Patientenbefragungen

Sinnvolle Ergänzung für die Qualitätssicherung

Patientenbefragungen gelten oft als zu subjektiv, um für die Bewertung der Qualität von Kliniken geeignet zu sein. Doch als ergänzender Mosaikstein sind sie sinnvoll - wenn möglichst genau und ganz konkret nachgefragt wird.

Christian BenekerVon Christian Beneker Veröffentlicht:
Patientenbefragungen als Teil der Qualitätssicherung sind nicht unumstritten.

Patientenbefragungen als Teil der Qualitätssicherung sind nicht unumstritten.

© Robert Kneschke / fotolia.com

"Miss es oder vergiss es" - ein oft gehörtes Motto in der Qualitätssicherung. Hat mein Arzt seine Hände desinfiziert, bevor er mich angefasst hat und nachdem er mich angefasst hat? Hat er mich vor meiner Op umfassend aufgeklärt? Hat mein Arzt mir Alternativen genannt und die Risiken der Behandlung mit mir besprochen? Kenne ich die Nebenwirkungen meiner Medikamente? Wie stark sind meine Schmerzen?

Zu vielen Parametern der Qualitätssicherung im Krankenhaus können oder müssten sogar viel stärker als bisher auch die Patienten gefragt werden. Denn um die Patienten und ihr Wohlergehen geht es schließlich.

Da waren sich die Referentinnen auf der Tagung "Qualität kennt keine Grenzen" des Göttinger Institutes für angewandte Qualitätsförderung und Forschung im Gesundheitswesen (AQUA-Institut) einig.

Aber was genau nützt die persönliche Perspektive der Patienten, wenn es um die Beurteilung von Qualität geht? Ist eine Patientenbefragung überhaupt eine tatsächliche Messung oder ein Sammelsurium persönlicher Beobachtungen von Menschen, die den Behandlungsprozess gar nicht bewerten können?

Bisher ist die Patientenbefragung kein Teil der gesetzlich vorgeschriebenen Qualitätssicherung. Sollte es dabei bleiben, weil die Patientenperspektive zu subjektiv ist?

Subjektivität - Hilfe oder Hindernis?

Um es vorweg zu nehmen: Subjektivität ist weder Vor- noch Nachteil. Subjektivität ist die natürliche Bedingung, unter der Ärzte und Patienten ebenso leben und arbeiten wie Postboten oder Journalisten. Die Frage ist nur, wie mit dieser Realität umgegangen wird.

Dr. Konstanze Blatt vom GKV-Spitzenverband begrüßte bei der Tagung die Subjektivität der Patienten denn auch als "eigentlich einzige Konstante im Behandlungsverlauf über die Sektorengrenzen hinweg".

Wohl wahr. Denn nur der Patient erlebt die Behandlung ganz und gar über alle Grenzen, Erfolge und Pleiten hinweg. Und: Er darf und muss mit dem Ergebnis leben. Es liegt also nahe, ihn zu fragen, was er in Praxis, Klinik und Reha erlebt hat und wie es ihm nach all dem geht.

Aber die Referentinnen der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) und der KBV, Dr. Doris Voit und Dr. Kristina Saal, setzen die Subjektivität der Patienten gleichwohl auf die Negativseite bei Patientenbefragungen. Warum?

"Für mich ist Subjektivität als Patientenperspektive völlig in Ordnung", sagt Voit. "Aber Subjektivität ist für mich auch eine Schwäche, die mit dem zeitlichen und räumlichen Abstand zur Indexleistung immer gravierender wird." Denn es gebe "multiple Faktoren", die auf den Patienten einwirken und seine Wahrnehmung verzerrten, so Voit.

Wenn ein Patient zum Beispiel operiert und vom Hausarzt nachversorgt und dann unter Umständen Monate und Jahre später nach seiner Beurteilung gefragt ist, "dann haben viele Kräfte schon auf seine Meinungsbildung eingewirkt, Kinder, Freunde oder Nachbarn", sagt Voit.

"Wenn daraus dann Qualitätsförderungsmaßnahmen abgeleitet werden sollten, dann wäre das nicht im Sinne der Qualitätssicherung."

Medizin ist immer sozial

Aber Medizin ist eine soziale Angelegenheit. Die Entscheidung, ob sie gut oder schlecht arbeitet, darf nicht einzig der Analyse von Abrechnungsdaten überlassen werden, aus denen man zum Beispiel ableiten kann, ob ein Patient nach einer Op erneut unters Messer muss.

Zudem seien Abrechnungsdaten auch nicht das Evangelium, weil sie - Stichwort: Upgrading - Leistungen angeben, die unter Umständen gar nicht erbracht wurden. Das sagte die Referentin Cordula Mühr, Patientenvertreterin für die Frauenselbsthilfe nach Krebs im GBA, zur "Ärzte Zeitung".

Nein, was ein Patient selbst erlebt und auch was seine Nachbarn zum Beispiel zu seinen postoperativen Schmerzen sagen, sagt etwas über die tatsächliche Qualität einer Operation aus.

Denn wenn Angehörige ihn bei postoperativen Schmerzen in der Hoffnung auf Besserung bestärken, dann wird der Patient seine Schmerzen erträglicher finden, die Op möglicherweise besser bewerten.

Wie könnte man da urteilen, diese Haltung stamme nicht wirklich von ihm? Und was wäre außerdem "objektiv"? Wenn der Arzt entscheidet, welche Schmerzen noch akzeptabel sind und welche nicht, und daraus Urteile über die Qualität der Op erhebt? "Ärzte bewerten tendenziell positiver", gibt Dr. Konstanze Blatt zu bedenken.

Wichtig bei einer Patientenbefragung, um den Erfolg von Medizin zu bewerten, ist vor allem die Qualität der Fragebögen oder der Patientengespräche.

Je genauer und konkreter gefragt wird, um so weniger wird der Patient mit Meinungen antworten, sondern mit hilfreichen Angaben: Wie oft mussten sie mehr als drei Wochen auf einen Termin warten? Wie oft tut ihnen das Knie weh? Und so weiter.

Im Übrigen können Patientenbefragungen nur ein Mosaikstein einer Bewertung sein und die anderen QS-Werkzeuge ergänzen. Schließlich sind Ärzte auch nur Menschen und als solche so subjektiv wie sozial. Dr. Konstanze Blatt: "Wenn ein Arzt ein neues Medikament verschreibt, hat er auch subjektiv entschieden."

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