity Testing and Risk Assessment for the 21st Century“ (EU-ToxRisk), dem „Animal-free Safety Assessment of Chemicals“ (ASPIS)-Cluster und dem „European Cluster to Improve Identification of Endocrine Disruptors“ (EURION).

Das PARC-Programm verfolgt drei Hauptziele:

Weiterentwicklung eines EU-weiten, fächerübergreifenden Netzwerkes ¨– mit dessen Hilfe sollen Forschung und Innovation in der Chemikalienbewertung gefördert werden und deren Ergebnisse in die Regulierung von Chemikalien Eingang finden;

Initiierung gemeinsamer EU-Forschungsprojekte bei dringlichen Themen – auf diese Weise soll die Risikobewertung unterstützt und auf neue Herausforderungen reagiert werden;

Stärkung bereits existierender Forschungskapazitäten – zugleich sollen EU-weite, fächerübergreifende Plattformen aufgebaut werden, um der Risikobewertung von Chemikalien neue Impulse zu geben.

Im vom BfR verantworteten Arbeitspaket geht es um folgende Ziele:

Verbesserung des gesundheitlichen Verbraucherschutzes durch das Schließen von Datenlücken für die Risikobewertung von möglicherweise gefährlichen Stoffen;

Entwicklung und Verbesserung innovativer und prädiktiver Methoden, die unmittelbar zur Identifizierung chemischer Gefahren, zur Risikobewertung und zur Regulierung dieser Stoffe beitragen;

Verbesserung von Risikobewertungskonzepten zum Schutz der Gesundheit und der Umwelt;

Weiterentwicklung von Methoden, die alternativ zum Tierversuch eingesetzt werden können sowie

Aufbau eines europaweiten Netzwerks von Toxikologinnen und Toxikologen als Beitrag zu einem einheitlichen Vorgehen bei der Risikobewertung von Chemikalien in Europa

In dem vom UBA verantworteten Arbeitspaket geht es um folgende Ziele:

Etablierung eines EU-weiten, nachhaltigen Human-Biomonitorings u. a. in Fortführung der HBM4EU-Arbeiten;

Integration der Betrachtung von Umwelt- und Gesundheitsbelastung im Sinne des Ansatzes der planetaren Gesundheit;

Weiterentwicklung bestehender Monitoringprogramme zur Berücksichtigung weiterer Stoffgruppen und Mischungen;

Systematische Etablierung von Monitoringergebnissen als Instrument für die erstmalige oder erneute Zulassung gefährlicher Stoffe sowie der

Entwicklung von innovativen analytischen Methoden, um Schadstoffe in geringen Konzentrationen aufzuspüren.

Darüber hinaus ist das UBA u. a. aktiv im Arbeitspaket „Innovation in Regulatory Risk Assessment“ („Innovationen in der regulatorischen Risikobewertung“). Hier sollen neue innovative Konzepte erarbeitet werden, um die bestehenden Bewertungs- und Wissenslücken zu schließen, um so die Regulation von Chemikalien insgesamt zu verbessern und sicherer zu machen.

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