BGH-Urteil kein Freifahrtschein für Ärzte

Der Grundsatzbeschluss des Bundesgerichtshofs hat für viel Wirbel gesorgt: Doch auch wenn sich Ärzte nicht strafbar machen, wenn sie Provisionen annehmen - berufsrechtlich verboten ist es trotzdem.

Von Monika Peichl Veröffentlicht:
Provision gefällig? Das ärztliche Handeln findet auch nach dem BGH-Urteil nicht im rechtsfreien Raum statt, betont ein Oberstaatsanwalt.

Provision gefällig? Das ärztliche Handeln findet auch nach dem BGH-Urteil nicht im rechtsfreien Raum statt, betont ein Oberstaatsanwalt.

© McPHOTO / imago

FRANKFURT/MAIN. Vertragsärzte sind keine Amtsträger und keine Beauftragten der Kassen. Diese Feststellung des Bundesgerichtshofs hat viele Fachjuristen überrascht.

Auch den Frankfurter Oberstaatsanwalt Alexander Badle, der hierzu schon immer eine Minderheitsmeinung vertreten hat.

Der BGH hatte darüber zu entscheiden, ob "korruptives Verhalten von Kassenärzten und Mitarbeitern von Pharmaunternehmen nach dem geltenden Strafrecht strafbar ist".

Badle, Leiter der hessischen Zentralstelle zur Bekämpfung von Vermögensstraftaten und Korruption im Gesundheitswesen, hatte erwartet, dass das Gericht einen Verstoß gegen Paragraf 299 Strafgesetzbuch - Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr - sehen würde.

Dass dies nicht der Fall ist, ist für ihn eine positive Überraschung - die Richter teilen die Auffassung, mit der er bisher ziemlich allein stand. Wahrscheinlich werde jetzt aber große Irritation entstehen.

"Nur nicht vom Strafrecht erfasst"

Einige Medien verstehen die Entscheidung nach seinem Eindruck als Freibrief für die Ärzte, etwa für Arzneiverordnungen Entgelt annehmen zu können. Doch der Beschluss sei "nicht der Untergang des Abendlandes", sagt er, hier handle es sich nicht um einen rechtsfreien Raum.

Zuweisung gegen Entgelt stelle einen Verstoß gegen die Berufsordnungen der Landesärztekammern dar und werde mit einem abgestuften Instrumentarium von Sanktionen geahndet, zudem könnten in solchen Fällen Verstöße gegen das Heilmittelwerbegesetz und das Wettbewerbsrecht vorliegen.

"Es ist nur nicht vom Strafrecht erfasst", so der Oberstaatsanwalt. Nach seiner Auffassung ist es weder erforderlich noch wünschenswert, jeden Rechtsverstoß dem Strafrecht zu unterwerfen.

Laut Badle basiert der Beschluss des Gerichts auf einer "präzisen Funktionsanalyse des Vertragsarztsystems". Die Vertragsärzte übten, so die Entscheidung, ihren Beruf in freiberuflicher Tätigkeit aus, auch wenn die Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung zur Teilnahme an dieser Versorgung "nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet".

Sie nähmen eine im Konzept der gesetzlichen Krankenversicherung speziell ausgestaltete Zwischenposition ein, die sie von in öffentlichen Krankenhäusern angestellten, aber auch von solchen Ärzten unterscheide, die in einem staatlichen System ambulanter Heilfürsorge nach dem Modell eines Poliklinik-Systems tätig seien.

Auch die Regelungen zur vertragsärztlichen Verordnung von Arznei-, Heil- oder Hilfsmitteln rechtfertigten nicht die Annahme, der Vertragsarzt handle in Ausführung öffentlicher Verwaltung.

Bindung an den Patienten im Vordergrund

Die Verordnung sei unabtrennbarer Bestandteil der ärztlichen Behandlung und sei vom Arzt an seiner Verpflichtung auszurichten, die aus der Berufsordnung folgt - ohne dass die gesetzliche Kasse hierauf einwirken könne.

Dass Vertragsärzte bei der Arzneiverordnung auf die wirtschaftlichen Belange der Kassen Rücksicht zu nehmen hätten, ändere nichts daran, dass die ärztliche Behandlung, in die sich die Verordnung von Arzneimitteln einfüge, in erster Linie im Interesse des Patienten und in seinem Auftrag erfolge. Bei der erforderlichen wertenden Gesamtbetrachtung stehe diese Bindung an den Patienten im Vordergrund.

