Nachhaltige GKV-Finanzierung

Lauterbach legt Sparliste ohne Einsparungen vor

Seit Mai 2023 überfällig, legt Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach Empfehlungen für die finanzielle Stabilisierung der GKV vor. Die Liste beschreibt fast ausschließlich seine bekannte Politikagenda. Die Reaktionen reichen von Zurückhaltung bis zu harscher Kritik.

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Die von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach vorgelegte Empfehlungsliste für eine nachhaltige Finanzierung der GKV enthält keine quantifizierten Sparelemente auf der Ausgabenseite.

Die von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach vorgelegte Empfehlungsliste für eine nachhaltige Finanzierung der GKV enthält keine quantifizierten Sparelemente auf der Ausgabenseite.

© electriceye / stock.adobe.com

Berlin. Das Bundesgesundheitsministerium hat Vorschläge für eine „nachhaltige Finanzierung“ der GKV vorgelegt. Im GKV-Finanzstabilisierungsgesetz hatte der Gesetzgeber gefordert, dass die Bundesregierung entsprechende Empfehlungen bis spätestens Ende Mai 2023 vorlegt.

Allerdings beschränken sich die Vorschläge in dem auf den 31. Mai 2023 zurückdatierten BMG-Papier auf Gesetzesvorhaben, die das Lauterbach-Ressort ohnehin in der Pipeline hat. Konkrete Eingaben mit Einsparungssummen enthält das Acht-Seiten-Konvolut kaum, ebenso wenig wie einen Zeitplan für die aufgeführten Gesetzesvorhaben.

Vielmehr beschränkt sich das Papier vor allem auf allgemeine politische Bekundungen, wie die GKV als „zentraler Säule des gesellschaftlichen Zusammenhalts, die insbesondere in krisenreichen Zeiten wie heute bewahrt und gestärkt werden muss“. Einzige Ausnahme ist das von Lauterbach geplante Verbot für Krankenkassen, in ihren Satzungen auch homöopathische und anthroposophische Leistungen anzubieten.

Gesetzesvorhaben mit hochfliegenden Versprechungen

Beim zentralen Vorhaben der Krankenhausreform wiederholt das Papier bekannte Thesen Lauterbachs – beispielsweise, dass durch eine Vorhaltevergütung Anreize zur Mengenausweitung reduziert würden, sodass „mittel- bis langfristig Kosten reduziert“ würden. Die Verringerung der Mengenentwicklung um einen Prozentpunkt generiere Einsparungen in Höhe von etwa 600 Millionen Euro pro Jahr, heißt es.

Zur Notfallreform, zum Digitalgesetz sowie zum Gesundheitsdatennutzungsgesetz enthält das Papier nur pauschale programmatische Aussagen und schließt mit weitreichenden Versprechungen wie etwa: „Das Digital-Gesetz wird einen maßgeblichen Beitrag zur zukünftig verbesserten und kosteneffizienteren Gesundheitsversorgung in Deutschland leisten.“

Auch weitere Vorhaben – das Versorgungsgesetz I, Hybrid-DRG und das geplante Präventionsinstitut – werden nur gestreift. Auch beim letztgenannten – hoch umstrittenen – Projekt eines Public Health-Instituts geht Lauterbach durch mehr Prävention und Krankheitsvermeidung von „einer nachhaltigen finanziellen Entlastung der GKV“ aus.

„Sobald haushaltspolitische Rahmenbedingungen es zulassen“

Zentrale Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag werden in die unbestimmte Zukunft vertagt. Eine Dynamisierung des Steuerzuschusses für die GKV werde umgesetzt, sobald „im Lichte der wirtschaftlichen Entwicklung“ es die „haushaltspolitischen Rahmenbedingungen zulassen“. Gleiches gilt für den Einstieg in die schrittweise Steuerfinanzierung für die GKV-Beiträge von Beziehern von Bürgergeld. Hier wird wortgleich die Formulierung aus dem Passus zur dynamisierten Steuerfinanzierung wiederholt.

Lauterbach gibt sich in der Schlussfolgerung, die er aus der Aufzählung der laufenden Vorhaben zieht, unerschütterlich: Durch die Umsetzung dieser Empfehlungen werde die finanzielle Lage der GKV „dauerhaft stabilisiert und die Deckungslücke zwischen Einnahmen- und Ausgabenentwicklung deutlich reduziert“, ist dem Papier im Abschnitt „Ausblick“ zu entnehmen.

„Großer Bedarf für effizienzsteigernde Reformen“

Das Papier hat ein ambivalentes Echo ausgelöst. Professor Andrew Ullmann, gesundheitspolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, begrüßte die Streichung homöopathischer Mittel aus dem Leistungskatalog der Krankenkassen. Allerdings fehle ein umfassendes Konzept, das über einzelne Maßnahmen hinausgehe, so Ullmann: „Wir müssen über die richtigen ökonomischen Anreize nachdenken, unnötige Bürokratie abbauen und die Eigenverantwortung der Bürgerinnen und Bürger stärken und vermehrt einbeziehen.“

Für die Grünen sagte die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Maria Klein-Schmeink, die teilweise stark gestiegenen Zusatzbeiträge bei mitgliederstarken Kassen machten den weiter „großen Bedarf für effizienzsteigernde Strukturreformen“ deutlich. Mit Blick auf die ins Ungefähre gerückten Koalitionsvorhaben zur stärkeren Steuerkomponente in der GKV merkte die Grünen-Politikerin lediglich an: „Wir gehen davon aus, dass Bundeskanzler Olaf Scholz und die Bundesregierung dieses Anliegen unterstützen.“

Jürgen Hohnl, Geschäftsführer des IKK e.V., nannte es „enttäuschend, aber leider auch wenig überraschend, dass das Papier nichts Neues enthält“. Koalitionsvorhaben würden mit Blick auf die Haushaltslage verschoben, Aussagen zu den Ausgabenrisiken der noch laufenden Gesetzgebungsvorhaben fehlten. „Eine nachhaltige Finanzierungsreform sieht anders aus“, so Hohnl. (fst/hom)

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