Berufung

Kerstin Claus ist neue Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung

Das Kabinett hat die Journalistin Kerstin Claus zur neuen unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs berufen. Pädiater begrüßen die Personalie – und halten zwei Dinge für besonders wichtig.

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Kerstin Claus ist auf Beschluss des Bundeskabinetts am Mittwoch zur neuen unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM) ernannt worden. Sie tritt ihr Amt zum 1. April an.

Kerstin Claus ist auf Beschluss des Bundeskabinetts am Mittwoch zur neuen unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM) ernannt worden. Sie tritt ihr Amt zum 1. April an.

© Kay Nietfeld/dpa

Berlin. Die gebürtige Münchner Journalistin Kerstin Claus wird neue unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM). Einen entsprechenden Beschluss fasste das Bundeskabinett am Mittwoch. Claus tritt ihr Amt am 1. April an. Die Amtszeit beträgt fünf Jahre. Angesiedelt ist das Amt beim Bundesfamilienministerium. Claus folgt auf Johannes-Wilhelm Rörig, der seit März 2022 neue Aufgaben im Ministerium wahrnimmt.

Mit Kerstin Claus habe man eine „hervorragend qualifizierte Frau“ für die Aufgabe der Missbrauchsbeauftragten gewinnen können, sagte Familienministerin Anne Spiegel (Grüne) nach der Kabinettssitzung. Ziel der Ampel-Koalition sei es, das Amt auf eine gesetzliche Grundlage zu stellen und die Arbeit der Aufarbeitungskommission sexueller Gewalt fortzuführen. Zudem solle eine bundesweite Aufklärungs- und Sensibilisierungskampagne starten. „Wir brauchen eine Kultur des Hinschauens.“

„Tagtägliche Realität überall“

Claus erklärte, sexualisierte Gewalt sei überall in Deutschland „tagtägliche Realität für viele Kinder und Jugendliche“, oftmals verbunden mit lebenslangen Auswirkungen. Flächendeckende Schutzkonzepte in Schulen und Vereinen seien daher ebenso wichtige Bausteine gegen Missbrauch wie verbindliche Standards in der Qualifizierung von Fachkräften und die Sensibilisierung der Gesellschaft. „Kinder zu schützen, Taten aufzudecken und Betroffene gut zu begleiten, kann nur gelingen, wenn wir alle dazu beitragen und die Hilfestrukturen flächendeckend zur Verfügung stehen.“

Der Präsident des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ), Dr. Thomas Fischbach, sagte der Ärzte Zeitung am Mittwoch, in der Zusammenarbeit zwischen Jugendämtern und Pädiatern habe sich seit Verabschiedung des Kinder- und Jugendstärkungsgesetzes 2021 „durchaus etwas zum Positiven verändert“.

Zusammenarbeit von Pädiatern und Ämtern wichtig

Fischbach erinnerte in diesem Zusammenhang an die „bilaterale Informationspflicht“ von Ärzten wie Ämtern. „Es ist nicht länger eine Einbahnstraße, bei der nur Kinder- und Jugendärzte an die Ämter Hinweise auf sexuellen Missbrauch melden, sondern auch umgekehrt.“ Fischbach bedankte sich auch bei Claus Amtsvorgänger Rörig für die gute Zusammenarbeit. Rörig habe viel bewegt.

Als hilfreich bezeichnete Fischbach zudem einen stärkeren innerärztlichen Austausch bei einem Verdacht auf Kindeswohlgefährdung. Nordrhein-Westfalen gehe hier mit gutem Beispiel voran.

Ein neues Gesetz ermögliche es Medizinern dort, sich bei Verdacht auf Misshandlung oder Missbrauch mit vorbehandelnden Ärzten zu beraten und sichere Diagnosen zu stellen. Mit dem Gesetz werde auch dem sogenannten Ärzte-Hopping einen Riegel vorgeschoben. Hintergrund ist: Bisher wechseln gewalttätige Eltern häufig den Kinderarzt, damit die Häufung von Verletzungen ihrer Kinder nicht auffällt.

Hohe Dunkelziffer

Laut UBSKM verzeichnete die Polizeiliche Kriminalstatistik im Jahr 2020 bundesweit knapp 14.600 bekannt gewordene Straftaten des sexuellen Kindesmissbrauchs. Die Anzeigen bezögen sich zu etwa 73 Prozent auf betroffene Mädchen und zu 27 Prozent auf betroffene Jungen.

Hinzu kämen rund 1500 Anzeigen von sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen und Jugendlichen sowie knapp 22.000 Fälle von Kinder- und Jugendpornografie. Allerdings handele es sich bei diesen Zahlen um das sogenannte Hellfeld. Das Dunkelfeld, die Zahl der nicht polizeilich bekannten Fälle, sei weitaus größer. (hom)

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