Honorarsenkung

Sonder-VV und Streikpläne

Der Zorn wächst: Die Ärzteschaft will die von den Kassen geforderte Honorarsenkung nicht widerstandslos hinnehmen. Die KBV erwartet einen "heißen Herbst" - und hat zur Sonder-VV geladen. Die Zeichen stehen immer mehr auf Streik.

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Euro in der Schraubzwinge: Was wird aus dem Honorar der Niedergelassenen?

Euro in der Schraubzwinge: Was wird aus dem Honorar der Niedergelassenen?

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BERLIN (af/fst). Die Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung tritt am Samstag, 1. September, zu einer außerordentlichen Sitzung zusammen. Das hat die "Ärzte Zeitung" auf Nachfrage bei der KBV erfahren.

Auf der Tagesordnung stehen die von den Kassen geplanten Honorarkürzungen für 2013 um rund zwei Milliarden Euro. Derweil wächst die Zahl der Ärzteverbände, die einen Streik befürworten.

Die Idee, die Delegierten zur VV zusammenzurufen, sei bei einem Treffen von KV-Vertretern am vergangenen Donnerstag geboren worden, berichtete KBV-Pressesprecher Dr. Roland Stahl.

Dabei habe unisono große Empörung über den Honorarkürzungs-Antrag der gesetzlichen Krankenkassen im Bewertungsausschuss geherrscht. Die hatten Anfang August eine Senkung des Orientierungswertes auf rund 3,25 Cent gefordert.

Kommt am Donnerstag die Entscheidung?

Eine erste Sitzung des Bewertungsausschusses war in der Folge ohne Ergebnis geblieben. Am Donnerstag dieser Woche (30. August) tritt der erweiterte Bewertungsausschuss zusammen.

Ob der unabhängige Sachverständige, Professor Jürgen Wasem, dann eine endgültige Entscheidung treffen wird, steht nicht fest. "Er kann, aber er muss nicht", hieß es am Montag in Ärztekreisen.

Die Sonder-VV soll ungeachtet des Ergebnisses vom Donnerstag zusammentreten. Eines ist für die Ärzteseite klar: "Eine Absenkung des Orientierungswertes wäre eine Kampfansage", sagt Stahl. "Wir steuern auf einen heißen Herbst zu."

KBV-Chef Dr. Andreas Köhler hat bereits klar gestellt, dass die Ärzte Rechtsmittel einlegen werden, sollte der Orientierungswert unter die heutige Marke von gut 3,5 Cent fallen.

Allerdings können die Vertreter der KBV und die Körperschaft selbst wegen ihres Status nicht zum Streik aufrufen.

Konsequenzen, die öffentlichen Proteste und Streik nicht ausschließen, haben aber bereits Ärzteverbände wie der NAV-Virchowbund und der Hartmannbund angekündigt.

Auch der Hausärzteverband Rheinland-Pfalz hat sich dieser Erklärung angeschlossen. Niedrigere Honorare würden alle Anstrengungen konterkarieren, eine Niederlassung in unterversorgten Gebieten attraktiv zu machen, so der Landesvorsitzende Dr. Burkhard Zwerenz.

"Dreistes Verhalten der Kassen"

Der Medi-Verbund hat angesichts der Kassenforderung seine Streikbereitschaft bekräftigt. Der Ärztebund hat bereits für den 21. November zu einem Warnstreik aufgerufen.

Er will erreichen, dass vor Gericht geklärt wird, ob niedergelassene Ärzte streiken dürfen oder nicht. "Dieser Termin ließe sich jedoch vorverlegen, wenn die Verhältnisse es erfordern sollten", stellt Medi-Chef Dr. Werner Baumgärtner in einem Rundschreiben an alle niedergelassenen Ärzte in Deutschland klar.

Krankenkassen würden jedes Jahr "hunderte von Millionen Euro durch nicht bezahlte Leistungen" sparen, schreibt Baumgärtner: "Damit muss Schluss sein, wir brauchen endlich feste Preise!"

Solidarisch mit den Protestbekundungen von Verbänden zeigt sich die "Freie Allianz der Länder-KVen" (FALK). Dort haben sich die Vorstände der KVen in Bayern, Baden-Württemberg, Hessen und Mecklenburg-Vorpommern zusammengeschlossen.

In einer gemeinsamen Mitteilung verurteilen die KVen die Ankündigung der Kassen als "nicht nur skandalös, sondern auch rechtswidrig". Das Vorhaben der Kassen entbehre "jeglicher gesetzlichen wie politischen Grundlage", heißt es weiter.

