Versorgungsgesetz

Thüringer Ärzte wehren sich gegen Praxisabbau

In Thüringen könnte der geplante Zwangsaufkauf von Arztsitzen jede sechste Praxis betreffen - auch im ländlichen Raum und in Fachgebieten mit bereits seit Jahren chronischen Termin-Engpässen.

Von Katrin Zeiß Veröffentlicht:
Wartezimmer voll - und dennoch sollen Praxen geschlossen werden? Auch in Thüringen ist die Aufregung groß.

Wartezimmer voll - und dennoch sollen Praxen geschlossen werden? Auch in Thüringen ist die Aufregung groß.

© Pleu / dpa

ERFURT. Das geplante Versorgungsstärkungsgesetz droht nach Ansicht der Kassenärztlichen Vereinigung Thüringen (KVT) zum Wegfall jedes sechsten Vertragsarztsitzes in diesem Bundesland zu führen. Der Referentenentwurf des Bundesgesundheitsministeriums hätte zur Folge, dass perspektivisch 665 der aktuell rund 4100 Praxen in dem Bundesland abgebaut werden müssen - trotz der bereits bekannten Überlastung des Systems, warnte die KVT-Vertreterversammlung in ihrer jüngsten Sitzung am Mittwoch.

"Die Pläne der Bundesregierung führen dazu, dass die Menschen in Thüringen medizinisch künftig schlechter versorgt werden", heißt es in einer einstimmig verabschiedeten Resolution der Vertreterversammlung.

KVT befürchtet gravierende Folgen

Wenn, wie im Gesetzentwurf vorgesehen, Arztsitze in Regionen mit einem statistischen Versorgungsgrad von mindestens 110 Prozent von den KVen aufgekauft werden müssen und nicht wieder neu besetzt werden dürfen, hätte das laut KVT gravierende Folgen.

Betroffen wären 585 Facharzt- und 50 Hausarztsitze sowie 30 Sitze von Psychotherapeuten. "Legt man zugrunde, dass eine Praxis im Durchschnitt 1000 Patienten behandelt, hätten 600.000 Patienten keinen Arzt mehr", verdeutlichte KV-Hauptgeschäftsführer Sven Auerswald die Konsequenzen vor der Vertreterversammlung. Thüringen hat rund 2,1 Millionen Einwohner.

Gravierende Auswirkungen hätte die Umsetzung der Gesetzespläne gerade bei absoluten Sorgenfächern unter den Facharztgruppen wie den Augenärzten, wie KV-Vize Thomas Schröter sagte. Hier haben es Patienten in verschiedenen Thüringer Regionen schon heute schwer, überhaupt einen Termin zu bekommen - trotz offizieller Überversorgung.

In Thüringens drittgrößter Stadt Gera etwa hatte die KVT deshalb in der Vergangenheit zum ungewöhnlichen Mittel der Notbeauftragung gegriffen und bestehende Augenarztpraxen zur Behandlung von Patienten verpflichtet.

Zu Lasten ländlicher Regionen

Ein Abbau von Hausarztsitzen wiederum ginge Schröter zufolge vor allem zu Lasten ländlicher Regionen, was den Vorsitzenden des Thüringer Hausärzteverbandes, Ulf Zitterbart, auf den Plan rief. "Im ländlichen Raum Praxen zumachen, das ist eine Katastrophe", kritisierte er. Der verpflichtende Aufkauf von Arztpraxen in Bereichen mit vermeintlicher Überversorgung sei völlig inakzeptabel und klinge angesichts eines Mangels an Hausärzten wie Harakiri, sagte die KV-Vorsitzende Annette Rommel.

Da nütze es auch nichts, Krankenhäuser in unterversorgten Gebieten für die ambulante Behandlung zu öffnen. Geradezu absurd sei ein Praxisaufkauf zudem vor dem Hintergrund der geplanten und von der KVT ebenfalls kritisierten Termingarantie für Patienten, die ebenfalls im Gesetzentwurf der Bundesregierung steht.

Rommel kündigte Widerstand an: "Wir werden nicht hinnehmen, dass Hausarztpraxen vernichtet werden und dass die fachärztliche Versorgungsebene zugunsten von Krankenhäusern abgebaut wird." Adressaten des Widerstands sind die Thüringer Bundestagsabgeordneten, von denen sich die KVT eine Ablehnung des Gesetzesvorhabens bei der Abstimmung im Bundestag erhofft.

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