Beschlüsse zur Nutzenbewertung
G-BA sieht bei Orphan Drugs in mehreren Fällen keinen Zusatznutzen
Muss für Orphan Drugs eine volle Nutzenbewertung erfolgen, kann relativ häufig ein Zusatznutzen nicht belegt werden. Auch deshalb, weil die von den Herstellern vorgelegten Studien nicht den Anforderungen des G-BA mit Blick auf die zweckmäßige Vergleichstherapie genügen.
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Der Gemeinsame Bundesausschuss hat am Donnerstag mehrere Beschlüsse zu Nutzenbewertungen von Orphan Drugs gefasst.
© Svea Pietschmann/G-BA
Berlin. In seiner Sitzung am 20. Juni hat dem Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) die seltene Konstellation zur Entscheidung vorgelegen, dass der pharmazeutische Unternehmer für den Wirkstoff Palopegteriparatid eine volle Nutzenbewertung beantragte und daher die Privilegierung durch den Orphan Drug-Status nicht beansprucht. Zugelassen ist der Wirkstoff zur Parathormon-Ersatztherapie für die Behandlung von Erwachsenen mit chronischem Hypoparathyreodismus.
Zum Nutzennachweis hatte der Hersteller eine klinische Studie im Vergleich zu Placebo vorgelegt. Da dies jedoch nicht der vom Bundesausschuss verlangten zweckmäßigen Vergleichstherapie (ZVT) mit Parathormon entsprach, konnte ein Zusatznutzen als nicht belegt angesehen werden. Die Jahrestherapiekosten für Palopegteriparatid bewegen sich mit 132.000 bis 265.000 Euro deutlich über denen der ZVT von rund 100.000 Euro.
Einen Hinweis auf einen geringen Zusatznutzen sah der G-BA hingegen für den Orphan Drug-Wirkstoff Avapritinib zur Behandlung von Erwachsenen mit indolenter systemischer Mastozystose mit mittelschweren bis schweren Symptomen. Ausschlaggebend dafür war im Vergleich zur ZVT mit Placebo ein relevanter Vorteil hinsichtlich der Hautsymptomatik – auch mit positiven Effekten auf die Lebensqualität. Kein Unterschied konnte hinsichtlich des Gesamtüberlebens und der Symptomatik bei inneren Organen festgestellt werden.
Kein Zusatznutzen nach voller Nutzenbewertung erkannt
Für das Orphan Drug Polatuzumab, dessen Umsatz die 30-Millionen-Euro-Grenze überschritten hat, ergab die volle Nutzenbewertung, dass kein Zusatznutzen anerkannt wurde. Der Wirkstoff ist zugelassen für die Behandlung des rezidivierenden oder refraktär diffus großzelligen B-Zell-Lymphoms. Da der Hersteller nicht die vom G-BA vorgegebene Vergleichstherapie nach einer nicht erfolgreichen Erstlinientherapie befolgt hatte, wurden die vorgelegten Studien nicht anerkannt. Ferner sah der G-BA für die Erstlinientherapie mit Polatuzumab im Vergleich zu Rituximab keinen Zusatznutzen.
Wegen Überschreitung der 30-Millionen-Euro-Grenze hat das Orphan Drug Letermovir eine volle Nutzenbewertung durchlaufen müssen. Zugelassen ist der Wirkstoff zur CMV-Reaktivierung und Prophylaxe nach einer Stammzelltransplantation. Insgesamt kam der G-BA zu einem nicht quantifizierbaren Zusatznutzen im Vergleich zur ZVT. Ein signifikanter Vorteil habe sich beim Gesamtüberleben für einen Zeitraum von 24 Wochen, nicht jedoch für 48 Wochen gezeigt.
Hinsichtlich der Morbidität seien Vorteile hinsichtlich schwerer CMV-Erkrankungen zu beobachten gewesen. Bei unerwünschten Nebenwirkungen seien keine Vor- und Nachteile feststellbar gewesen. Der Wirkstoff habe eindeutig einen Zusatznutzen, der aufgrund bestehender statistischer Unsicherheiten aber nicht quantifiziert werden könne, so der G-BA-Vorsitzende Professor Josef Hecken.
Keine vergleichende Studie mit der vorgegebenen ZVT
Bei dem Wirkstoff Lanadelumab hat der G-BA für die neu zugelassene Indikation Prophylaxe von wiederkehrenden Attacken des hereditären Angioödems bei Patienten zwischen zwei und zwölf Jahren – einer seltenen Erbkrankheit, bei der es zu wiederkehrenden plötzlichen Schwellungen der Haut, der Schleimhäute oder der inneren Organe kommt – keinen Zusatznutzen als belegt angesehen. Grund dafür ist, dass der Hersteller keine vergleichende Studie mit der vom G-BA vorgegebenen ZVT mit C1-Esterase-Inhibitoren vorgelegt hat. (HL)