Der Große Senat für Strafsachen, verkenne aber nicht die grundsätzliche Bedeutung des Anliegens, Missständen, die gravierende finanzielle Belastungen des Gesundheitssystems zur Folge hätten, mit Mitteln des Strafrechts entgegenzutreten. Es sei der Rechtsprechung jedoch versagt, Strafwürdigkeitserwägungen vorzunehmen. Das bleibe dem Gesetzgeber vorbehalten.

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Kommentare
Dr. Thomas Georg Schätzler 26.06.201217:31 Uhr

Provisionen?

Es geht hier n i c h t um "Provision gefällig?", wie die Bildunterschrift im vorliegenden ÄZ-Artikel von Monika Peichl suggerieren könnte. Eine Provision (vom Lateinischen ''providere'' = ''versorgen'' bzw. ''sorgen für'') ist ein legales Entgelt für eine verkäuferische oder vermittelnde Tätigkeit. Sie wird vertraglich vereinbart und überwiegend vom Kunden z. B. über eine Versicherungsgesellschaft an den Vermittler gezahlt. Bei Immobilienmaklern wird Synonym der Begriff ''Courtage'' verwendet. Aber auch Banken kennen Bereitstellungsprovisionen bei Darlehen.

Dass "Provision" sich auf Korruption reimt, begründet keinen inhaltlichen Zusammenhang. Aktien- oder Autohändler, Agenturen, die für Klienten arbeiten, leben von Provisionen. "Schmiergelder" heißen dagegen im Volksmund die Tatbestände von Korruption und Bestechlichkeit (§ 299 StGB), indem einen Vermögensvorteil sich z u s ä t z l i c h verschaffen will, der bereits als Beauftragter oder Amtsträger bei einer Firma oder Behörde für diese Arbeit in Lohn und Brot steht.

Das genau ist der springende Punkt. Verwunderlich nur, dass erst der BGH höchstrichterlich entschied, was für flüchtig und unlogisch operierenden Vorinstanzen als nachträgliche juristische Ohrfeige gilt. Denn diese waren geblendet von übereifrigen Staatsanwälten, die auch das obige Bild mit von Banknoten überquellenden Briefumschlägen für Ärzte vor Augen hatten.

Freiberuflich tätige Vertrags-Ärztinnen und -Ärzte stehen zivilrechtlich in einem "Dienstvertrag nach §§ 611 ff. BBG" mit ihren P a t i e n t e n. Sie sind k e i n e Beauftragten der GKV- oder PKV-Kassen. Sie unterliegen besonderen Sorgfalts- und Schweigepflichten bzw. einem aktualisierungswürdigen Berufsrecht mit Aufsichtspflicht von Ärztekammern und Kassenärztlichen Vereinigungen als Körperschaften Öffentlichen Rechts.

Kann ein Patient nachweisen, dass sein Arzt ihm Mittel o h n e medizinische Notwendigkeit verschreibt, weil er für diese nicht indizierte und möglicherweise fehlerhafte Behandlungen von Dritten eine Zuwendung bekommt, macht sich der Arzt nicht nur zivilrechtlich schadenersatzpflichtig, sondern kann auch strafrechtlich wegen Körperverletzung nach §§ 223 ff. belangt werden. Für weitergehende strafrechtliche Belange ist allein der Deutsche Bundestag als Gesetzgeber gefordert.

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

Peter Peschel 26.06.201215:52 Uhr

Grenzenlose Freiheit - Monetäre Steuerung

Ohne jegliches Unrechts- u.Schamgefühl werden 18.000,- Euro Provision gewährt, welche durch fingierte Gutachter Honarrechnungen getarnt werden.
Solche fingierten Rechnungen erfüllen für sich alleine schon den Tatbestand des Steuerbetruges. Die monetär gesteuerte Verordnung/Verschreibung von Medikamenten oder Hilfs- u.Heilmittel verstößt gegen daß Standesrecht wie auch gegen Treu u. Glaube im Vertragsrecht gegen über Patient u.Kasse.
Sollte zudem auch noch unnötig u.oder falsch verschrienben worden sein ist der Tatbestand Betrug / Untreue wie auch möglicherweise sogar vorsätzl.Körperverletzung erfolgt.
Unsere Banken z.B. gerieten auch wegen verdeckter Provision in den Beratungsprodukten an den Pranger und wurden zur Haftung verurteilt, wobei keine fingierten Rechnungen erstellt wurden.
Die krimienelle Energie,Schamlosigkeit und Verführung der Industrie und der Beteiligten hat auch in anderen Produktbereichen eine unverschämte Selbstverständlichkeit erreicht das sich auch mal die Standesorganistionen, Berufsverbände und Betroffene fragen müssen was hier eigentlich abgeht. 18.0000 Euro ein Einzelfall ????

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