Impfstoff-Verfall

Pädiater üben scharfe Kritik an Kühlschrank-Urteil

Schädlich und fatal fürs Impfen in Praxen: Der Chef der Kinder- und Jugendärzte Dr. Thomas Fischbach findet klare Worte für das Kühlschrank-Urteil des Bundessozialgerichts. Nun müssten die KVen die Kuh vom Eis holen.

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Das Aufbewahren und Zwischenlagern von Impfstoff im Praxiskühlschrank ist eigentlich Routine für Praxen. Dass nun das  Bundessozialgericht in der Frage, ob Ärzte dafür haften müssen, wenn wegen eines Kühlschrankdefekts teurer Impfstoff unbrauchbar wird, einen Regress in fünfstelliger Höhe bestätigt hat, lässt viele Ärztinnen und Ärzte  jedoch ratlos und verärgert zurück.

Das Aufbewahren und Zwischenlagern von Impfstoff im Praxiskühlschrank ist eigentlich Routine für Praxen. Dass nun das Bundessozialgericht in der Frage, ob Ärzte dafür haften müssen, wenn wegen eines Kühlschrankdefekts teurer Impfstoff unbrauchbar wird, einen Regress in fünfstelliger Höhe bestätigt hat, lässt viele Ärztinnen und Ärzte jedoch ratlos und verärgert zurück.

© Sina Schuldt / picture alliance/dpa

Berlin. Vor gravierenden Folgen des sogenannten Kühlschrank-Urteils hat der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) gewarnt. Das Urteil des Bundessozialgerichts in Kassel schade „dem Impfgedanken maßgeblich“, sagte BVKJ-Präsident Dr. Thomas Fischbach in Reaktion auf die in der vergangenen Woche veröffentlichte Entscheidung der Richter.

Das Gericht hatte in seinem Urteil unter anderem festgehalten, dass bei Unterbrechung der Kühlkette im Praxiskühlschrank der Arzt für den Verfall eines darin gelagerten Impfstoffs hafte. Geklagt hatte zuvor eine Kinderarztpraxis aus Magdeburg. Dort war es wegen eines kaputten Relais zu einer Unterkühlung von im Praxiskühlschrank aufbewahrten Vakzinen gekommen.

„Impfen wird zum Risiko für Existenz der Praxen“

Mit dem Richterspruch gerate das „Impfen zum Risiko für die Existenz unserer Praxen“, kommentierte Fischbach. Die für Impfstoffe verwendeten Spezialkühlschränke stünden zwar in der Verfügungsmacht einer Arztpraxis und „damit in der Verantwortung des Arztes oder der Ärztin“, gestand der BVKJ-Chef zu. Einen Ausfall des Kühlschranks etwa bei Stromausfall könne die Praxis aber nicht verhindern.

Bisher hätten pädiatrische Praxen als Service für ihre Patienten die Zwischenlagerung von Impfstoffen in Spezialkühlschränken stets unentgeltlich übernommen, „um möglichst sicher und unkompliziert zu impfen“, erklärte Fischbach. Viele Praxen würden nun aber das Risiko meiden, Impfstoffe in Kühlschränken zu lagern. Viele Versicherer lehnten es ab, einen eventuellen Stromausfall und damit verbundene Schäden zu übernehmen, berichtete der Pädiater aus Solingen.

„Eltern müssen sich wohl künftig Vakzine selber holen“

Kinder- und Jugendärzte würden den Patienteneltern künftig wohl Verordnungen „in die Hand drücken und sie bitten, den benötigten Impfstoff für ihr Kind in der Apotheke zu besorgen und dies unter Beachtung der lückenlosen Kühlkette“, sagte Fischbach. Was das für Konsequenzen für die Impfquoten bedeute, müsse eigentlich jedem schnell klar sein.

Die Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) müssten nun „die Kuh vom Eis holen“ und eine tragbare Lösung entwickeln. Nur dann lasse sich das Regressrisiko für die Praxen ausschließen und Eltern zugleich garantieren, „dass ihr Kinder- und Jugendarzt auch künftig impfen kann“, sagte Fischbach. (hom)

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Kommentare
Iris Schluckebier 05.07.202208:03 Uhr

Die Entscheidung erschreckt mich sehr!

Als MFA und QMB würde ich dringend empfehlen, eine sinnvolle Lösung zu finden, die da so aussehen könnte:

Wenn der Kühlschrank, regelmäßig nach QM-RL gecheckt wird, die Lagerung korrekt erfolgt, der Kühlschrank mit einem Min./Max.-Thermometer ausgestattet ist und die Kühlschranktemperatur tägl. vor Praxisbeginn abgelesen und dokumentiert wird... Dann hat das Praxisteam alles richtig gemacht. Eine Mitverantwortung der Praxisinhaber*innen nur, wenn sie grobfahrlässig handeln.
Herzliche Grüße und viel Erfolg den Praxisteams!

Dr.med. Martin Schulz 04.07.202211:45 Uhr

BVKJ-Präsident Dr. Thomas Fischbach müsste es eigentlich besser wissen ...
das ist eine Aufforderung zum Untergang ...
"Kinder- und Jugendärzte würden den Patienteneltern künftig wohl Verordnungen „in die Hand drücken und sie bitten, den benötigten Impfstoff für ihr Kind in der Apotheke zu besorgen und dies unter Beachtung der lückenlosen Kühlkette“, sagte Fischbach. "
Das führt - nicht mehr und nicht weniger - zu einem knallharten Regress.
Dann ist dieser "Zahn" schnell gezogen.
Diese Aufforderung von BVKJ-Fischbach ist gefährlich und leichtsinnig, nicht schlauu bedacht.
Bin aber sicher, dass die Kinderärzte das schlauer angehen, als ihr BVKJ-Chefe.

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