Wehrbeauftragte des Bundestags

Högl: Dauerhafte Amtshilfe geht zulasten der Bundeswehr

Die Wehrbeauftragte Eva Högl lässt kein gutes Haar an der dauerhaften Indienstnahme der Truppe. Denn im Sanitätsdienst sind schon in normalen Zeiten Ärzte knapp.

Florian StaeckVon Florian Staeck Veröffentlicht:
Soldaten werten in einem Gesundheitsamt Daten zur Corona-Kontaktverfolgung aus – ein Motiv aus dem September 2020. Die Wehrbeauftragte hält die dauerhafte Inanspruchnahme der Bundeswehr für Zwecke der zivilen Katastrophenhilfe für falsch.

Soldaten werten in einem Gesundheitsamt Daten zur Corona-Kontaktverfolgung aus – ein Motiv aus dem September 2020. Die Wehrbeauftragte hält die dauerhafte Inanspruchnahme der Bundeswehr für Zwecke der zivilen Katastrophenhilfe für falsch.

© Carsten Koall/picture alliance/dpa

Berlin. Die Wehrbeauftragte des Bundestags Eva Högl (SPD) hat die fortlaufende Amtshilfe der Bundeswehr für zivile Zwecke harsch kritisiert. „Es ist nicht die Aufgabe der Bundeswehr, den Gesundheitsschutz der Bevölkerung im Innern über lange Dauer sicherzustellen“, stellt Högl in ihrem am Dienstag veröffentlichten Jahresbericht fest.

Mitte Februar vergangenen Jahres seien zeitgleich etwa 19.000 Soldaten zur Bewältigung der COVID-19-Pandemie im Einsatz gewesen. Wegen der Hochwasserkatastrophe im Westen und Süden Deutschlands wurden im Sommer im Maximum etwa 2300 Soldaten gebunden.

Während es bei der Flutkatastrophe darum ging, in einem gebündelten Kraftakt Schäden zu beseitigen und Infrastruktur wiederherzustellen, dauere die Amtshilfe im Zuge der Pandemie das ganze Jahr über an und „ging nach den Anstrengungen in 2020 bereits in das zweite Jahr“, merkt Högl an.

„Geht an die Substanz der Truppe“

Zu Beginn der Pandemie sei das „gut und richtig“ gewesen. Doch zunehmend gingen „die Personalabstellungen für die Unterstützungsleisten an die Substanz der Truppe“, kritisiert die Wehrbeauftragte. Zwischenzeitlich hätten Landkreise und andere für Katastrophenhilfe und Bevölkerungsschutz Verantwortliche „die Zeit nutzen können und müssen, ihre Strukturen krisensicher aufzustellen“, heißt es im Wehrbericht.

Die Amtshilfe – ob in Gesundheitsämtern, Pflegeheimen, bei der Hochwasserkatastrophe oder der Impfkampagne – hätten für den Sanitätsdienst eine „außergewöhnliche Belastung“ bedeutet. Zwar verteilt Högl „Lob und Anerkennung“ an die Truppe, muss aber einräumen, dass die gesundheitliche Versorgung der Soldaten von personellen Engpässen begleitet war. So war etwa in einem Sanitätsversorgungszentrum zeitweise nur eine einzige Ärztin zugegen.

Erkrankten Rekruten sei es über Tage nicht möglich gewesen, einen Behandlungstermin zu bekommen. Die Behandlung durch einen zivilen Arzt ist zwar möglich, erfordert nach den Dienstvorschriften aber die Überweisung durch den truppenärztlichen Dienst. Zudem liege die Entscheidung über die weitere Dienstfähigkeit eines Soldaten ebenfalls immer beim Truppenarzt.

Digitale Gesundheitsakte – vielleicht Ende 2025

Diese Situation nennt Högl bedenklich. Wenn ein Soldat aufgrund der Verzögerungen Teile seiner Ausbildung verpasse, gefährde dies das erfolgreiche Bestehen der Grundausbildung. Auch dieses Beispiel zeige, so die Wehrbeauftragte, dass die Bundeswehr „nicht dauerhaft für Amtshilfeaufgaben zur Verfügung stehen kann“.

Hausgemachte Probleme kommen dazu – etwa ungeklärte Zuständigkeiten zwischen Sanitätsversorgungszentren. Dabei macht die nach wie vor fehlende digitale Gesundheitsakte für Soldaten allen Beteiligten das Leben schwer. Ende 2025 solle nach derzeitigem Stand eine „Anfangsbefähigung“ für die digitale Akte vorhanden sein, heißt es. Im November habe die Digitalisierung im truppenärztlichen Bereich begonnen. Ende dieses Jahres soll das Projekt mit Namen „IT-Unterstützung Regionale Sanitätseinrichtungen“ abgeschlossen sein.

Högl zeigt sich vorsichtig optimistisch, dass die Bundeswehr in puncto Digitalisierung des Gesundheitswesens „nach Jahren des Zögerns und Prüfens endlich eine Tür aufgestoßen hat“. Das zeige sich auch daran, dass auf Ebene der Truppenärzte begonnen wurde, Video-Sprechstunden zu etablieren.

Der Impfnachweis bleibt analog

Doch in anderen Bereichen bleibt die Welt des Sanitätsdienstes analog: So entschied sich die Bundeswehr gegen den digitalen Impfausweis. Der papiergebundene Nachweis sei „für dienstliche Zwecke ausreichend“, heißt es dazu im Bericht.

Die Wehrbeauftragte erhielt im Vorjahr 2606 Eingaben von Soldaten. 495 von ihnen betrafen die Themen Gesundheit und Sanitätsdienst (rund 19 Prozent). Stand Januar dieses Jahres umfasste der Sanitätsdienst 19.800 Personen, 41 Prozent von ihnen sind Frauen. In der gesamten Bundeswehr liegt der Anteil der Soldatinnen bei knapp 13 Prozent.

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