Denn der Gesetzgeber habe absichtlich die Mengenentwicklung in der ambulanten Versorgung von der Preisentwicklung abgekoppelt. Insoweit richteten sich die Aktivitäten der Kassen gegen das Ziel der Politik, "die ambulante Versorgung zu erhalten" und seien "effektive Nachwuchsverhinderungspolitik".

Politiker seien aufgerufen, das "dreiste Verhalten der Krankenkassen zu unterbinden". Geschehe dies nicht, müssten sich die Ärzte wehren. Und dieser Konflikt werde "nicht geräuschlos verlaufen", warnen die Vorstände der vier KVen.

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Kommentare
Helmut Karsch 28.08.201212:14 Uhr

Kürzung oder Einsparung?

Das die Kassen eine Nebelkerze in Form eines Gutachten werfen, ist ja für sich nichts Neues. Der tatsächliche Grund warum die Kassen die Vergütung senken wollen liegt wohl ehr an dem Umstand, das Herr Schäuble den Steuerzuschuss für die GKV von derzeit ca. 16 Milliarden Euro eindampfen will. Das gilt auch für den Rentenzuschuss aus Steuermitteln.Allein 2013 sollen die Zuschüsse um 5 Milliarden gekürzt werden, wie aus den Eckwerten für Haushalt 2013 hervorgeht. Da der Bundeshauhalt 2016 ausgeglichen sein soll, muss Herr Schäuble den Zuschuss GKV massiv kürzen. Die Gesamt-GKV Einnahmen dürften dann auf das Niveau von 2007 zurückfallen. Die Konsequenzen sind klar. Wie schrieb der Tagelspiegel so schön zutreffend. "Der gesamtstaatliche Überschuss resultiert einzig und allein aus dem Plus der Sozialkassen"
Die Vereinnahmung dieser Überschüsse ist damit nur logische Konsequenz.
Aus prekären Beschäftigungen und jahrzehntelanger Senkung der Realeinkommen lässt sich ein Umlage finaziertes System nicht bezahlen.
Da Zusatzbeiträge Ärger bedeuten geht man seitens der Kassen lieber den Weg des "Statistischen Rauschen" mit einem grotesk schlechten Gutachten.

Dr. Thomas Georg Schätzler 28.08.201200:54 Uhr

Fehlende gesundheitsökonomische Differentialdiagnosen?

Rein juristisch zu argumentieren und Rechtsmittel einlegen zu wollen, wie die KBV es plant, reicht nicht. Das der Argumentation des GKV Spitzenverbandes Bund zu Grunde liegende und von ihm auch finanzierte PROGNOS-Gutachten muss analysiert und auf weitere Schwachstellen hin abgeklopft werden. Vgl.
http://www.springermedizin.de/prognos-gutachten-seltsame-zahlen-tollkuehne-ableitungen/3187080.html

Denn der unabhängige Sachverständige, Professor Jürgen Wasem, von der Universität Essen/Duisburg wird sich als Experte für Gesundheitsökonomie bei fehlenden i n h a l t l i c h e n Gegenargumenten eher auf das Auftragsgutachten der Gegenseite stützen, das sich von gesundheitswirtschaftlicher Expertise geleitet gibt. Eine emotional aufgeheizte außerordentliche Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung nur zwei Tage nach dem Termin für den erweiterten Bewertungsausschuss einzuberufen, deutet eher auf hektischen Aktionismus hin.

Punktwert-E r h ö h u n g e n wegen gestiegener Kosten, vermehrter Multimorbidität, gesteigerter Anspruchshaltung (auch durch aggressives GKV-Kassenmarketing geschürt), veränderter demografischer, dokumentarischer und forensischer Aspekte bzw. Qualitätssicherung durchzusetzen, erfordert mehrgleisige Argumentationen. "Niederlassung in unterversorgten Gebieten attraktiv zu machen", ist vornehmste Aufgabe der jeweiligen KV, die dafür den Sicherstellungsauftrag hält.
Auch dass Krankenkassen jedes Jahr "hunderte von Millionen Euro durch nicht bezahlte Leistungen" sparen, ist zuvorderst durch EBM-Zeitvorgaben und Budgets für Niedergelassene, Regelleistungsvolumina (RLV), Abstaffelungen und Regressandrohungen als zentralen KBV- und KV-Steuerungsinstrumenten bedingt. Die Umsetzung eines vor vielen Jahren von der KBV selbst betriebswirtschaftlich kalkulierten Orientierungspunktwertes bleibt Traumtänzerei. Auch die vom Gesetzgeber bewusste Abkopplung der Mengenentwicklung in der ambulanten Versorgung von der Preisentwicklung ist bei den Quartalsabrechnungen der Vertragsärzte/-innen bisher n i c h t angekommen.

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM, z. Zt. am Gardasee/I

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