Österreich macht es vor

Mit dem Impfregister soll die Impfpolitik gläsern werden – nicht der Bürger

In Deutschland gilt ein Impfregister als K.o-Kriterium im Kontext einer Impfpflicht. In Österreich dagegen ist die Impfkampagne digitalisiert. Ein Register als Werkzeug zur Impfpflicht-Kontrolle wäre zu kurz gedacht.

Florian StaeckVon Florian Staeck Veröffentlicht:
Erfahrungen insbesondere aus skandinavischen Ländern zeigen: Ein gut aufgesetztes Impfregister bietet wissenschaftliche Mehrwerte.

Erfahrungen insbesondere aus skandinavischen Ländern zeigen: Ein gut aufgesetztes Impfregister bietet wissenschaftliche Mehrwerte.

© wragg / Getty Images / iStock

Berlin/Wien. In Deutschland mutmaßlich ein Ding der Unmöglichkeit, in Österreich längst am Start: das digitale Impfregister. Von Januar 2021 an sind dort alle Corona-Impfungen in diesem Register erfasst worden.

Die Vorarbeiten an dem Datenspeicher reichen rund zehn Jahre zurück – das Projekt wurde mit Beginn der Pandemie auf die Beschleunigungsspur gesetzt und das Register in Pilotphasen vor dem Ausrollen regional getestet. Basis des Registers sind die Daten des e-Impfpasses – dieser wiederum ist ein Element der Elektronischen Gesundheitsakte (ELGA) in Österreich. Dieses landesweite Informationssystem bindet seit 2015 eine wachsende Zahl von Gesundheitseinrichtungen ein.

In Krankenhäusern gilt dies beispielsweise für 97 Prozent der Akutbetten, für 95 Prozent der Kassenärzte und für 100 Prozent der Apotheker. Im vergangenen Oktober erfolgten nach Angaben von ELGA 89 Prozent aller Labor- und 98 Prozent aller Radiologiebefunde in strukturierter, austauschbarer und maschinenlesbarer Form.

Digitaler Impfpass ist verpflichtend in Österreich

Die Versicherten können sich zwar auf Wunsch von einzelnen Anwendungen von ELGA aktiv abmelden. Beim e-Impfpass geht das jedoch nicht. „Nur eine vollständige österreichweite Dokumentation von Impfungen ist für gesundheitspolitische Maßnahmen wie die Bekämpfung ansteckender Krankheiten aussagekräftig“, heißt es zur Begründung.

Bei der Corona-Impfung werden, wenn sich der Versicherte mit seiner elektronischen Gesundheitskarte identifiziert hat, Datum der Impfung, Handelsname des Impfstoffes, Chargenbezeichnung und der Name des Impfarztes in den e-Impfpass übertragen. Wer will, kann auch zurückliegende Impfungen aus dem bisherigen gelben Impfpass in das elektronische Register nachtragen lassen.

Kritik an Sicherheitsmängeln

Doch in Österreich ist das gesamte Vorhaben keineswegs unumstritten. Die Grundrechts- und Datenschutzorganisation Epicenter.works berichtete Mitte Dezember zusammen mit der Zeitung „Der Standard“ von gravierenden Sicherheitsmängeln im Epidemiologischen Meldesystem (EMS), das im Gesundheitsministerium angesiedelt ist.

Über sogenannte Client-Zertifikate sei es für Unbefugte möglich gewesen, anzeigepflichtige Krankheiten wie AIDS, Syphilis oder COVID-19 im EMS einzutragen. Parallel dazu wäre es Angreifern in begrenztem Umfang auch möglich gewesen, abzufragen, wer in Österreich diese Erkrankungen bereits hat.

„Es müssen somit ernsthafte Zweifel an der Qualität der Daten gehegt werden, die auch für das automatisierte Versenden von Verwaltungsstrafen im Rahmen der Impfpflicht herangezogen werden sollen“, heißt es im Bericht von Epicenter.works.

Es geht um die Evaluierung von Politik

Allerdings sollte man eine argumentative Trennung zwischen dem Vorhaben einer Impfpflicht und den Zielen eines Impfregisters ziehen, betont die Politikwissenschaftlerin Dr. Katharina Paul von der Universität Wien. Bei einem Impfregister gehe es nicht um die Kontrolle von Bürgern, sondern um die Evaluierung der Impfpolitik, sagte Paul dem SWR.

Der wissenschaftliche Mehrwert einer solchen Impf-Datensammlung sei durch Studien anhand skandinavischer Länder gut belegt. So konnten beispielsweise in Dänemark auf diesem Wege Vorbehalte gegen die HPV-Impfung ausgeräumt werden: Dort können Daten aus dem Impfregister allerdings auch mit den elektronischen Patientenakten der Bürger zusammengeführt werden.

Vorteile überwiegen die politischen Risiken

Ähnlich in den Niederlanden: Auch im dortigen Impfregister wird zu allererst erfasst, wer, wann mit welchem Produkt geimpft wurde. Allerdings könne die Datenbank auch genutzt werden, um bestimmte Zielgruppen anzuschreiben und zu einer Impfung einzuladen.

Die Vorteile eines Impfregisters überwögen aus dieser Perspektive die politischen Risiken, die mit einem solchen großen Infrastrukturprojekt verbunden wären, argumentiert Paul.

Vor allen Dingen könnte eine unabhängige, transparente Auswertung der Impfpolitik via Register helfen, dem mangelnden Vertrauen von Bürgern in das politische System entgegenzuwirken. Und was wäre in Deutschland nötiger als das?

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