Freiheit der Systeme

PKV vs. GKV: Unterschiede bei Innovationen, Therapiefreiheit, Evidenz

PKV-versicherte Patienten können im Gegensatz zu GKV-Versicherten schneller in den Genuss von innovativen Behandlungsmethoden kommen. Allerdings birgt die Schnelligkeit auch einen Nachteil.

Ilse SchlingensiepenVon Ilse Schlingensiepen Veröffentlicht:
Die beiden Systeme PKV und GKV bieten jeweils Vor- und Nachteile.

Die beiden Systeme PKV und GKV bieten jeweils Vor- und Nachteile. In der PKV haben Versicherte schneller Zugang zu Innovationen, in der GKV müssen die Methoden Evidenz bewiesen haben.

© Alexander Limbach / Zoonar / picture alliance

Köln. Der Hauptunterschied zwischen der privaten Krankenversicherung (PKV) und der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) liegt nicht in den Kosten des Versicherungsschutzes, sondern in den unterschiedlichen Freiheitsgraden der Systeme, findet Rudolf Henke.

„Unter dem Strich ist im PKV-System mehr Platz für die Therapiefreiheit der Ärzte und für die Entscheidung der Patienten, neuen Behandlungs- und Untersuchungsverfahren zuzustimmen“, sagte der Präsident der Ärztekammer Nordrhein bei einer Online-Veranstaltung des PKV-Verbands.

Dabei ging es um die Studie „Die Umsetzung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in die vertragsärztliche Kollektivversorgung und in die privatärztliche ambulante Versorgung“. Sie war von den Gesundheitsökonomen Dr. Anke Walendzik, Carina Abels und Professor Jürgen Wasem vom Lehrstuhl für Medizinmanagement an der Universität Duisburg-Essen im Auftrag des PKV-Verbands erstellt und im März veröffentlicht worden.

Medizinische Notwendigkeit entscheidend

Die Wissenschaftler sind zu dem Ergebnis gekommen, dass es in der GKV teilweise sehr lange dauert, bis neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in den Leistungskatalog aufgenommen werden, während die Erstattung in der PKV meist sehr viel früher erfolgt. Sie unterliegt keinen strengen Regularien. Voraussetzung für die Kostenübernahme ist die medizinische Notwendigkeit der ärztlichen Heilbehandlung.

Die Studie hat die Beschlüsse des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) aus den Jahren 2010 bis 2019 erfasst. Bei den untersuchten Methoden hat es zwischen zehn und 216 Monaten gedauert, bis die neuen Methoden erstattungsfähig waren. Inzwischen hat der Gesetzgeber dem GBA Fristen auferlegt.

Bei einer Neuauflage der Studie würde die zeitliche Differenz zwischen GKV und PKV wahrscheinlich nicht mehr als drei Jahre betragen, erwartet Henke. Aber: „Auch das ist ein großer Unterschied.“ In der GKV gebe es dafür eine größere Gewähr, dass keine Maßnahmen finanziert werden, die sich als nicht evident herausstellen. Die größere Therapiefreiheit in der PKV hat aus seiner Sicht aber einen großen Nutzen. „Ich glaube, dass der Freiraum in der PKV ein Stück größer ist als in der GKV.“

PKV für mehr Menschen öffnen

Viele Menschen hätten gar nicht die Gelegenheit, sich für eines der beiden Systeme zu entscheiden. Das sind die Angestellten, die weniger als die Versicherungspflichtgrenze verdienen. Deshalb würde es aus seiner Sicht Sinn machen, diesen Wert einer Revision zu unterziehen. „Man sollte nicht ungeprüft hinnehmen, dass die Zahl der Menschen weniger wird, die eine solche Entscheidung treffen können“, sagte Henke, der für die CDU im Bundestag sitzt.

Gesundheitsökonom Wasem sieht mit Blick auf den Zugang von Versicherten zu Innovationen Änderungsbedarf beim Erlaubnisvorbehalt in der vertragsärztlichen Versorgung. „Er macht für mehrere Jahre den Zugang zu Innovationen zu“, sagte er.

Bei Erprobungsregelungen und der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung habe sich der Gesetzgeber für den Verbotsvorbehalt entschieden. „Aus meiner Sicht müssten wir überlegen, ob wir das in der GKV noch stärker flexibilisieren.“

GBA zeigt nur selten rote Karte

Wasem zeigte sich überrascht, dass es nur bei einem kleinen Teil der untersuchten Untersuchungs- und Behandlungsmethoden einen Leistungsausschluss durch den GBA gab. Diese Leistungen würden den GKV-Versicherten dann später auch zur Verfügung stehen. Allerdings würde die PKV auch Verfahren erstatten, die wegen Erfolglosigkeit gar nicht erst in die Prüfung durch den GBA kommen. Sie seien nicht Gegenstand der Untersuchung gewesen.

In Deutschland gebe es sowohl für gesetzlich als auch für privat Versicherte ein extrem hohes Versorgungsniveau, betonte der Direktor des PKV-Verbands Dr. Florian Reuther. „Zu unserem Gesundheitswesen gehört auch, dass alle Versicherten Zugang finden zu den modernsten Behandlungsmethoden.“

Voraussetzung für Innovationen sei, dass Kostenträger sie bezahlen. Zudem bräuchten Ärzte und Hersteller ein relevantes Anwendungsfeld. „Sie müssen die Aussicht haben, dass sie in den normalen Marktzugang kommen“, erläuterte Reuther. Dabei übernehme die PKV die Rolle des Türöffners.

Wettbewerb über beste Methode?

Während in der GKV Entscheidungen für die Gesamtheit der Versicherten getroffen werden, entscheide in der PKV der einzelne Arzt, ob er eine Innovation nutzt. „Die dezentrale Entscheidung lässt den Wettbewerb zwischen Krankenhäusern und Ärzten über die beste Behandlungsmethode zu“, sagte Reuther.

Das bezweifelt Wissenschaftler Wasem. Es müsse um die Evidenz gehen. „Die Frage, ob etwas evidenzbasiert ist, verschließt sich dem Wettbewerb.“

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