Gesundheitsabsicherung

Gehörig Druck im Kessel, die Wirkung verpufft aber meist

Die Vereinten Nationen verfolgen den Gedanken einer niedrigschwelligen Gesundheitsversorgung in allen Ländern der Welt. Noch immer wird an der Zielerreichung bis 2030 festgehalten, wie jüngste politische Bekenntnisse bei einem Spitzentreffen in Tokio zeigen.

Matthias WallenfelsVon Matthias Wallenfels Veröffentlicht:
Eine qualifizierte Gesundheitsversorgung ist in vielen Teilen Afrikas noch eher Traum als Wirklichkeit.

Eine qualifizierte Gesundheitsversorgung ist in vielen Teilen Afrikas noch eher Traum als Wirklichkeit.

© Shehzad Noorani / AP Images / d

Gegenwärtig müssen weltweit 800 Millionen Menschen mindestens zehn Prozent ihres Haushaltseinkommens für Gesundheitsausgaben aufwenden – für sich, ein krankes Kind oder ein anderes Familienmitglied. Für etwa 100 Millionen von ihnen bedeutet das das Katapultieren in extremste Armutsverhältnisse, so dass sie von im Schnitt weniger als 1,90 US-Dollar je Tag (über-)leben müssen. Diese Zahlen gehen aus dem Bericht "Tracking Universal Health Coverage: 2017 Global Monitoring Report" der Weltbank und der Weltgesundheitsorganisation hervor.

Unter Universal Health Coverage (UHC) wird dabei der Zugang für alle Menschen in einem Land zu qualitätsgesicherten Dienstleistungen im Gesundheitswesen mittels einer universellen Gesundheitsabsicherung verstanden. Zu diesen staatlichen Dienstleistungen zählen Aufklärungsmaßnahmen wie Tabakprävention, Impfungen, aber auch die Versorgung und Reha sowie palliativmedizinische Angebote. Die Inanspruchnahme soll dabei nicht zu finanziellen Härten auf Patientenseite führen, so der UHC-Anspruch. Der Report wurde vor Kurzem beim Universal Health Coverage Forum 2017 in Tokio vorgestellt.

Kleine Fortschritte sind zu verzeichnen

In Tokio war es dann auch wieder Zeit für gesundheitspolitische Appelle. "Der Bericht macht klar, dass wir – nicht nur, um bessere Outcomes im Gesundheitswesen zu bekommen, sondern auch, um endlich die Armut zu beenden – dringend unsere Anstrengungen mit Blick auf die UHC steigern müssen", mahnte zum Beispiel Weltbankpräsident Jim Yong Kim

Die UHC hat schon eine lange Themenkarriere hinter sich. In den Fokus der Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit gelangte sie aber erst wieder, als sie im September 2015 auf dem Nachhaltigkeitsgipfel der Vereinten Nationen in New York als Unterziel Nummer 8 des Sustainable Development Goals Nr. 3 "Gesundheit" von der Staatengemeinschaft explizit verabschiedet wurde – insgesamt gibt es zu 17 Zielen und 169 Unterzielen konkrete Zielvorgaben bis zum Jahr 2030. So soll zum Beispiel binnen der nächsten 13 Jahre jeder Mensch auf der Welt Zugang zu einem UHC-System haben, lautet das ambitionierte Ziel.

Dem Report zufolge sind in der Tat Fortschritte zu verzeichnen. So steige der Anteil derjenigen zunehmend, die zu einigen Schlüsseldienstleistungen im Gesundheitswesen, wie Familienplanung oder Impfungen, Zugang hätten. Regional ergäben sich große Disparitäten zwischen Subsahara-Afrika und Südasien. In anderen Regionen seien Gesundheitsleistungen inzwischen zwar zugänglich – aber mit einer hohen Kostenbeteiligung und damit nicht niederschwellig und nicht im Sinne des UHC-Gedankens.

Die WHO sieht das UHC-Forum in Tokio als "Meilenstein" auf dem Weg zu einer Zielerreichung bis zum Jahr 2030. Das kommt nicht von ungefähr, gilt Nippon als Treiber in puncto UHC. So verabschiedeten die G7-Länder Ende Mai 2016 unter japanischer Präsidentschaft die "G7 Ise-Shima Vision for Global Health", die ein klares Bekenntnis zur UHC beinhaltet. Die G7 verpflichteten sich im Zuge der UHC, 76 Entwicklungsländer zu unterstützen, um bis 2030 den Aufbau von Kapazitäten im Krisenmanagement und in der Öffentlichen Gesundheit zu forcieren. Ebenso vorantreiben wollen sie den verbesserten Zugang zu erschwinglichen, sicheren, wirksamen und qualitätsgesicherten essenziellen Arzneien, Vakzinen und Technologien, um medizinische Probleme zu verhüten, zu diagnostizieren und zu behandeln.

Plädoyer für frühe finanzielle Unterstützung

Japans Gesundheitsminister Katsunobu Kato hielt in Tokio ein vehementes Plädoyer für eine frühzeitige Unterstützung der ärmeren Länder zum Aufbau einer UHC. "Erfahrungen aus der Vergangenheit lehren uns, dass die Gestaltung eines robusten Mechanismus zur Gesundheitsfinanzierung, der jede einzelne verwundbare Person vor finanzieller Härte schützt, und das Entwickeln von Versorgungseinrichtungen und eines Arbeitskräftepotenzials inklusive Ärzten, die die Menschen flächendeckend versorgen können, von kritischer Bedeutung bei der Zielerreichung der Gesundheit für Alle sind", so Kato.

Fernab des politischen Schaulaufens stellen die nepotistischen und korrupten Strukturen sowie der oft chronische politische Unwille des Regierungsapparates zu Veränderungen weiterhin die größten Hürden auf dem Weg zur UHC-Zielerreichung dar.

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