Krebspatienten

Informell Pflegende setzen auf EU-Pflegestrategie

Pflegende Angehörige laufen oft Gefahr, im Alter selbst in eine Versorgungsfalle zu kommen. Hier will die EU-Kommission nächstes Jahr gegensteuern. Der Kurs gefällt dem europäischen Verband der informell Pflegenden.

Matthias WallenfelsVon Matthias Wallenfels Veröffentlicht:
Pflegende Angehörige begleiten unter anderem Krebspatienten oft unentgeltlich und verzichten dabei noch auf einen eigenen Job.

Pflegende Angehörige begleiten unter anderem Krebspatienten oft unentgeltlich und verzichten dabei noch auf einen eigenen Job.

© Mascha Brichta/picture alliance

Brüssel. Die europäische Vereinigung der informell Pflegenden Eurocarers setzt große Hoffnung in das Arbeitsprogramm der EU-Kommission im kommenden Jahr. Wie Claire Champeix, bei Eurocarers politische Referentin, am Donnerstag in Brüssel im Rahmen einer virtuellen Schalte der Europäischen Krebspatientenkoalition (European Cancer PatientCoalition/ECPC) bekundete, werden schätzungsweise 80 Prozent der Leistungen in der Langzeitpflege von Verwandten, Freunden oder Nachbarn erbracht.

In Deutschland geht Eurocarers von fünf bis acht Millionen pflegenden An- und Zugehörigen aus. Eingerechnet sind dabei auch Menschen, die sich um ihnen nahe stehende Personen mit Pflegebedarf kümmern, die bislang keine Leistungen aus der Pflegeversicherung beziehen.

Nach dem Eurocarers-Verständnis seien, so Champeix, die von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen im Rahmen ihrer Rede zur Lage der Union Mitte September gemachten Äußerungen in puncto der für 2022 avisierten europäischen Strategie für Pflege und Betreuung so zu verstehen, dass sie sowohl auf die formelle als auch auf die informelle Bereitstellung von Gesundheits-, Sozial- und Langzeitpflege in der gesamten Europäischen Union beziehen werden – und zwar im Einklang mit der Förderung eines umfassenden Pflegekonzepts durch Eurocarers.

Empfehlungen zur Krebsfrüherkennung erwartet

Unter Berücksichtigung der Lehren aus der Pandemie, so betonte von der Leyen in ihrer Rede, werde die Kommission eine europäische Strategie für Pflege und Betreuung vorlegen, um diesen Bereich – von der Kinderbetreuung bis zur Langzeitpflege – umfassend zu verbessern.

Um die Europäische Gesundheitsunion weiter auszubauen, werde sie einen neuen Rahmen für einen dynamischen Arzneimittelsektor in der EU vorschlagen und auf diese Weise den Zugang zu erschwinglichen und hochwertigen Arzneimitteln ermöglichen, eine Überarbeitung der Rechtsvorschriften über Arzneimittel für Kinder und für seltene Krankheiten vorlegen und mit einer Empfehlung zur Krebsfrüherkennung die lebensrettende Krebsvorsorge und -früherkennung fördern.

Explizit adressierte die Kommissionspräsidentin auch die Vertreter der informellen Pflege: „Es geht um menschenwürdige Arbeitsplätze, faire Arbeitsbedingungen, eine bessere Gesundheitsversorgung und eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Denn wenn die Pandemie uns eines gelehrt hat, dann ist es, wie wertvoll Zeit ist. Und dass die Zeit, die wir mit unseren Liebsten verbringen, die wertvollste von allen ist. Aus diesem Grund werden wir eine neue europäische Strategie für Pflege und Betreuung vorschlagen.“

Als geeignetes Instrument sieht von der Leyen ein Gesetz an, das die versteckten Gewinne von Briefkastenfirmen ins Visier nimmt – und die Mindestbesteuerung von Gesellschaften durchsetzen soll.

Politik und Wirtschaft braucht Verständnis für Patienten und Pflegende

Champeix erinnerte daran, dass EU-weit rund zehn Prozent der Frauen und 0,5 Prozent der Männer auf die Aufnahme eines Jobs verzichteten, um informelle Pflege leisten zu können – mit den drohenden Konsequenzen wie zum Beispiel der Altersarmut. Gerade das Beispiel der Krebspatienten führe vor Augen, wie umfassend diese durch informelle Pflegende unterstützt würden.

Sie hülfen nicht nur beim täglichen Einkauf, Kochen, Putzen, der persönlichen Körperpflege sowie weiteren Haushaltsaufgaben. Sie übernähmen zudem das Finanzmanagement, gäben emotionale Unterstützung – nicht nur den Patienten selbst, sondern teils auch deren Angehörigen – und informierten Dritte über die Krebsdiagnose sowie den weiteren Krankheitsverlauf.

Oft suchten sie nach Informationen zur jeweiligen Krebserkrankung und übernähmen den diesbezüglichen Austausch mit professionellen Pflegekräften und auch den Ärzten.

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