Griechische Kliniken vor dem Kollaps

In Griechenland zerbröckelt der Staat Tag für Tag immer mehr. Jetzt steht das Gesundheitssystem vor dem Aus. Medikamente sind Mangelware und Operationen werden abgesagt. Ärzte sehen Leben in Gefahr, Staatsanwälte ermitteln.

Von Takis Tsafos Veröffentlicht:
Warten auf den Doktor: In Griechenlands Kliniken sieht es düster aus.

Warten auf den Doktor: In Griechenlands Kliniken sieht es düster aus.

© Alkis Konstantinidis / PA / dpa

ATHEN. Es fehlt am Nötigsten: Medikamente, Gips und sogar Klopapier. Aus fast allen Krankenhäusern und Regionen Griechenlands kommen Hilferufe. Das griechische Gesundheitssystem bricht zusammen.

"Die griechischen Politiker streiten sich im Fernsehen darüber, wie das Land regiert werden soll und wir haben hier keinen Gips", sagt ein Arzt des Krankenhauses der Ostägäisinsel Chios.

Noch dramatischer ist die Lage für Menschen mit kardiovaskulären Erkrankungen. Die größte Klinik in der nordgriechischen Hafenstadt Thessaloniki führt seit Tagen keine kardiologischen Untersuchungen und Operationen mehr durch.

Stents können nicht mehr implantiert werden, weil die Lieferanten ohne Barzahlung kein Material schicken, sagen mehrere Ärzte. Das Krankenhaus habe kein Geld mehr, um die Stents zu kaufen.

Keine Hochkonjunktur für private Kliniken

"Hier herrscht Chaos. Mit Menschenleben kann man aber nicht spielen", klagen Ärzte. Ihre Hilferufe wurden zumindest von der Staatsanwaltschaft erhört.

Sie schaltete sich am Montag ein und lässt prüfen, inwiefern der Mangel an medizinischem Material Menschenleben gefährdet.

Während das öffentliche Gesundheitssystem vor dem Kollaps steht, müssten eigentlich private Krankenhäuser jubeln. An sie können sich die verzweifelten Patienten wenden.

Doch viele Griechen können sich die teuren Kliniken nicht leisten. "Die Menschen haben kein Geld mehr. Wir haben nur noch halb so viele Patienten wie vor drei Jahren", sagt ein Arzt des größten Privat-Krankenhauses nahe der Hafenstadt Piräus am Montag.

Der Zusammenbruch des Systems betrifft nicht nur abgelegene Regionen, sondern hat mittlerweile das ganze Land erfasst. Im Krankenhaus der mittelgriechischen Stadt Larisa gibt es sogar kein Toilettenpapier mehr.

In Serres an der bulgarischen Grenze fehlen Katheter. Die Verwandten der Patienten müssen sie aus den Apotheken holen. In Heraklion auf Kreta können Wunden nicht mehr gründlich gereinigt werden, weil Mittel zur Wunddesinfektion und medizinische Handschuhe Mangelware sind.

Und auch bei der Verpflegung trifft der Notstand die Patienten. "Verwandte kochen zu Hause was ihnen die Ärzte sagen und bringen es hierher", sagte ein Krankenpfleger von der Insel Leros. Geld für Fisch oder Kalbfleisch gibt es nicht.

Arzneien nur gegen Bares

Der Staat schuldet den Lieferanten medizinischen Materials rund zwei Milliarden Euro, berichtete die Athener Zeitung "Ta Nea" am Montag. Schlimm ist auch die Situation schwerkranker Menschen, die zu Hause behandelt werden.

Apotheken geben Medikamente nur gegen Bargeld aus, denn auch sie sind oft seit Monaten von den staatlichen Krankenkassen nicht mehr bezahlt worden.

Aber bei einigen Patienten reicht die Rente nicht für ihre Medikamente. Sie müssen sich bei ihren Verwandten und Nachbarn Geld für ihre Arzneimittel borgen.

"Ich habe 38 Jahre lang regelmäßig meine Beiträge an die Versicherung gezahlt und jetzt sagen sie mir, es gibt kein Geld. Es ist ein Schande", sagt Giorgos Papadopoulos, der sein Leben lang auf Frachtern als Koch gearbeitet hat.

Das Thema kocht in griechischen Medien vor der Neuwahl am 17. Juni hoch. Ärzte hoffen darauf, dass am Sonntag eine handlungsfähige Regierung an die Macht kommt und die drängenden Probleme gelöst werden.

Ein Kommentator im Radio meinte, wenn es nach Sonntag keine Regierung gibt, dann ist der Patient Griechenland verloren. (dpa)

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Kommentare
Karl-Georg Vaith 12.06.201219:28 Uhr

Griechenlands Misere in Kliniken und Krankenhäusern

Damit nimmt man bewußt den Tod oder eine lange Leidenszeit für die betreffenden Patienten in Kauf.
Hier sollte das soziale Gewissen derer gestärkt werden, die die notwendige Hilfe in diesen Gebieten leisten könnten.
Das betrifft nicht nur Deutschland sondern sämtliche EU-Staaten.

Nun die Hoffnung stirbt zuletzt !!!

Karl-G. Vaith

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