Urteil des EGMR

Sexualstraftäter muss Therapie erhalten

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat geurteilt: Belgien muss die angemessene Behandlung eines Sexualstraftäters sicherstellen, um ihm die Chance auf eine eine Resozialisierung zu geben. Ein 19-Jähriger hatte geklagt - und erhält nun eine Entschädigung.

Martin WortmannVon Martin Wortmann Veröffentlicht:
Ein belgisches Gericht befand den 19-jährigen Beschwerdeführer wegen einer psychischen Störung für schuldunfähig.

Ein belgisches Gericht befand den 19-jährigen Beschwerdeführer wegen einer psychischen Störung für schuldunfähig.

© Ronald Wittek / dpa

STRASSBURG. Sexualstraftäter müssen in der Haft die Möglichkeit zu einer Therapie bekommen. Eine Verweigerung kommt einer erniedrigenden Behandlung gleich, urteilte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg.

Er sprach damit einem Belgier eine Entschädigung von 16.000 Euro zu. Gleichzeitig forderte der EGMR Belgien auf, die Situation innerhalb der kommenden zwei Jahre zu überprüfen und entsprechend zu ändern.

Der damals 19-Jährige Beschwerdeführer war 2006 wegen sexueller Nötigung einer unter 16-Jährigen festgenommen worden. Das Gericht befand ihn wegen einer psychischen Störung für schuldunfähig. 2007 wurde er deshalb in die sozialpsychiatrische Schutzstation eines Gefängnisses eingewiesen. Dort ist er bis heute untergebracht.

Keine Aussicht auf Resozialisierung

Gutachter bescheinigten dem jungen Mann eine autistische Störung mit Neigungen zu Perversion und Pädophilie. Dennoch erhielt er ab 2010 begleiteten Ausgang, um seine Familie zu besuchen. Dies wurde 2015 abgebrochen, weil der Mann entgegen seiner Auflagen versucht hatte, in Kontakt mit Minderjährigen zu kommen.

Mit seiner Beschwerde rügte der Mann, dass ihm bislang keine Möglichkeit für eine Therapie gegeben worden sei. Dadurch habe er faktisch keine Aussicht auf eine Resozialisierung.

Belgien hat gegen das Verbot einer erniedrigenden Behandlung verstoßen

Der EGMR gab ihm damit recht. Die Schutzstation sei für psychisch kranke Häftlinge wie den Kläger nicht geeignet. Psychiater hätten ihn nur für Untersuchungen und Diagnosen besucht und hätten gegebenenfalls Medikamente verschrieben.

Eine angemessene Therapie habe nicht stattgefunden, obwohl ihm Gutachter 2008 die notwendige Selbsteinsicht ausdrücklich bescheinigt hätten.

Nach den Maßstäben der Europäischen Menschenrechtskonvention müsse es in solchen Fällen eine Therapie geben. Häftlinge bräuchten eine Perspektive für ihre Reintegration in die Gesellschaft.

Weil dies hier verweigert worden sei, habe Belgien gegen das Verbot einer erniedrigenden Behandlung verstoßen, urteilte der EGMR. Egal, was der Mann getan habe, könne dies den Staat nicht aus seiner Verantwortung für ihn entlassen.

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Gelistet als Best-Practice-Intervention

Psychische Gesundheit: OECD lobt deutsches Online-Programm iFightDepression

Das könnte Sie auch interessieren
Was die MS-Behandlung auszeichnet

© Suphansa Subruayying | iStock

Lebensqualität

Was die MS-Behandlung auszeichnet

Anzeige | Merck Healthcare Germany GmbH
Unsichtbare MS-Symptome im Fokus

© AscentXmedia | iStock

Lebensqualität

Unsichtbare MS-Symptome im Fokus

Anzeige | Merck Healthcare Germany GmbH
Prognostizierbares Therapieansprechen?

© Stockbyte | gettyimages (Symbolbild mit Fotomodellen)

Antidepressiva

Prognostizierbares Therapieansprechen?

Anzeige | Bayer Vital GmbH
Depression und Schmerz gehen häufig Hand in Hand

© brizmaker | iStock (Symbolbild mit Fotomodell)

Depressionsscreening

Depression und Schmerz gehen häufig Hand in Hand

Anzeige | Bayer Vital GmbH
Kommentare
Sonderberichte zum Thema

ADHS im Erwachsenenalter

Wechseljahre und ADHS: Einfluss hormoneller Veränderungen auf Symptomatik und Diagnose

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: MEDICE Arzneimittel Pütter GmbH & Co. KG, Iserlohn
Neue Ansätze zur Behandlung seltener Krankheitsbilder

© Dr_Microbe / stock.adobe.com

Entwicklungen in der Therapie neuromuskulärer Erkrankungen

Neue Ansätze zur Behandlung seltener Krankheitsbilder

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Roche Pharma AG, Grenzach-Wyhlen
Abb. 1: a) Verlauf einer Gruppe unbehandelter Personen, b) 5-Jahres-Daten der SUNFISH-Studie Teil1, c) Teil2

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [3]

Therapie der 5q-assoziierten SMA

Risdiplam-Filmtabletten: flexiblere Anwendung im Alltag

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Roche Pharma AG, Grenzach-Wyhlen
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Lungensurfactant

Warum Seufzen der Atmung gut tut

Lesetipps
Der Rücken eines Mannes mit Gürtelrose zeigt Vesikel.

© Chinamon / stock.adobe.com

Alter für Indikationsimpfung herabgesetzt

STIKO ändert Empfehlung zur Herpes zoster-Impfung

Mammografie-Screening bei einer Patientin

© pixelfit / Getty Images / iStock

Prävention

Mammografie-Screening: Das sind Hindernisse und Motivatoren