Wissenschaftsrat
Unimedizin-Standorte ausgiebig gelobt
Der Wissenschaftsrat hat das Konzept der sieben Medizinischen Hochschulen in NRW begutachtet: Einige Standorte erhalten Bestnoten, andere ernten Kritik. Der baldige Start der Unimedizin in Bielefeld solle überdacht werden.
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Ihre Fakultät erntete Kritik: Studentin in einer Vorlesungspause auf dem Campus der Universität Bochum.
© Martina Hengesbach / dpa
Düsseldorf. Die nordrhein-westfälische Universitätsmedizin ist „gut bis sehr gut, teilweise herausragend“. Das bescheinigt ihr ein neues Gutachten des Wissenschaftsrates. Die Wissenschaftler sparen allerdings auch nicht mit Kritik im Detail und an einzelnen Standorten. Und: Sie fordern von der Landesregierung mehr Koordination, um die Vernetzung der Hochschulen zu fördern, und mehr Geld.
Die Hochschulmedizin sei das „Herzstück der Gesundheitsforschung und -versorgung im Land“, sagte NRW-Wissenschaftsministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen. Deshalb habe sie das entsprechende Gutachten beim Wissenschaftsrat in Auftrag gegeben, zuletzt gab es das vor 20 Jahren. Die Experten bewerteten die sieben medizinischen Fakultäten an den staatlichen Hochschulen.
Dort waren 2017 fast 20 000 Studierende eingeschrieben, und rund 41 000 Menschen arbeiteten für die Fakultäten, einschließlich 7570 Medizinern. Der Wissenschaftsrat beurteilte außerdem die Pläne für eine neue Fakultät in Bielefeld und das geplante Kooperationsprojekt der Universitäten Bonn und Siegen.
Harte Kritik an Bochumer Modell
Eine besonders gute Entwicklung in den vergangenen Jahren hätten die Standorte Aachen und Bonn genommen, auch die Uniklinik Köln sei „sehr gut bis exzellent“, so das Ergebnis. Auch Münster erhält noch sehr gute Noten. Duisburg-Essen bescheinigt der Wissenschaftsrat „ein großes Potenzial“, Düsseldorf dagegen stehe im Wandel und vor großen Herausforderungen.
Besonders kritisch gehen die Experten mit der Hochschulmedizin in Bochum ins Gericht. Acht Träger und zwölf weit verstreute Kliniken – das 40 Jahre alte Modell hat sich für den Rat überholt. Er fordert weniger Kooperationspartner und einen größeren Einfluss der Fakultät, also von Lehre und Forschung, in den Kliniken.
Den Plan, zum Wintersemester 2021/22 in Bielefeld eine neue medizinische Fakultät in Betrieb zu nehmen, hält der Wissenschaftsrat für zu ehrgeizig. Ab 2025 sollen dort bis zu 300 Studierende pro Jahr das Studium beginnen können. Im Juli dieses Jahres hat die Universität Bielefeld einen Kooperationsvertrag mit drei Krankenhäusern unterzeichnet, die gemeinsam mit weiteren Kliniken das Universitätsklinikum Ostwestfalen-Lippe (OWL) bilden werden.
Angesichts des noch fehlenden Curriculums hält der Wissenschaftsrat aber eine Verschiebung für sinnvoll. Da allerdings stößt er bei der Landesregierung auf Widerstand: „Wir wünschen uns, dass es möglichst bald losgeht, denn der Bedarf ist riesengroß“, sagte die Ministerin.
Nachvollziehen kann sie dafür die Kritik am geplanten Modell der Kooperation zwischen den Unis Bonn und Siegen. 25 Studierende sollen nach dem Grundstudium in Bonn ihr Studium in Siegen fortsetzen. Das Konzept sei ineffektiv und nicht überzeugend, urteilen die Gutachter, auch wenn der Ansatz der Kooperation mit dem ländlichen Raum wichtig sei. Darüber sei sie bereits mit den beiden Universitäten im Gespräch, sagte Pfeiffer-Poensgen.
NRW als Prototyp für andere Länder
Den künftigen Finanz- und Investitionsbedarf der Universitätsmedizin kann das Gutachten nicht genau beziffern. Die Landesregierung kann sich vorstellen, das derzeit laufende Medizinische Modernisierungsprogramm über 2021 hinaus fortzusetzen, das einen Umfang von 2,4 Milliarden Euro hat.
Das Gutachten sei auch bei anderen Ländern auf großes Interesse gestoßen, denn große Themen wie Vernetzung und Digitalisierung oder die Versorgung im ländlichen Raum seien überall akut. „NRW ist ein Prototyp für viele Bundesländer“, sagte Professor Ingo Autenrieth vom Ausschuss Medizin des Wissenschaftsrates. In NRW treffen sich die Hochschulen sowie Wissenschafts- und Gesundheitsministerium im November zu einem ersten runden Tisch, um über die Konsequenzen des Gutachtens zu beraten.