Sicheres Altern dank Elektronik und Medizin

Technische Assistenzsysteme in der Wohnung sollen Gefahren für ältere Bewohner erkennen und auch Pfleger unterstützen - so die Vision. Die Kosten dafür können sich auf 30.000 Euro für eine alte Wohnung belaufen.

Philipp Grätzel von GrätzVon Philipp Grätzel von Grätz Veröffentlicht:

BERLIN. Politik und Industrie ziehen nach fünf Jahren Innovationspartnerschaft Ambient Assisted Living (AAL) ein positives Zwischenfazit. Assistenzsysteme ermöglichen ein selbstbestimmtes Leben bis mindestens Pflegestufe zwei. Ein Problem bleiben die Kosten.

AAL bezeichnet intelligente Haustechnik, die das Leben in den eigenen vier Wänden speziell für alte Menschen sicherer macht und eine stationäre Pflege hinauszögern oder verhindern kann. Das Bundesforschungsministerium und der Industrieverband VDE sind gemeinsam mit Sozialverbänden vor fünf Jahren eine von zahlreichen Förderprogrammen flankierte Partnerschaft eingegangen, um AAL voranzubringen.

Mit rund 800 Teilnehmern war das Interesse an dem diesjährigen Kongress dieser Initiative in Berlin groß wie nie. Die rege Teilnahme spiegele Erfahrungen der letzten drei Jahre wider, wonach es immer mehr Anfragen zu Assistenzsystemen durch unmittelbar Betroffene gebe. Das Thema sei längst nicht mehr akademisch, so Birgit Eberhardt vom VDE.

Intelligente Türen gefragt

Ein gewisser Konsens hinsichtlich der Ausgestaltung von AAL hat sich zwischen Sozialdiensten, medizinischen Versorgern und Wohnungswirtschaft mittlerweile herauskristallisiert.

"Wir brauchen modulare Systeme, bei denen die alten Menschen nur jene Funktionen nutzen, die sie auch wirklich benötigen", betonte Axel Viehweger von den Sächsischen Wohnungsbaugenossenschaften. Industrienormen, die dafür sorgen, dass unterschiedliche AAL-Gerätschaften problemlos verknüpft werden können, werden derzeit erarbeitet.

Der VDE hat dazu jetzt eine Roadmap vorgelegt, mit der die deutsche Industrie auch international eine Vorreiterrolle einnehmen möchte.

Die am meisten nachgefragten AAL-Funktionen kommen aus dem Bereich Sicherheit. Intelligente Türen, die beim Verlassen des Hauses kontrollieren, ob der Herd abgeschaltet ist, oder Wasserhähne mit Überlaufsensor gehören in diese Kategorie. An zweiter Stelle auf der Wunschliste der Nutzer stehen medizinische AAL-Funktionen. Was hier bereits möglich ist beziehungsweise erprobt wird, machte Wolfram Rohleder vom Bundesvorstand der Johanniter Unfallhilfe deutlich.

Im Rahmen des BMBF-geförderten Smart Senior-Projekts erweitern die Johanniter ihre Hausnotrufzentrale zu einem Assistenzzentrum, das mit fernwartungsfähigen Kommunikationsboxen arbeitet und darüber unter anderem Videokommunikation, telemedizinische Dienste und Sturzerkennung anbietet.

Pflegekräfte wollen sprachbasierte Dokumentation

Und auf Seiten der Pflegekräfte ist neben einer Pflegedokumentation per digitalem Stift auch eine sprachbasierte Dokumentation angedacht, bei der erbrachte Pflegeleistungen anhand der Kommunikation mit dem Patienten abgehakt werden. Sagt eine Pflegeperson zum Patienten beispielsweise "ich wasche Ihnen jetzt den Rücken", dann könnte in der Pflegedokumentation automatisch ein entsprechendes Kreuz gesetzt werden.

Wohnungsbaugesellschaften können mittlerweile ziemlich gut beziffern, wie es sich auf den Mietpreis auswirkt, wenn eine (alte) Wohnung systematisch "fit fürs Alter" gemacht wird. Soll eine herkömmliche Dreizimmerwohnung mit 50 Quadratmetern barrierefrei gestaltet werden, sei mit Kosten von etwa 20.000 Euro zu rechnen, so Viehweger.

Das entspreche einer Mietpreissteigerung von etwa zwei Euro pro Quadratmeter. Werden zusätzlich Assistenzsysteme installiert, kostet die dafür nötige Elektrik und Elektronik noch mal 10.000 Euro oder einen Euro pro Quadratmeter mehr Miete.

"Bei den Assistenzsystemen gibt es aber noch Luft", betonte Viehweger. Gemeinsam mit der Industrie will die Wohnungswirtschaft diesen Kostenpunkt in den nächsten zwei Jahren auf 2500 Euro oder 25 Cent Mietzuschlag pro Quadratmeter drücken.

In diesem Bereich werde AAL dann für die Kunden interessant, so Viehweger. Mittelfristig hofft er auf eine Mischfinanzierung, an der sich außer dem Mieter auch die sozialen Sicherungssysteme beteiligen.

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