COVID-19-Pandemie

EU-Gipfel: Müssen uns auf jahrelange Corona-Impfkampagne einstellen

Der EU-Sondergipfel zu Corona hat auf die vielen Fragen nur wenige Antworten gefunden. Deutlich wird aber: Ein digitaler Corona-Impfpass soll und ein Exportstopp für COVID-19-Impfstoffe könnte kommen.

Von Detlef Drewes Veröffentlicht:
Viele Stimmen, viele Meinungen beim virtuellen EU-Sondergipfel der Staats- und Regierungschefs zur Coronavirus-Pandemie.

Viele Stimmen, viele Meinungen beim virtuellen EU-Sondergipfel der Staats- und Regierungschefs zur Coronavirus-Pandemie.

© dpa

Brüssel. Bevor dieser virtuelle EU-Gipfel begann, hatten mehrere Staats- und Regierungschefs ein „stärkstmögliches Signal“ in der Coronavirus-Pandemie gefordert. Die Menschen in den 27 Mitgliedstaaten sollten spüren: Es geht aufwärts.

Und deshalb musste eine gute Nachricht her, und zwar jetzt, wo die Inzidenzzahlen in vielen Ländern wieder anziehen – teilweise bereits dramatische Ausmaße angenommen haben.

Gesucht werden vor allem Impfstoffe. Das zweite Quartal naht, die Hersteller haben versprochen, zu liefern. „Wir müssen in der Lage sein, die Vakzine zu den Menschen zu bringen“, appellierte Bundeskanzlerin Angela Merkel an ihre 26 Amtskollegen. Ob das realistisch ist?

Neben den drei bereits zugelassenen Impfstoffen erwartet die EU in den nächsten Wochen die Zulassung zweier weiterer Produkte der Hersteller Johnson&Johnson sowie Novavax, bis Juni soll noch ein zusätzliches Vakzin des Herstellers CureVac dazu kommen. Im zweiten Quartal werde BioNTech außerdem große Anteile einer zweiten Bestellung über zusätzliche 300 Millionen Dosen den EU-Staaten zur Verfügung stellen. Und die will man offenbar konsequenter in der Union halten.

Exportstopp nicht ausgeschlossen

„Die USA exportierten keinen Impfstoff, Großbritannien nur wenig. Dagegen stellt Europa für die gesamte Welt her“, betonte die Bundeskanzlerin. Erst am Mittwoch dieser Woche schickte die Gemeinschaft 600.000 Dosen an den afrikanischen Staat Ghana. Ein weiteres Kontingent soll in den kommenden Tagen für die Bevölkerung der Elfenbeinküste bereitgestellt werden.

Um zu verhindern, dass die EU am Ende die ersehnten Vakzine nur für andere herstellt, selbst aber das Nachsehen hat, will Brüssel nun offensiv über einen Exportstopp für den Fall nachdenken, dass die Unternehmen „ihre uns gegebenen Zusagen nicht erfüllen“, so Merkel weiter.

Gleichzeitig wurde die EU-Kommission beauftragt, ihr Projekt „Hera Inkubator“ so straff durchzuziehen, dass eine Kooperation aus öffentlicher Hand, Wissenschaft und Unternehmen bereit ist, falls weiter entwickelte Vakzine gegen mutierte Viren zur Verfügung stehen, wenn diese die Oberhand gewinnen. Man müsse sich auf eine jahrelange Impf-Kampagne einstellen, hieß es in Brüssel – wie bei der Grippe.

Lösung Impfausweis?

Bis dahin brauche man aber die „volle Freiheit“, erklärte der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz. Die Lösung heißt: Impfpass. Ein Dokument nach dem Vorbild der grünen Karte in Israel, mit dem Geimpfte wieder reisen, shoppen oder ins Restaurant gehen können. Das Projekt ist umstritten.

Trotzdem einigte man sich darauf, dass in drei Monaten die Infrastruktur geschaffen sein soll, um anstelle einer gemeinsamen europäischen Karte die Anerkennung von 27 nationalen Impfausweisen zu ermöglichen. Gedacht ist an eine zentrale Info-Stelle der EU-Kommission, an die alle Kartensysteme über einen Gateway angeschlossen ist.

Ob das ein Freifahrtschein für den Sommerurlaub 2021 werden kann, ist offen. Merkel jedenfalls blieb skeptisch und betonte, dass auch „nicht Geimpfte“ reisen sollen. Aber unter welchen Umständen?

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Die Gemeinschaft rudert noch, und sucht Lösungen, auch um von immer mehr Grenzschließungen wegzukommen. Zehn Mitgliedstaaten haben inzwischen die Übergänge wieder weitgehend dicht gemacht. Selbst wichtige Warenlieferungen stehen in Endlos-Staus. Nicht einmal die im Vorjahr entworfenen „grünen Fahrspuren“ für Transporte und Pendler wurden bisher geschaffen. Zumindest Deutschland versprach Abhilfe.

Es ist die nächste Phase der Pandemie. Der EU-Gipfel suchte nach einer zentralen, vielversprechenden Therapie gegen das Virus und die zunehmende Unzufriedenheit der Menschen. Aber in dieser Zeit, das musste man erkennen, gibt es kein Allheilmittel, sondern nur viele Stellschrauben, an denen die Regierungschefs und die EU-Institutionen jetzt drehen wollen – vorausgesetzt, der Impfstoff steht endlich in ausreichendem Maß zur Verfügung.

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Kommentare
Dr. Thomas Georg Schätzler 01.03.202107:23 Uhr

Impfausweis mit Smartphone fotografieren, fertig!

Nur ein klitzekleines Beispiel belegt den europäischen Wasserkopf von überbordender Bürokratie, blindem Aktionismus und Pseudoinnovationen.

Wenn berichtet wird, "Die Lösung heißt: Impfpass. Ein Dokument nach dem Vorbild der grünen Karte in Israel, mit dem Geimpfte wieder reisen, shoppen oder ins Restaurant gehen können", ist selbst dieses Projekt zugleich wieder völlig umstritten.

Deswegen einigte man sich lediglich darauf, in drei Monaten eine völlig überflüssige EDV-Infrastruktur zu schaffen, um anstelle einer gemeinsamen europäischen Karte die Anerkennung von 27 nationalen Impfausweisen zu ermöglichen. Gedacht ist an eine zentrale Info-Stelle der EU-Kommission mit möglichst "Künstlicher Intelligenz", an die alle Kartensysteme über einen noch EDV-mäßig zu entwickelnden Gateway angeschlossen werden. Das wird mal wieder Jahrzehnte dauern...

Unterdessen zücken 550 Millionen Europäer ihr Smartphones, fotografieren ihre Impfausweise und haben sie damit erfolgreich digitalisiert.

Mf+kG, Ihr Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

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