Arztfehler: Meist liegt die Ursache im Arbeitsablauf

Fehler in der Primärversorgung basieren zu 80 Prozent auf Lücken in den Praxisprozessen.

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Meist sind die Fehlerquellen auf falsche Praxisabläufe zurückzuführen.

Meist sind die Fehlerquellen auf falsche Praxisabläufe zurückzuführen.

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FRANKFURT/MAIN (pei). Pro 100.000 Konsultationen kommen in der hausärztlichen Versorgung fünf bis 80 unerwünschte Ereignisse vor, bei denen Patienten geschädigt wurden oder hätten geschädigt werden können.

Darauf wies Professor Ferdinand Gerlach, Direktor des Instituts für Allgemeinmedizin an der Universität Frankfurt, auf einer Fortbildungsveranstaltung der Frankfurter Medizinischen Gesellschaft zum Thema Patientensicherheit hin. Die Bandbreite der Inzidenz ergebe sich aus den verschiedenen Definitionen für Fehler oder critical incidents, die den Studien jeweils zugrunde lagen.

In fast 80 Prozent der Fälle handelt es sich laut Gerlach um Prozessfehler, dies habe eine internationale Untersuchung zu Fehlern in der Primärversorgung gezeigt. Hingegen seien Fehler, die auf mangelndes Wissen oder mangelnde Fertigkeiten zurückgehen, vergleichsweise selten.

Beseitigen lassen sich Fehlerquellen in den Praxisabläufen nur mit systematischem Vorgehen, wie Gerlach erläuterte: "Die Frage muss immer sein: Wie konnte es dazu kommen? Und: Was kann man dagegen tun?"

Im ersten Schritt müsse der Fehler identifiziert werden, im zweiten Schritt analysiert, sodann gelte es, daraus zu lernen und das System entsprechend umzubauen.

Gerlach schilderte ein Beispiel aus der Hausarztpraxis: Ein Marcumar-Patient, dessen Laborwerte regelmäßig kontrolliert werden, hat plötzlich einen INR-Wert von 5. Bemerkt wird dies in der Praxis aber erst zwei Tage später, als die Laborwerte per Post eintreffen.

Der Hintergrund: Erstens ist Grippesaison, der Praxischef steht unter erhöhtem Zeitdruck. Zweitens ist der Praxis-PC gerade defekt. Und: Normalerweise hätte das Labor einen kritischen Wert telefonisch melden müssen, was aber unterblieben ist. Prozesse zur Vermeidung solcher Fehler waren nicht implementiert.

Gemäß dem "Heinrich-Gesetz" kommen auf 300 Beinahe-Unfälle 30 Fälle, bei denen ein leichter Schaden entsteht, sowie ein Fall mit schwerem Schaden, etwa der Tod einer Person. "Aus Beinahe-Vorfällen lässt sich viel lernen", so Gerlach.

Seit 2004 steht Hausärzten dafür die Website jeder-fehler-zaehlt.de zur Verfügung, ein anonymes Fehlerberichts- und Lernsystem, über das die "Ärzte Zeitung" schon oft berichtet hat. Gerlach wies darauf hin, dass die Website auch von Medizinischen Fachangestellten genutzt werden kann.

Sein Institut für Allgemeinmedizin erforscht derzeit Medikationsfehler in der Primärversorgung und erarbeitet eine systematische Analyse medizinischer Fehler in der Hausarztpraxis. Arzthaftungsprozesse stellten eine wertvolle Quelle für die Fehleridentifikation dar, seien aber nur "die Selektion einer Selektion".

www.jeder-fehler-zaehlt.de www.aktionsbuendnis-patientensicherheit.de

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